Zauberin des Wassers
Taki No Shiraito – Zauberin des Wassers. Foto: Katalog
Internationale Stummfilmtage im Filmmuseum München
Kann ein Stummfilm zu Tränen rühren? „Taki No Shiraito“, 1933 gedreht in Japan, schaffte gestern genau das im Filmmuseum München im Rahmen der Stummfilmtage. Das lag zweifelsohne auch an der musikalischen Begleitung Masako Ohtas am Klavier.
Der Film über die tragische Liebe zwischen der Wasserspiel-Bühnenkünstlerin Taki No Shiraito und dem armen Kutscher Ki-san war ursprünglich nur in Fragmenten erhalten und wurde vom Filmarchiv in Tokio wieder vervollständigt. In der Einführungsrede Stefan Drößlers vom Filmmuseum München hieß es, dass in Japan die Stummfilmkunst derart perfektioniert war, dass sie lange Zeit gar nicht umstellen wollten auf Tonfilme. Somit wurden bis weit in die dreißiger Jahre hinein Stummfilme produziert. Aufgrund der häufigen Erdbeben und damit verbundenen Brände in Japan sind leider nur wenige davon erhalten. Der Stummfilm „Zauberin des Wassers“, so der deutsche Titel, ist einer von den überlieferten Klassikern.
Starkes Frauenbild in der Meiji-Periode
Modern an diesem Film ist vor allem das Frauenbild. Taki No Shiraito, so der Bühnenname von Fräulein Wasserfall, ist der Prototyp der rebellischen Frauen des Regisseurs Kenji Mizoguchi: Liebreizend schön und enorm willensstark. In der phallokratischen Gesellschaft der Meiji-Periode strebt sie nach finanzieller und sozialer Unabhängigkeit und ergreift auch in der Liebe die Initiative. Als sie sich in den armen Kutscher Ki-san verliebt, der einem edlen Samurai-Geschlecht entstammt und durch unglückliche Umstände verarmt ist, beschließt sie, sein Jura-Studium im fernen Tokio zu finanzieren. Als die Besucher der berühmten Wasserfallbühnenshow weniger werden, gerät die Truppe in finanzielle Not. Taki No Shiraito, die ein großes Herz hat, verschenkt immer wieder Geld an Menschen, die in Not geraten sind, sodass zum Schluss nichts übrig bleibt für das Jura-Studium ihres Geliebten. Das treibt sie zum Pfandleiher und als sie gedemütigt, überfallen und bestohlen wird, nimmt das Drama seinen unausweichlichen Lauf.
Taki No Shiraito verhilft den Liebenden zur Flucht. Foto: KN
In 120 Stummfilmminuten erlebten die Zuschauer einen dramatisch ausgeklügelten Film mit intensiver Erotik. Vom traditionellen japanischen Kabuki Theater kennt man, dass die klassischen Frauenrollen ausschließlich von Männern gespielt werden. Und dass die Überlieferung der anmutigen Bewegungen der Frau überhaupt nur durch die Männerrollen in derartiger Perfektion erhalten werden konnten. Takako Irie als Fräulein Wasserfall spielte nun im Film die Verführerin, die edle Dame, die verzweifelte Gefangene mit ebenjener Anmut und Kraft, zu der nur leidenschaftliche Frauen mit außergewöhnlicher emotionaler Stärke fähig sind. Zumindest aus unserem kulturellem Hintergrund aus gesehen. Dagegen ist die Rolle des Mannes vergleichsweise schlicht.
Die Kunst der perlenden Wassertropfen
Die japanische Pianistin Masako Ohta begleitete die Handlung ebenjene 120 Minuten nonstop, was an sich schon eine beachtliche Leistung ist. Besonders am Spiel der in München lebenden Pianistin ist ihr Einfühlungsvermögen und die behutsame, sich an den Stoff heran tastende Umsetzung. Masako Ohta erweckt das Instrument so, dass die Zuhörer den Klang der Saiten wahrnehmen und dabei mitunter vergessen, dass es ein Klavier ist, auf dem da gespielt wird. Das zart perlende Plätschern von Wassertropfen, das unaufhörliche Fliessen des Schicksalsflusses, das klingt dann nach Magie.
Mit dem gestrigen Film sind die Internationalen Stummfilmtage 2016 zuende gegangen. Aber im Filmmuseum München, gelegen im historischen Marstallhaus des Münchner Stadtmuseums, öffnet sich der Vorhang weiterhin täglich seinem cineastischen Fans. Im wechselnden Programm stehen umfassende Retrospektiven, thematische Filmreihen mit deutschen und internationalen Produktionen und ausgewählte Erstaufführungen. Alle Filme werden im Originalton mit Untertiteln gezeigt. Die nächsten Filmreihen sind Romy Schneider und dem im Juni verstorbenen Bud Spencer gewidmet.
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