Reiner Zimnik in Tegernsee
Mit Reiner Zimnik ist sozusagen ein Gulbransson-Enkel im Tegernseer Museum zu Gast. Als Meisterschüler von Josef Oberberger, der seinerseits Gulbransson-Schüler war, ist die Reihe der großen Zeichner, die gleichzeitig Geschichtenerzähler sind, mit dieser Retrospektive komplett.
Berühmt wurde Reiner Zimnik durch die Fernsehreihen „Der Lektro“ und „Sebastian Gsangl“. Diesen beiden Figuren, der eine schmalbrüstig und naiv, der andere der typische bayerische Stammtischbruder, wurde in der Ausstellung im Olaf-Gulbransson-Museum relativ wenig Platz eingeräumt. Dafür aber lernt der Besucher den Zeichner und Maler Zimnik in seiner ganzen, großartigen Vielfalt kennen.
So ist die komplette Legende der „Biergarten-Kastanie im Hirschgarten zu München“, der Fernsehreihe „Baumlegenden“ entnommen ist, zu sehen. Eine bitterböse Geschichte, die den heiteren Biergartenbesucher in den Krieg, ins Gefangenenlager, in Demütigung, Zorn und Knast begleitet, während sein Platz im Biergarten leer bleibt.
Auch in seinen Bilderbuchillustrationen vereint der Künstler Text und Bild ebenso wie Ernst und Witz, wobei er nie missionarisch, sondern schlicht als Erzähler wirkt.
In seinem freien Werk hat sich Reiner Zimnik, der mit mehreren Preisen geehrt wurde, mit der Welt des 20. Jahrhundert auseinandergesetzt.
Beginnend mit den Winterzeichnungen der siebziger Jahre, in denen er nackte, verwehte Frauen von vorn und nachdrängende Männerhorden von hinten aufeinander prallen lässt, ist es nicht weit bis zu seinen „Frauenschmückungen“, in denen er zunächst Männer mit Zylindern, später aber Soldaten im Tarnanzug nackte Frauen mit Tarnfarben bemalen lässt.
Frauen gilt offensichtlich die Sympathie des Künslers mehr als seinen eigenen Geschlechtsgenossen, denn er malt sie nackt mit Hüten, zuweilen erotisch, zuweilen auch sehr naturalistisch mit Speckfalten. Letztere nehmen überhand bei den „Venen von Villendorf“. Gleich mehrere dieser der berühmten Statuette nachempfundenen üppigsten Damen hat er, mit Bienenkörben behütet, teils ihren massiven Busen hochhaltend, augenzwinkernd gemalt.
Bei den Männern geht es weniger lustig zu. Denn das „Tanzende Militär“ oder die „Tanzenden Clowns“ (Soldaten mit Pappnasen) mögen zwar auf den ersten Blick heiter wirken, sind aber bitterböse Bilder. Man hat den Eindruck, dass der Künstler die Scheußlichkeiten des Militärs, wie ethnische Säuberungen oder das schreckliche „Tagessäuberung“ nur verarbeiten kann, indem er es bloßstellt. Aber auch die „Tänzerinnen“, nackt mit Nonnenhauben, sind eine böse Satire.
So ist es keineswegs ein Manko, dass die Gesellen Lektro und Sebastian Gsangl eine untergeordnete Rolle in der Retrospektive spielen. Obzwar auch sie Geschichten von einer illusionären heilen Welt erzählen, kommt das Anliegen des Künstlers in seinen späteren Werken noch deutlicher zum Ausdruck: Zeitzeuge zu sein, nicht mit erhobenem Zeigefinger, aber deutlich hinweisend und in der Wunde bohrend.
Die Retrospektive Reiner Zimnik im Tegernseer Olaf Gulbransson Museum ist noch bis zum 18. März sehen, täglich außer montags, von 10 bis 17 Uhr.