Ökumenische Geschichte erlebbar machen
Am Beginn des Rundwegs vor dem Rathaus. Foto: Lautenbacher
Die Eröffnung des Historischen Rundweg mit 15 Stelen in Miesbach und Umgebung war ein voller Erfolg. Gezeigt werden 15 Stationen des evangelischen Lebens in der Region von der Reformation bis heute.
Weit mehr als 100 Interessierte fanden sich am vergangenen Sonntag trotz Platzregens zur Eröffnung des Historischen Rundwegs „Miesbach – evangelischer als man meint“ in der Apostelkirche ein. Nach dem feierlichen Auftakt mit dem Luther-Lied „Eine feste Burg ist unser Gott“ stellte Pfarrerin Anika Sergel-Kohls das Gemeinschaftsprojekt vor, an dem neben der evangelischen Kirchengemeinde und dem katholischen Pfarrverband, der Museumsverein, das Berufliche Schulzentrum, das Kulturamt Miesbach, die IG Fritz-Freund-Park sowie weitere Künstler und Engagierte beteiligt sind.
Miesbach ein gallisches Dorf?
Pfarrerin Sergel-Kohls kam gleich zum Thema: „Das ganze Oberland ist katholisch… Das ganze Oberland? Nein! Eine kleine Region südöstlich von München, Miesbach, damals die Herrschaft Waldeck … war einige Jahre nach der Reformation evangelisch.“ Und dieses Kapitel der Geschichte Miesbachs solle, so die Pfarrerin, mithilfe der an markanten Punkten im Stadtbild aufgestellten Stelen in Erinnerung gebracht werden. Heute lebe man glücklicherweise in enger ökumenischer Verbundenheit. Dennoch sei es wichtig, die eigenen Positionen immer wieder zu überdenken. Dazu forderten die auf den hellblau leuchtenden Stelen dokumentierten Ereignisse aus 500 Jahren Miesbacher Kirchengeschichte auf.
Auch in Parsberg, wo bis 1584 evangelische Gottesdienste stattfanden, in Neukirchen, wo es heftige Auseinandersetzungen unter den evangelisch und katholisch Gläubigen gab, und in Hausham an der Argulakirche sind Stelen gesetzt worden. Ein Flyer informiert über die Standorte und deren Besonderheiten. In Miesbach weisen hellblau gesprayte Fußspuren den Weg von Stele zu Stele.
Fußspuren zeigen den Weg des Historischen Rundwegs an. Foto: Lautenbacher
Stele in Neukirchen. Foto: Lautenbacher
Konflikte bravourös in Szene gesetzt
Für die Eröffnung hatten sich die Veranstalter etwas ganz Besonderes ausgedacht: Martin Luther alias Alexander Langheiter führte zu einigen Stationen des Historischen Rundwegs. Und an drei Orten spielte die Theatergruppe des Beruflichen Schulzentrums von Regina Weber-Töpel Szenen, die ebenfalls aus der Feder von Alexander Langheiter stammten. Sie griffen reale Begebenheiten auf und nannten historische Personen beim Namen. Für die leidenschaftliche und mutige Darbietung und die bemerkenswerte schauspielerische Leistung erhielten die Schüler und Schülerinnen großen Beifall.
Alexander Langheiter als Luther. Foto: Lautenbacher
Sommer 1945
Szene I spielt im Sommer 1945: Eine aus Schlesien vertriebene Mutter landet mit ihrer Tochter in Miesbach. Es wird ihr ein Wohnraum bei einem Bauern zugeteilt. Dieser versucht, die Einquartierung abzubiegen. Sein Argument, dass er selber kaum durchkomme, lässt der Beauftragte der US-Militärregierung nicht gelten: „Der Bauer is oiwei noch als Letzter verhungert!“ Also werden die beiden wie viele andere Flüchtlinge auch in Miesbach heimisch und tragen dazu bei, dass die evangelische Gemeinde Miesbachs weiter wächst. Und nicht nur das: Tochter Inge begeistert sich für das Leben auf dem Hof so sehr, dass gemutmaßt wird „Am Ende wird sie noch Bäuerin!“
Sommer 1945. Foto: Lautenbacher
1583 – Höhepunkt des Glaubensstreits in Miesbach
Szene II in der Katholischen Stadtpfarrkirche verdeutlicht die Wucht der vom bayerischen Herzog Wilhelm V. betriebenen Gegenreformation. Die jungen Schauspieler des BSZ laufen zu Hochform auf! Die Szene spielt am 6. November 1583 auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen zwischen dem evangelischen Herrn der Herrschaft Waldeck (heute: Miesbach und Umgebung), Wolf Dietrich von Maxlrain, und dem katholischen bayerischen Herzoghaus. Kirchenbann und Handelssperre zwingen die Waldecker in die Knie. Die Herren werden exkommuniziert und verbannt. Eigens aus München herbeigerufene, streng gläubige Jesuitenpfarrer bekehren die Bevölkerung zum katholischen Glauben.
Mangels Alternative fügen sich die Menschen, auch wenn mancher bedauert, dass die Kommunion unter beiderlei Gestalt ebenso wie die deutschen Gesänge in der Heiligen Messe ab sofort verboten sind.
Das Mandat des Bischofs von Freising, das die Herren von Waldeck in die Verbannung treibt, wird überbracht. Foto: Lautenbacher
Kampf ums Schulkreuz
Szene III spielt am Montag, den 15. September 1941 vor der Schule. Die Szene wird durch eine Swingeinlage der Musiker eröffnet. Doch locker und beschwingt ist die Stimmung ganz und gar nicht. Die katholische Schulschwester darf seit einigen Jahren keinen Schuldienst mehr ausüben und die Ehefrau von Pfarrer Rudolf Neunhoeffer klagt über die Inhaftierung ihres Mannes, der mit den NS-Machthabern in Konflikt geraten war. Als nun noch auf Anordnung des Bayerischen Kultusministeriums die Schulkreuze aus den Klassenzimmern entfernt werden, kommt es zu Protesten. Einige evangelische und katholische Mütter begehren auf: „Grad no, dass mir koan Ariernachweis braucha, wenn ma zum Heigna (:= Heu machen) genga“.
Beim Unmut über die NS-Politik bleibt es nicht. Jetzt, sagen die Frauen, müssen wir zusammenhalten. Als der Oberlehrer von Ankershofen die Frauenschar mit „Heil Hitler“ begrüßt, schallt von diesen einmütig „Grüß Gott“ zurück. Es kommt zum verbalen Schlagabtausch, auch Bürgermeister Schweinsteiger kann die Frauen nicht umstimmen. Als eine Frau sich schließlich ihr Mutterkreuz vom Revers reißt und es den Herren vor die Füße wirft, lenken diese ein: „Ich seh‘ schon, da ist Hopfen und Malz verloren.“ Auf Anordnung von Landrat Pelikan dürfen die Schulkreuze wieder in den Klassenzimmern angebracht werden.
Protest gegen den „Kruzifixerlass“. Foto: Lautenbacher
„Wir müssen zusammenhalten“ – dieser Appell der Miesbacher Frauen in schwierigen Zeiten ist gleichsam Motto und Auftrag der gelebten Ökumene. Das Publikum freute sich über die gelungene Eröffnungsfeier und ließ den Tag bei Speis und Trank im Fritz-Freund-Park ausklingen. Und die Sonne lachte.