Lebenserfahrungen in Ost und West
Monika Ziegler und Zither-Manä im Foolstheater. Foto: Jürgen Haury
Musikalisches Gespräch in Holzkirchen
1968 – ein Jahr der Veränderungen in Ost und West. Russische Panzer rollen in Richtung tschechische Grenze, Studenten begehren auf gegen die Politik in der Bundesrepublik. Wie erlebten die Menschen ihre Welt damals? Wie hat sich das Land, wie haben sich die Menschen verändert nach 30 Jahren Mauerfall? Monika Ziegler und Manfred Zick, der Zither-Manä, in einem sehr persönlichen Gespräch über damals und heute.
Beide fühlen sie sich als Altachtundsechziger. Beide sind gleich alt, geboren 1947. Aufgewachsen sind sie in zwei unterschiedlichen deutschen Staaten, in unterschiedlichen Systemen. Unterschiedliche Lebenserfahrungen und Lebenswege haben sie geprägt. Da gibt es eine Menge zu erzählen.
Das Märchen von den zwei Geschwistern
„Einigkeit und Recht und Freiheit“ im Zithersound. So haben wir die Nationalhymne noch nicht gehört. Aber es gab auch noch eine andere, die Hymne der DDR, „Auferstanden aus Ruinen“. Die kannten wir im Westen nicht.
Und der Zither-Manä trägt gleich zu Beginn der Veranstaltung im Foolstheater sein Märchen von 1990 vor, das Märchen von den zwei Geschwistern, genannt Bruder und Schwester, obwohl sie es nicht waren. „Wir stellten zu Weihnachten Kerzen ins Fenster. Es gab einmal im Jahr einen Gedenktag. Der große Bruder quatschte und zwang der Schwester die Gesetze auf. Die tapfere Schwester geht leer aus…“
Von der Kindheit
Monika Ziegler erzählte von Freiberg in Sachsen und dass es nicht einfach war, ins Gymnasium überzutreten ohne Jugendweihe. Im August 1961 fuhr sie mit ihrer Mutter mehrmals mit der S-Bahn nach West-Berlin, um ins Kino zu gehen. Dann kam der 13. August 1961, der Tag, als der „antifaschistische Schutzwall“, die Berliner Mauer, errichtet wurde und sofort klar war, dass sich das Leben nun grundlegend ändern würde.
Die beiden Altachtundsechziger im Gespräch. Foto: Petra Kurbjuhn
Manfred Zick wuchs in Deisenhofen auf, bekam schon 1956 Zitherunterricht und brachte sich später Gitarre bei. Sein Bezug zum Osten waren die Großeltern, die in der Mark Brandenburg lebten. 1958 wollte er ihnen einen Katalog über Münchens 800-Jahr-Feier mitbringen. Der aber wurde an der Grenze konfisziert. Da merkte er schnell, obwohl er durchaus „links“ geprägt war, dass der „reine Sozialismus auch nicht das Wahre war.“
Zwei Altachtundsechziger blicken zurück
Geweint haben sie beide im August 1968 beim Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die CSSR. Denn in Ost und West hatte man gleichermaßen gehofft, dass der Prager Frühling das Eis brechen könnte zwischen den Systemen.
Monika Ziegler erzählt. Foto: Jürgen Haury
Für Monika Ziegler hieß es zittern, denn ihre Freundin aus England war genau in diesem Sommer zu Besuch und sollte von Prag aus zurückfliegen. Nach einem grandiosen gemeinsamen Urlaub und gemütlichen Beisammensein im heimischen Garten kam das böse Erwachen. Hubschrauber umkreisten das Haus. Aber irgendwie schafften sie es, einen Flug von West-Berlin aus zu organisieren.
Der Manä trat mit seiner Beatband auf, saß an der Isar, diskutierte mit Gleichgesinnten und lehnte sich gegen die Politik auf.
Für uns spielte er das Lied „Kinder“ der Liedermacherin Bettina Wegner, die aus der DDR in den Westen gekommen war. „Sind so kleine Hände, darf man nicht drauf schlagen. Sind so kleine Füße, darf man nicht drauf treten. Leute ohne Rückgrat haben wir zu viel.“
Menschen mit Rückgrat werden gebraucht
Nischen brauchte man im Leben in der DDR. Eine Nische war für Monika Ziegler der Beruf. Nach dem Abitur mit Berufsvorbereitung als Werkstoffprüferin studierte sie zunächst Metallkunde. Der Traumberuf Journalismus hätte den Eintritt in die Partei vorausgesetzt. Später war sie als promovierte Physikerin sehr erfolgreich in der Forschung tätig.
Der Zither-Manä erzählt. Foto: Petra Kurbjuhn
Auch der Manä studierte und war zunächst als Diplomingenieur Berufsschullehrer, bevor an der FOS Mathematik unterrichtete.
„Über sieben Brücken musst du gehn“. In diesem Lied der DDR-Gruppe Karat, das Peter Maffay auch im Westen berühmt machte, kann sich jeder wiederfinden. Es passt für jedes Leben.
Symbolisch für mehrere Intellektuelle, die im Westen nicht an ihren Erfolg im Osten anknüpfen konnte, war der Musiker Stefan Diestelmann, dem der Zither Manä mit seinem Lied „Der Alte und die Kneipe“ ein Denkmal setzte.
Der Manä an der Zither. Foto: Petra Kurbjuhn
Monika Ziegler brach die Brücke zu DDR Ende 1983 ab, als sie mit ihrer Familie in die Bundesrepublik ausreisen durfte und im Landkreis Miesbach eine neue Heimat fand. Obwohl, wie sie meinte, „die Willkommenskultur in Bayern schon sehr unterschiedlich war…“
Aber nun konnte sie sich endlich ihren Traum erfüllen und Journalismus studieren. Sie arbeitete zunächst als Wissenschaftsjournalistin und als Lehrerin für Physik, Chemie, Ethik. So lernten sich die beiden kennen.
30 Jahre Mauerfall – und nun?
9. November 1989 – ein magisches Datum in der deutschen Geschichte. Wir alle haben fassungslos zugeschaut angesichts dieses Ereignisses. Menschen klettern über die Mauer, fahren mit dem Auto von Ost nach West. Wildfremde Menschen liegen sich in den Armen. „Es war die Stunde öffentliches Glücks“, sagt Ziegler. Eine Art kollektiver Jubel liegt über Deutschland. Und nun? Wie konnte es passieren, dass „21 Prozent der Menschen in Ostdeutschland die AfD gewählt haben?“ Erklärungsversuche auf dem Podium. „Ich glaube, die Menschen in DDR haben nach der Wende zu wenig Chancen erhalten, ihr Leben zu gestalten“, meint sie. Sie wollten nicht in allen Bereichen fremdbestimmt und „abgewickelt“ werden.
Grafik von Otto Hoernisch. Foto: Jürgen Haury
So sei es nach etwa 10 Jahren zu einer „Ostalgie“ gekommen, bei der man sich bewusst machte, dass nicht alles schlecht gewesen sei in der DDR. Auch Zick findet, den Menschen sei zu viel übergestülpt worden. Dadurch seien Systemkritik und Staatsverdrossenheit gefördert worden. „Üble Ausdrücke sind entstanden. Wie kann man die braune Soße wieder zurückdrängen?“ fragt der Manä. Und gibt seine Antwort mit seinem neuen Lied. „Unsere Werte“ heißt es und setzt darauf, unsere Werte positiv darzustellen und zu leben. „Lass uns fair miteinander streiten“. Ein Plädoyer für eine neue Jugendbewegung und die Lust am respektvollen Gespräch.
Eine kleine Ausstellung ergänzte den Abend. Foto: Petra Kurbjuhn
Ein bewegender Abend im FoolsTheater mit sehr persönlichen und privaten Einblicken in das Leben zweier Menschen in Deutschland endet mit dem Aufruf von Monika Ziegler ans Publikum: „Zeigen Sie Interesse an Ostdeutschland! Fahren Sie hin!“