„Märzengrund“: Felix Mitterers Erfolgsstück in Irschenberg
Sepp Kröll als Elias und Theresia Benda-Pelzer als Mutter. Foto: Petra Kurbjuhn
Theater in Irschenberg
Nach den letzten Worten auf der Bühne ist es eine Weile still, ehe der Applaus einsetzt. Dann aber heftig. Was Sepp Grundbacher mit seinem Irschenberger Theater hier in deutscher Erstaufführung präsentierte, das war großes Volkstheater.
Die Erwartungen sind hoch, immerhin hat die Theatergruppe unter ihrem engagierten Leiter in den letzten Jahren schon bemerkenswerte Inszenierungen auf die Bühne beim Loiderwirt gebracht. Im vergangenen Jahr bereits ein Stück des großen Tiroler Autors Felix Mitterer.
Märzengrund hatte in Tirol Uraufführung
In diesem Jahr sollte es etwas besonderes sein, denn die Obermooser Biohofkäserei der Familie Grundbacher feiert ihr 10jähriges und so entstand die Idee des Freilichttheaters am Hof. Dazu bedurfte es auch eines ausgefallenen Stückes. In „Märzengrund“, das im vergangenen Jahr in Tirol seine Uraufführung hatte, fand Sepp Grundbacher den richtigen Stoff um Simon Grandauer, der ihn bewegte. „Ich verneige mich in Demut vor dem Menschen, wir versuchen ihm gerecht zu werden“, sagte sichtlich bewegt der Spielleiter zu Beginn.
Elias (Sepp Kröll) auf der Alm. Foto: Petra Kurbjuhn
Die Inszenierung ist perfekt. Unten auf der Bühne spielt das Leben im Dorf, oben spielt das Leben auf der Alm, von ganz oben ertönt die Musik, von Florian Burgmayer eigens komponiert. Dazu werden Fotos und Filmszenen aus dem originalen Märzengrund im Zillertal eingespielt.
Denn hier hat sich die Geschichte zugetragen. Der junge Hoferbe, von Andreas Nirschl in seiner Zerrissenheit und in seinem Leid anrührend gespielt, leidet massiv unter der Zivilisation, insbesondere Strahlung von Hochspannungsmasten. Er mag in der Welt nicht mehr leben und nach Aufenthalt in der Psychiatrie will er nur noch eins, auf die Alm. Dort verbringt er die nächsten 40 Jahre seines Lebens.
Es gibt keine vergeudete Zeit
In der Einsamkeit findet er seinen Frieden, er lebt mit den Tieren, die sich ihm vertrauensvoll nähern. Sepp Kröll spielt den Einsiedler authentisch, man glaubt ihm aufs Wort, wenn er von den Eichkatzerln und den Spatzen, den Rehen und den Fischen erzählt. Man glaubt ihm aber auch, als er, wohl mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet, Begegnung mit Verstorbenen hat. Und man ist von seiner Weisheit berührt, wenn er sagt, dass es keine vergeudete Zeit gibt, dass er eins mit dem Felsen wird, wenn er da oben den ganzen Tag sitzt.
Der Vater (Hans Nirschl) im Kampf mit dem jugendlichen Elias (Andreas Nirschl). Foto: Petra Kurbjuhn
Die Familie kann es nicht fassen. Hans Nirschl als Vater zeigt dessen Zweifel, ob es wirklich sein Sohn ist. Theresia Benda-Pelzer als Mutter begeistert mit einer schaupielerischen Höchstleistung. Ist sie eingangs die geizige, harte, stolze Bauersfrau, wird sie weich, als sie den Sohn besucht und wird sie zum körperlichen und seelischen Wrack am Ende.
Elisabeth Bucher als Schwester verkörpert glaubwürdig die „normale“ Durchschnittsperson, einerseits kümmert sie sich um den Bruder, anderseits ist sie auf ihren Vorteil aus, auch die junge Schwester (Katharina Grundbacher) geht schon unbeirrt ihren eigenen Weg.
Drei Epochen
Was das Stück und die Inszenierung so spannungsgeladen macht, ist die Erzählung in drei Epochen. Schon als Kinder (Marinus Niggl, Helena Gruber) wird der Unterschied zwischen Bruder und Schwester deutlich, der sich über das Jugendlichenalter bis zum Ende fortsetzt.
Der jugendliche Elias in der Psychiatrie: Katharina Grundbacher (Schwester), Theresia Benda-Pelzer (Mutter), Andreas Nischerl (Elias) und Resi Krause (Krankenschwester) v.l. Foto: Petra Kurbjuhn
Dazu kommt das Spannungsverhältnis zwischen dem Leben im Dorf, verkörpert durch die Dörfler Gerti Reichenberger, Anna Schmidt, Hans Schrädler und Hubert Deflorin und dem Leben auf der Alm, wo Almhirte Sepp (Andreas Liedschreiber) und Jäger Hubert (Thomas Huber) sowie Salige (Maria Thrainer) seltene Gäste sind.
Persönliche und gesellschaftliche Fragen
Braucht nun der Mensch die Gesellschaft von anderen oder nicht? Ist das einsame Leben anstrebenswertes Idyll? Diesen persönlich-menschlichen Fragen gesellt Felix Mitterer gesellschaftliche hinzu. Ernährt der Bauer das Volk? Oder hat das die industrielle Landwirtschaft übernommen? Müssen Gemeinden durch Tourismus und Industrie permanent wachsen?
Antworten auf seine vielfältigen Fragen gibt der Autor nicht, er entlässt die Zuschauer mit nachhaltigen Eindrücken. Die Inszenierung von Sepp Grundbacher tut ihr Übriges, um diese Eindrücklichkeit zu verstärken. Es geht in der Hauptsache um ein Schicksal, aber dieses ist verknüpft mit anderen Schicksalen, mit der Gesellschaft und kann nicht isoliert gesehen werden.
Musik von Florian Burgmayr und Helmut Braun
Wesentlicher Bestandteil der Aufführung ist die Musik von Florian Burgmayr, spannungsgeladen ebenso wie melancholisch, von Anton Kremser, Klaus Bronner, Bernhard Bommer, Elisabeth Grabichler und Martin Augenstein gespielt. Helmut Braun hat wunderschöne Lieder komponiert, gesungen von ihm selbst und von Maralena Grundbacher. In Nebenrollen sind zu sehen: Gustl Huber, Resi Krause, Marcel Schmid.
Ensemble des Irschenberger Theaters. Foto: Petra Kurbjuhn
Wenn Sepp Grundbacher eingangs sagte, man versuche diesem außergewöhnlichen Menschen gerecht zu werden, dann kann am Ende nur konstatiert werden: Großes Kompliment an die Irschenberger Theatergruppe.