Reinhard Sentner: Wiedervereinigung?
Reinhard Sentner ist Kunstschmied. Jetzt hat er erstmals seine zweckfreien, künstlerischen Skulpturen vorgestellt. Sie sind stark reduziert und dennoch nicht steril. Sie offenbaren die Wertvorstellungen und Wahrnehmungen des Haushamers.
Seit 15 Jahren betreibt Reinhard Sentner seine Werkstatt in Hausham. Dort produziert er alles, was bei einem gelernten Kunstschmied an praktischen Dingen in Auftrag gegeben wird. Aber über die Jahre haben sich eine Reihe von Gedanken bei ihm angesammelt. Gedanken zur Ästhetik und Gedanken zur menschlichen Psyche, Gedanken zu unserer Zeit und unserer Gesellschaft. Dies setzte er mit seinem Material, dem Metall und der Metalllegierung um.
Zu sehen waren seine Arbeiten gemeinsam mit den Bildern von Sepp Danninger kürzlich in Hausham.
Es gibt sehr schöne aus Kupferblech getriebene Halbskulpturen, männlich, weiblich, die Afrikanerin. Nachdem er den Umriss auf das Blech skizziert hat, gibt er dem Blech auf weichem Untergrund mit verschiedensten Hämmern ihre vorgesehene plastische Struktur, das passiert im kalten Zustand.
Geschmiedet wird bekanntermaßen im warmen Zustand. Hierzu nimmt Reinhard Sentner Stahl- oder Edelstahlstangen, erhitzt sie und schmiedet wie zu Großvaters Zeiten auf dem Amboss, allerdings kommen ihm für die gröberen Arbeiten Maschinen zur Hilfe. Die Feinstruktur indes ist nach wie vor Handarbeit und so kommt ihm sein solides Handwerkerwissen zugute.
Dabei entsteht zum Beispiel eine filigrane Skulptur mit dem Titel „Gedankensprung“. Sie zeigt, dass Gedanken einen Ursprung haben und wieder in eine Linie einmünden, nach dem Sprung. Oder der Künstler sinniert über unseren Alltag, der voller Hektik ist. Und so schuf er den schnellen Läufer, der von einem Termin zum nächsten hetzt, gerade wieder angekommen ist. Die matte Oberfläche symbolisiert die Erschöpfung.
In der Skulptur „Wiedervereinigung“ kommt die Herkunft von Reinhard Sentner durch. Er stammt aus Thüringen und hat den politischen Prozess der zwei deutschen Staaten in einer Skulptur wiedergegeben, so wie er es sieht. Da sind die beiden Staaten, die sich aus einer Basis heraus getrennt entwickeln. Die eine Säule, die westdeutsche, darf sich geradlinig freiheitlich aufbauen, die andere aber, die ostdeutsche, muss über Umwege gehen. „Die DDR wurde von den Russen ausgequetscht“, erklärt er. Und dann kam vor 20 Jahren die Wiedervereinigung, die Annäherung. Aber die beiden Stränge vereinigen sich nicht, sie streben oben wieder auseinander. „Wir haben es nicht geschafft, uns mental anzunähern“, meint Sentner, es gebe noch immer eine starke Polarisation.
Ein wesentlicher Aspekt der Arbeitsweise des Haushamers ist die Oberflächenbearbeitung. In dem Werk „Bildstudie“ hat er verschiedene Techniken angewendet. Zunächst wurde der Stahl geätzt, um das natürliche Rosten im Zeitraffer voranzutreiben, danach geschliffen und geflammt. Thermische, mechanische und chemische Werkzeuge haben zu einem Bild geführt, das in der Tat an Malerei erinnert.
Reinhard Sentner möchte aus seinem Material herausholen, was möglich ist. Und er möchte aus sich herausholen und umsetzen, was sich an Gedanken und Vorstellungen angesammelt hat.
In Steffen Ahrens, dem Bildhauer aus Rupin bei Halle, fand er in den West-Östlichen Kulturbegegnungen im Gewölbe des Waitzinger Kellers, einen Partner im Gespräch.