Susanne Hornfeck: China in Schliersee
Um Fremdsein und Heimischwerden geht es in dem zweiten Roman „Torte mit Stäbchen“ von Susanne Hornfeck, aus dem die Schlierseerin am Mittwoch, 8. Februar, um 19.30 Uhr im katholischen Pfarrheim lesen wird.
Es geht auch um den Kampf ums Überleben deutscher Juden in Schanghai während des zweiten Weltkriegs, aber ebenso um Mut und Neugier von Inge, die fasziniert von der chinesischen Kultur und Sprache, sehr schnell in der Fremde heimisch wird. Auch die Autorin unterlag dem Reiz der chinesischen Sprache, studierte Sinologie und Germanistik und ging nach der Promotion für fünf Jahre nach Taipeh, um an der Universität Deutsch zu lehren. „Ich kann mich sehr gut in die nach Schanghai verschlagenen Menschen hineinversetzen, auch ich fühlte mich in der fremden Kultur zunächst fremd“, erzählt sie.
Eine chinesische Kollegin, die akzentfrei Deutsch sprach, fiel Susanne Hornfeck auf. Sie erzählte, dass sie als kleines Mädchen nach Brandenburg kam und den zweiten Weltkrieg in Deutschland erlebte. Den Kulturschock des Kindes, das Fremdsein und später Heimischwerden verarbeitete die Autorin in ihrem ersten Roman „Ina aus China“. In diese echte Lebensgeschichte komponierte Susanne Hornfeck die Schulfreundin Inge, der Ina viel von zu Hause erzählte und die nach der „Reichskristallnacht“ 1938 mit ihren Eltern nach Schanghai flieht, eine Familie unter 18 000, denn Schanghai verlangte im Gegensatz zu anderen Ländern keine Visa. Diese relativ unbekannte historische Tatsache, aber auch häufiges Nachfragen bei Lesungen, was denn aus der Inge geworden sei, führten zum zweiten Roman „Torte mit Stäbchen“.
Susanne Hornfeck versteht es in beiden Büchern außerordentlich gut, den Leser in eine spannende Geschichte mit historischem Hintergrund und Tiefgang hineinzuziehen. Sie begleitet ganz dicht als Erzählerin die beiden Mädchen, die Chinesin in Deutschland, die Deutsche in China. Ihre Detailtreue beweist umfangreiche Recherche, sie sei in Schanghai alle Straßen abgegangen, erzählt die Autorin, habe aber auch im Jüdischen Museum Tagebuchaufzeichnungen studiert und zwei Zeitzeugen in Amerika besucht, um die damalige Atmosphäre genau beschreiben zu können.
Das Spannendste aber an dem neuen Buch ist die Begeisterung, mit der sich Inge in das neue Leben stürzt, in jeder Situation, auch wenn sie noch so schwierig ist, einen Ausweg findet. Ja, und dann gibt es auch noch Max von der Schiffsüberfahrt und Sanmao, den „Halbdrachen“, auch er fremd, aber in der Heimat, eine ideale Verbindungsfigur der beiden Kulturen. Für wen sie sich entscheidet? Wird nicht verraten, auf jeden Fall lässt der Schluss einiges offen und der Leser kann sich auf eine dritte Folge freuen. Wenn Susanne Hornfeck, die sich als Übersetzerin aus dem Englischen und Chinesischen Freiraum fürs literarische Schreiben schaufeln muss, Zeit findet.
In Schliersee, wo sie mit ihrem Mann seit 1994 ganz ansässig ist, fühle sie sich als Fremde heimisch, sagt die Autorin. Sie liebe das Landleben wegen der Ruhe, dem herrlichen Blick aus dem Arbeitszimmerfenster, der guten Nachbarschaft, den überschaubaren Verhältnissen und dem Garteln nach Stunden am Computer. Zudem kämen ihr beim Spazierengehen die besten Ideen.
„Torte mit Stäbchen“, im Januar bei dtv unter der Rubrik Jugendbuch erschienen, ist ein Buch für alle Generationen, ereignisreiche Handlung, spannender Aufbau, viele historisch und atmosphärisch wichtige Einzelheiten, dieses Buch legt man nicht aus der Hand, sondern fiebert mit Inge mit bis auf Seite 357.