Peter Coreth und Franz bartholomey

1918 – Was damals endete und begann

Kulturbrücken-Gründer Peter Coreth und Franz Bartolomey, emeritierter Solo-Cellist der Wiener Philharmoniker. Foto: Ines Wagner

Vor 100 Jahren im Jahre 1918 brach eine multiethnische Welt zusammen. Das Ende des 1. Weltkrieges war das Ende des Vielvölkerreiches der Habsburger Monarchie. Der letzte Thementag der Kulturbrücke Fratres zeigte, wie Kultur wieder eine Vereinigung ermöglicht.

„Meine Aufgabe als Musiker ist es, eine Spur der Versöhnung in dieses Geschehen hineinzubringen“, sagte Franz Bartolomey, emeritierter Solo-Cellist der Wiener Philharmoniker. Dazu hatte er ein mutiges und überaus bewegendes Experiment vorbereitet. In seinem Konzert begann er mit einer Solosuite von Johann Sebastian Bach, in die er Stücke anderer Komponisten einband.

Komponisten mit multikulturellen Wurzeln

Monsignore Ulrich Küchl, der gemeinsam mit der Historikerin Gudula Walterskirchen den Thementag gestaltet hatte, erklärte, dass alle ausgewählten Komponisten multikulturelle Wurzeln haben. So György Kurtág mit rumänisch-ungarisch-deutschem Hintergrund und Sofia Gubaudulina mit tartarisch-russisch-jüdischem. Gottfried von Einem hat ungarisch-österreichisch-preußische Wurzeln, der Pazifist Benjamin Britten war Engländer, emigrierte aber in die USA und der griechische Widerständler Mikis Theodorakis lebte in Frankreich.

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Franz Bartolomey, emeritierter Solo-Cellist der Wiener Philharmoniker. Foto: Ines Wagner

Von diesen zeitgenössischen Komponisten streute er Stücke in die Bachsche Musik ein. Die Botschaft bedurfte keiner Worte, das Konzert sprach für sich und ergriff die zahlreichen Gäste, die zu unserem Kulturpartner, der Kulturbrücke Fratres gekommen waren.

„Mein Vaterland zertrümmert“

Vorausgegangen war eine Lesung von Gudula Walterskirchen aus ihrem Buch „Mein Vaterland zertrümmert“. Die Autorin und Kolumnistin der „Presse“ erklärte, dass sie in Ermangelung von Zeitzeugen Zeugnisse in Form von Briefen und Aufzeichnungen aus der Zeit des 1. Weltkrieges gesammelt habe.

Die subjektiven Sichtweisen der Menschen vom Frontsoldat bis zum General werfen einen Blick auf die Geschehnisse. Da analysiert der General nüchtern und schonungslos das Leben an der Front und schimpft über die fehlende Opferwilligkeit im Hinterland. Er stellt klar fest: Nach dem Krieg werden soziale Fragen vor den nationalen Fragen stehen.

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Historikerin Gudula Walterskirchen. Foto: Ines Wagner

In einem Beschwerdebrief an das Kriegsministerium von einem Schützen kommt die nationalistische Sicht zum Ausdruck. Der ungarische Vorgesetzte wird gnadenlos niedergemacht. Und auch der General kann sich der nationalistischen Sicht nicht entziehen und spricht von Österreichern als verlässliche Soldaten, von tschechischen indes als unverlässlichen.

1918: Hunger, Verletzungen, Tod

Die Historikerin schloss ihren Vortrag mit bewegenden Fotos von amputierten Soldaten, erhängten Deserteuren, Soldaten im Schützengraben mit leeren Augen und verletzten Kindern. Der Zusammenbruch, so fasste sie zusammen, sei das totale Chaos gewesen, das Ende der geordneten Welt, stattdessen gab es Hunger, Verletzungen und Tod.

Es gab aber auch im Schützengraben Musik. Franz Bartolomey erzählte, dass er Fotos eines aus einer Kiste zusammengebauten Cellos im Schützengraben gesehen habe. Und so könne Musik Glaube und Hoffnung transportieren.

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Österreich-tschechische Geschichte: Niklas Perzi und Miroslav Kunštát. Foto: Ines Wagner

Was nach dem dramatischen Zusammenbruch der Habsburger Monarchie im Jahr 1918 passierte, berichtete Miroslav Kunštát von der Karlsuniversität in Prag. Nach dem Zerfall Österreich-Ungarns wurde am 28. Oktober die Tschechische Republik gegründet. Dieser Tag ist Nationalfeiertag in Tschechien und nach der Trennung der beiden Nationalitäten seit 1999 auch in der Slowakischen Republik. Der Historiker berichtete, dass alle Streitigkeiten im Lande an diesem Tag ausgetragen würden.

Gut für den Tourismus

Andererseits gewönnen die Habsburger im Lande auch wieder an Bedeutung. Das mache sich gut wegen der Touristen und so würden überall im Lande wieder Franz Josef Denkmäler aufgestellt.

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Die Protagonisten des Thementages: Ulrich Küchl, Franz Bartolomey, Gudula Walterskirchen, Niklas Perzi und Miroslav Kunštát. Foto: Ines Wagner

Über die Bedeutungsveränderung der Staatsgrenze von Niederösterreich nach Mähren sprach Niklas Perzi vom Zentrum für Migrationsforschung in St. Pölten. Aus der Grenze zwischen Bundesländern sei eine Staatsgrenze geworden, im Norden die Tschechen als Sieger, im Süden die Österreicher als Verlierer des 1. Weltkrieges.

Und trotz des Zusammenbruches gab es Ende 1918 hier noch Kämpfe, weil die Österreicher die Grenze etwa 10 Kilometer nach Norden verlegen wollten, sie unterlagen aber und mit dem Ende des Jahres 1918 stand der Grenzverlauf fest, so wie er heute noch ist.

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