Kerstin Brandes: Grenzgänger
Dem Überschreiten einer Grenze wohnt meist eine Vorfreude auf ein anderes Terrain bei, ist jedoch nicht selten begleitet von dem unangenehmen Gefühl des Fremdseins, der Unsicherheit, so Kerstin Brandes in ihrer Ausstellung „Grenzgänger“. Das Verlassen der vertrauten Umgebung bedeutet in erster Linie sich zu bewegen, mehr oder weniger bequem zu reisen, eventuell eine Pause einzulegen, manchmal Umwege in Kauf zu nehmen.
Aber auf jeden Fall Neues zu erfahren – und das muss nicht unbedingt Besseres, wird jedoch immer Anderes sein. Mitunter werden sogar vermeintliche Wahrheiten infrage gestellt.
Unter dem Thema Grenzgänger stellt Kerstin Brandes ausschließlich Studien aus. Die Studie sieht die Künstlerin als eine auf das Essenzielle beschränkte Darstellung und den Versuch, eine Idee oder ein Konzept optisch zu vermitteln. Sie ist generell die Basis für ein Werk, die für die Malerin wichtige Informationen und Eindrücke enthält. Im Sinne dieser Definition zeigt Kerstin Brandes auf ihren Papierarbeiten vorwiegend Akte. Zugleich spielt sie mit dem Begriff Grenzgänger und beschäftigt sich dabei mit dem wesentlichen Charakter Ihrer Arbeiten.
Als Grenzgänger sind beide unterwegs – die dargestellten Figuren und Kerstin Brandes. Beide Parteien verändern sich, halten manchmal inne, gehen weiter, begeben sich auf ungewohntes Gebiet. Grenzgänger in Sachen Form, die sich fortwährend in andere Richtungen entwickelt. Die Linie, die sich immer mehr aufzulösen scheint, um dann in kleinen Skizzen wieder konkret zu werden. Farbe, die verschwenderisch aufgetragen wird, um im nächsten Bild wieder kontrolliert und reduziert zu erscheinen. Andeutungen, kaum Lesbares neben Offensichtlichem. Fluss und Kontrolle, Moderne und Tradition, Banalität und Pathos. Gegensätze, die immer wieder einen Grenzgang einfordern. So eben auch die Frage nach den vermeintlichen Wahrheiten in der Malerei. Wahrheiten gibt es Brandes‘ Meinung nach viele, jedoch sind die wenigsten absolut. Was meine ich zu sehen, was sehe ich tatsächlich und was erkenne ich überhaupt? Wie vergleiche ich, um zu erkennen? Wie viel Freiraum für Interpretation liegt wirklich in einem Bild? Wie lange verlässt sich der Betrachter auf sich selbst?
Ein Ketzer, heißt es, setze stets mehr Fragezeichen, als ihm erlaubt sei. Aber Kerstin Brandes geht es nicht ausschließlich um die Antworten, sondern um das Überprüfen, Justieren und gegebenenfalls auch Verwerfen von scheinbarem Wissen.
Sich selber überhaupt Fragen zu stellen ist und bleibt der Antrieb für ihre Reise.