Überschäumende Kreativität am Tegernsee
Protagonistin Pauline aus dem Kinderbuch „Ich frag dich was“ vor der „Galerie und mehr“. Foto: Karin Sommer
Ausstellung in Bad Wiessee
Was macht Pauline, der nie die Fragen ausgehen, in einer Galerie? Sie isst Kuchen, hört Jazzgesang, lauscht Geschichten, und bewundert die Bilder an der Wand. Eine Vernissage für alle Sinne in der Galerie „Kunst und mehr“ in Bad Wiessee.
Wer bei dem Wort „Vernissage“ an einen ruhigen Raum dachte, in dem man beschaulich, an seinem Mineralwasser nippend, Kunstwerke betrachtet, wurde am vergangenen Samstagnachmittag eines Besseren belehrt.
Die Bad Wiesseer „Galerie Kunst und mehr“ wurde von Rayka Emmé und Nikolaus Stigloher, die bei der Talentvergabe unzählige Male „hier“ geschrien haben müssen, in einen lebendigen Ort der Begegnung zwischen Künstlern, Kunstwerken und Kunstliebhabern verwandelt.
Mit „I feel so blue“ trotzte Rayka Emmes Stimme unter Gitarrenbegleitung von Nikolaus Stigloher dem tristen Wetter, und riss die Besucher mit ihrer Unverfangenheit und Ausdruckskraft mit. Eigentlich spielt Nikolaus Kontrabass in der Band „Livfecords“, mit der die beiden in der Welt des Swing, Blues und Jazz und damit im ganzen Lande unterwegs sind, aber „Kontrabass und Stimme klingen nicht gut“, meinten die beiden lachend.
Galerieinhaber Peter Rau, Nikolaus Stigloher und Rayka Emmé bei der Eröffnung der Vernissage. Foto: Karin Sommer
So wie sich die beiden musikalisch ergänzen, tun sie das auch in anderen Bereichen. Die gebürtige Berlinerin und der waschechte Bad Aiblinger lernten sich 2008 kennen und scheinen vor Kreativität aus allen Nähten zu platzen.
Eines ihrer vielen gemeinsamen Projekte ist die illustrierte Geschichte über die Marionette Pauline, die zu zwei reizenden Kinderbüchern geführt hat. Der Text und die Zeichnungen stammen von Rayka Emmé, die zum Verlieben in Aquarell festgehaltene Pauline aus der Hand von Nikolaus Stigloher. Pauline hat es sogar ins Radio geschafft, wo ihre Geschichten wöchentlich im Sender „Charivari“ Kindern das Einschlafen versüßen.
Eine Lesung, die alle in ihren Bann zieht
Ebendiese Pauline stellte Rayka Emmé dann vor, indem sie einige Geschichten aus dem Buch „Ich frag dich was“ vorlas. Blitzschnell verwandelte sie sich in den krächzenden Raben Krack, rollte die Augen wie die kleine Pauline, wechselte zwischen den beiden Charakteren mit einer Leichtigkeit, die die Besucher der Galerie einen zauberhaften Moment lang ihr wirkliches Alter vergessen ließ.
Rayka Emmé liest aus dem Buch „Ich frag dich was“. Foto: Karin Sommer
Zwischen den musikalischen und literarischen Darbietungen blieb dennoch genug Zeit, um die Ausstellungsstücke zu betrachten.
Gleich am Eingang sind Raike Emmés schwarz-weiße Porträts berühmter Persönlichkeiten zu bewundern. Besonders am Herzen liegen ihr die Stars der 20er Jahre, aber es finden sich auch Leinwandhelden wie James Dean oder Musikidol Cher unter den portraitierten Künstlern.
„Cher“ portraitiert von Raike Emmé. Foto: Karin Sommer
Nikolaus Stigloher fängt Momente ein, die sich zu Geschichten entwickeln, während man die Bilder betrachtet. Man nimmt an den Szenen teil und würde sich am liebsten durch den Rahmen in das Bild zwängen, um am Geschehen teilnehmen zu können.
Den Zeitgeist erfasst
Ein solcher Blickfang ist das Gemälde „Gemeinsam einsam“. Es stellt eine bunte Szene auf einer Terasse eines Stadtcafés da. Menschen jeden Alters sitzen in luftigen Kleidern, mit Sonnenbrille und in guter Stimmung, vor ihren Erfrischungsgetränken. Erst bei genauerem Hinsehen bemerkt der Betrachter, dass eigentlich keine Kommunikation zwischen den Menschen auf dem Bild stattfindet, da die meisten in ihre Handys oder notgedrungen in sich selbst versunken sind.
Gemälde „Gemeinsam einsam“ Bildausschnitt. Foto: Karin Sommer
Ein Kontrast zu diesem Nachmittag, an dem die Natürlichkeit der Künstler sehr viel an Kommunikation in dieser Galerie entstehen lässt.
Und das ist es auch, was sich Galerieinhaber Peter Rau wünscht. Seine Galerie soll ein Ort sein, der Menschen die Scheu nimmt, einzutreten und in Kontakt mit den Kunstwerken zu kommen.
An diesem Nachmittag ist das ganz wunderbar gelungen. Kunst als Mittel, um Menschen zum Nachdenken anzuregen, sie zum Lachen und miteinander ins Gespräch zu bringen. Besser könnte man einen verregneten Samstagnachmittag doch wohl kaum verbringen.