Die taz aus Berlin auf Tour in Holzkirchen: „Vorhof zum Paradies“
Die Diskussionsrunde mit Bettina Ismair. Foto: Tim Wagner
Diskussionsrunde in Holzkirchen
Ist wirklich alles so schön glatt gebügelt und friedlich-freundlich im idyllischen Oberland? Oder gibt es nicht doch ein paar winzige Problemchen in Holzkirchen? Wie kommt der Ort zurecht mit der Nähe zu München, mit Verkehr und Wohnungsknappheit?
Diesen und anderen Fragen ging das taz-Team in bester bayrischer Wirtshausmanier nach.
So traf man sich im Nebenzimmer des Gasthauses Oberbräu zu einer munteren Diskussionsrunde. Unter der Moderation von Andreas Rüttenauer, einem Berliner Redakteur mit oberbayrischen Wurzeln, kamen der Holzkirchner Bürgermeister Olaf von Löwis, der grüne Gemeinderat Karl Bär sowie Franz Lutje (Ex-Integrationsbeauftragter) und Bettina Ismair (taz-Preisträgerin aus Markt Schwaben) zu Wort. Und der Zither Manä spielte seinen „Lago di Bonzo“ von 1981, der nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat.
Holzkirchens Bürgermeister Olaf von Löwis. Foto: Tim Wagner
Wachstum, Wohnungen und wer kommt
Bis zu 50 Orte in Deutschland will das taz-Team in der Reihe taz.meinland bis zur Bundestagswahl besuchen. Nach Bad Tölz nun also Holzkirchen.
Moderator Andreas Rüttenauer. Foto: Tim Wagner
„Braucht es bald ein Lied über Holzkirchen, weil es immer weiter wächst?“ fragte Andreas Rüttenauer. Und Karl Bär fand die Idee nicht schlecht. „Wo hat Holzkirchen seine Wachstumsgrenzen?“ könnte der Song wohl heißen. „Welche Freiräume für Kultur, für Wohnraum bleiben?“ Angesichts einer Bevölkerungszahl von mittlerweile ca. 16.000 Einwohnern bezahlbare Wohnungen zu schaffen, Bauland auszuweisen und trotzdem eine ländliche Struktur zu erhalten, brauche es, wie der Bürgermeister ausführte, durchaus ein gewisses Wachstum. Auch um der Jugend eine Bleibeperspektive zu bieten. Das „Holzkirchner Modell“ sieht vor, bei gemeindlichen Verkäufen nicht auf den maximal erzielbaren Grundstückspreis zu schielen sondern sich mit einem Richtpreis zu begnügen. Auch wenn das der Gemeinde Einbußen beschert. Und trotzdem kämen bei einem Quadratmeterpreis von 680.- auf 12 verfügbare Grundstücke ca. 150 Bewerber aus dem Einheimischenprogramm.
Gemeinderat der Grünen Karl Bär. Foto: Tim Wagner
Und so war schnell klar, dass es in Holzkirchen ähnlich zugeht wie in Markt Schwaben. Bettina Ismair fagte: „Soll man in die Höhe bauen oder doch lieber bei den schönen, eingezäunten Einfamilienhäusern bleiben?“ Wie umgehen mit Asylanten, Flüchtlingen oder sonstigen Zuagroasten?
Ex-Integrationsbeauftragter Franz Lütje. Foto: Tim Wagner
Da war man froh, zu hören, wie gut das alles klappt. Wie tolerant die Landkreisbürger sind (Manfred Zick), dass es keine Gewalt gegen Asylanten gibt (Karl Bär) und alle zusammengehalten haben (Franz Lutje). Klingt wirklich nach dem Seehoferschen „Vorhof zum Paradies“ und nicht nach einer vielleicht vermuteten „Vorhölle“ (Andreas Rüttenauer). Alle waren sich einig, dass die Bayern den Umgang mit Migranten und Asylbewerbern richtig gut geschafft hätten im Vergleich mit der Bundespolitik.
Probleme oder so?
Bleibt noch der Verkehr: Durchgangsverkehr, Stau ohne Ende, doch da ist die Marktgemeinde parteiübergreifend hart am Arbeiten. Man versucht, die Umwidmung der Münchner Str. von einer Bundes- zu einer Kreisstraße zu betreiben, um selbst handeln zu können. Aber wie lange sich das hinzieht, wer weiß?
„Der Blick auf Holzkirchen ist in den letzten Jahren sehr positiv geworden. Zumindest, wenn man von Waakirchen aus schaut“, bestätigte denn auch der Zither Manä zu guter Letzt.
Der Zither-Manä. Foto: Tim Wagner
Eine rundum gelungene Veranstaltung also, ein nachahmenswertes Format der taz, hinaus ins Land zu gehen, miteinander zu reden, sich umzuhören und zuzuhören. Ob es in anderen Orten im Land auch eine so positive Stimmung gibt?