Mit größtem Vergnügen altern – „Das Alter in der Karikatur“
Franziska Polanski (links) und Meisi Grill bei Ausstellungseröffnung in der Komischen Pinakothek München. Foto: Katja Klee
Ausstellung in München
An ihrer 15. Station ist die von der Heidelberger Humorforscherin Franziska Polanski kuratierte Wanderausstellung „Das Alter in der Karikatur“ in der Münchner Komischen Pinakothek angekommen. Es sind Satiren zu sehen, die dem zeitlosen Spott über das Alter ebenso frönen wie sie das gegenwärtige Bild von der „schönen neuen Welt der Alten“ mehr oder weniger sanft zerstören.
Buch zur Ausstellung „Das Alter in der Karikatur“
Sitzen zwei Frauen im Kaffeehaus. Sagt die eine: „…ganz schön alte Schachteln sind wir schon, nicht?“ – darauf die andere: „ICH nicht – DU!“ Mancher Witz lässt sich gut erzählen. Doch Bilder, zumal wenn sie von den Großen ihres Faches wie etwa Marie Marcks stammen, steigern den Spaß noch: zwei offensichtlich gleichaltrige Frauen, nicht mehr ganz jung, die eine mit gediegener Frisur und knielangem Kleid, die andere mit fetzigem Kurzhaarschnitt und im Minikleid, sitzen sich da gegenüber. Dem Betrachter erschließt sich sofort, wer von beiden was sagt. Denn Karikaturen arbeiten mit Stereotypen, unbewussten Bildern und Gefühlen. Sie werden ohne weitere Interpretation verstanden. Oft funktionieren sie sogar ohne Worte. Etwa wenn Gerhard Haderer in dem ihm eigenen Stil des Fotorealismus den allseits bekannten Kopf der lachenden Pippi-Langstrumpf auf den massigen, altersschlaffen Körper einer Frau aufsetzt und das Ganze auch noch mit „Botox-Boom“ betitelt. Oder wenn eine nicht mehr ganz junge Frau auf dem Flohmarkt mit dem Slogan „Alles muss raus! 50 %“ neben allerhand Kuriositäten auch einen (ihren?) alten Mann – zum Spottpreis – feilbietet (Franziska Becker).
Humor befördert die emotionale Katharsis
Darf man darüber lachen? Diese Frage beantwortete Franziska Polanski bei ihrem Einführungsvortrag zur Ausstellung mit einem eindeutigen „ja“. Denn Lachen sei wie Atmen und Schlucken – existenziell. „Man soll, darf, muss lachen“, so Polanski, denn „Lachen ist eine Veranlagung“ und Humor befördere die emotionale Katharsis. Dies ist auf den Punkt gebracht das Ergebnis des Forschungsprojekts „Altersbilder in Karikaturen deutscher Zeitschriften“ am Marsilius-Kolleg der Universität Heidelberg, das Franziska Polanski leitete. Dabei wurden nicht nur satirische Bilder zum Thema „Alter“ seit den 1960er-Jahren bis in die Gegenwart ausgewertet, sondern auch die physischen Auswirkungen auf Gehirnströme oder Stoffwechsel der lachenden Probanden gemessen. Das Resultat: Witz und Unbewusstsein hängen untrennbar zusammen. Die Karikaturen enttarnen den schönen Schein des Alter(n)s, der uns heute oft vermittelt wird. Die Skepsis, ja Abwehr, die beim Betrachter dabei entsteht, ist Ausdruck seiner verdrängten Gefühle. Erst das Lachen befreit ihn von der Angst vor dem Alter.
Anerkennung der Komischen Kunst
Das gespaltene Verhältnis gegenüber der komischen Kunst könnte auch einer der Gründe sein, warum das Projekt Komische Pinakothek München von Meisi Grill, Marianne Wille und Jan Finsterbusch nach wie vor schwierig sei. Die Anerkennung der Komischen Kunst fällt nicht leicht, eben weil sie tiefgründig, aufklärend und auch verstörend wirkt. Dabei wurde bei der Eröffnung der Ausstellung von namhaften zeitgenössischen Karikaturisten aus dem deutschsprachigen Raum zu „Das Alter in der Karikatur“ wieder ganz klar: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Zur Ausstellung erschien das Buch von Franziska Polanski (Hrsg.): Das Alter in der Karikatur, 128 Seiten, 99 Abbildungen, Implizit Verlag Heidelberg, ISBN 978-3-00-046511-6, 17,80 €.