Von Sprachwitz, Verhörern und anderen Wortkünsten
Axel Hacke bei einer Autorenlesung. Foto: Ines Wagner
Lesung in Holzkirchen
Ach, wie herrlich kann Sprache sein, wie intelligent, witzig und so wunderbar wortreich – vor allem, wenn sie von einem Meister der Sprache vorgetragen wird: Axel Hacke füllte gestern Abend den Festsaal im Kultur im Oberbräu bis auf den letzten Platz.
Und hätte man in einem großen Gefäß alle Lachtränen des Abends aufgefangen, es wäre schon bald übergelaufen. Überschrieben war die Veranstaltung mit dem Titel seine Buches „Alle Jahre schon wieder. Ein Weihnachtsbuch.“ Hacke nahm das Thema Weihnachten zum Anlass, um die Zuhörer in eine Lesereise mit durchaus weniger weihnachtlichen Themen zu entführen. Ganz der Profi, verpasst er es natürlich nicht, am Ende des Abends die Adventszeit wieder aufzugreifen. Aber das war den Zuhörern eigentlich nicht wichtig. Man hätte ihm stundenlang zuhören können, egal, was er vorträgt: Denn Hacke ist nicht nur ein Sprachperfektionist, sondern auch noch ein erfrischend humorvoller Erzähler und lebendiger Vorleser.
Alltägliches auf die Spitze treiben
Ein Stuhl, ein Glas Wasser, gedämpftes Licht auf der Bühne – mehr braucht dieser Mann nicht, auf alle Fälle kein Pult um seine Bücher abzulegen. Der Boden genügt. Geerdet ist dieser Hacke durch und durch – obwohl er eigentlich ein eitler Mensch sein könnte angesichts all der Preise, die er im Laufe seiner Journalisten- und Schriftstellerlaufbahn erhalten hat: Theodor-Wolff-Preis, zwei Mal den Egon-Erwin-Kisch-Preis und viele mehr.
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Aber nein, der Autor Axel Hacke (*1956), seit 25 Jahren Kolumnist beim Magazin der Süddeutschen Zeitung, ist ein sehr bodenständiger Mensch. Greift er seine Themen, die Motive seiner Geschichten doch mitten aus dem Leben heraus: Eine Christbaumkugel, die im August (Nachweihnachtszeit) immer noch nicht an ihrem Platz aufgeräumt liegt; ein Nikolaus, der nach Kaffee riecht (weil Kaffee-Vertreter im realen Leben) und der seinem Nachbarjungen erzählt, dass er gar nicht der Herr Volland von neben an ist, sondern der Nikolaus, der sich als Herr Volland verkleiden muss. Oder die Geschichte mit Axel Hackes Frau und dem Lied: Er hört seine Frau im Flur des Hauses ein Lied singen, stimmt mit ein, stellt fest, dass sie verschiedene Texte auf die gleiche Melodie singen und kommt recherchierend zu der Erkenntnis, dass überhaupt alle deutschen Lieder mit dem wahrscheinlich falschen Text wiedergegeben werden. (Übertreibung!)
Aus der Trickkiste des Humors
Genau darin liegt – unter anderem – die Kunst des Axel Hacke: Er nimmt alltägliche Gegenstände oder Szenerien und treibt sie wie eine Horde wildgewordener Hunde vor sich her. Er treibt sie ins Absurde, ins Komische und verfremdet dadurch den Bezug, in den der Zuhörer die Dinge normalerweise setzt. Dabei bedient er sich der ganzen Trickkiste des Humors: Ironie, Satire, Übertreibung – und vor allem einer gestochen scharfen Sprache. Die Geschichten fangen meist ganz harmlos an, schrauben sich in schwindelerregende Höhen und treiben schließlich Sprach- und Inhaltsblüten, die kaum vorstellbar sind. Kein Problem für Axel Hacke: Vor seinem „inneren Auge“ spielen sich rund um Worte ganze Filme ab, die er dem Publikum druckreif erzählt. Die Fantasie geht mit dem Manne durch – die ganze Zeit.
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So wie bei der Geschichte von der Wurst am Frühstücksbuffet eines Initiativkindergartens (da ging des Herrn Hacke Sohn hin). Die Geschichte beginnt mit der wunderbaren Kommunikation eines Ich-Erzählers mit seinem Kühlschrank. Dann führt sie von einem fanatischen Kindergartenvorstand, der die Wurst radikal ablehnt (zu ungesund für Kinder) zu einer Essstörung des Ich-Erzählers. Vor Wut über die intolerante Reaktion des Kiga-Vorstands stopft er sich nach jedem Gespräch mit dem Vorstands-Vater haufenweise ungesunde Würste und Fleischerzeugnisse hinein. Und der Kühlschrank? Ganz am Schluss der Erzählung taucht er wieder auf – Erzählkunst eben.
Hacke spricht wie er schreibt
Hacke muss gar nicht um seine Sprache kämpfen (vielleicht eher manchmal um die Ideen, wie er selber sagt): Er ist die Sprache, die er schreibt. Das wurde sofort klar, sobald er sich von der Sprache seiner Bücher löste und moderierend ins Fabulieren kam. Zum Beispiel über den Titel der SZ-Kolumne, die heute „Das Beste aus aller Welt“ heißt und früher „das Beste aus meinem Leben“ hieß. Eine Auswahl seiner Kolumnen hat er in dem neu erschienenen Buch „Das kolumnistische Manifest: Das Beste aus 1001 Kolumnen“ versammelt. „Manche Rezensenten haben schon über das kolumbianische oder auch über das kommunistische Manifest geschrieben“, kommentiert der Autor schmunzelnd. Und: „Es ist mit über 600 Seiten das dickste Buch, das ich je geschrieben und an dem ich 25 Jahre gearbeitet habe – das mache ich nie mehr wieder!“ Wer weiß.
Die Lust am Verhören
Apropos kolumbianisches Manifest: Solche Wortverdrehungen machen Axel Hacke gar nichts aus, im Gegenteil – schöpft er doch viele seiner Ideen für Kolumnen und Geschichten aus Sprachspielen und Verhörhämmern. In der zweiten Halbzeit ging es fast nur noch darum und der Saal brüllte vor Lachen. Aber es ist ja auch komisch, wenn aus dem „Erzbischof, der uns firmen wird“ im Verhören der „Erdbeer Georg, der uns filmen wird“ herauskommt. Oder das Weihnachtslied „Lasst uns froh und munter sein…“ zu „Lasst uns froh und Monster sein“.
„Der weiße Neger Wumbaba“
Hacke hat ein ganzes Buch, nein, eine Trilogie, den Verhörhämmern gewidmet: „Der weiße Neger Wumbaba“. Was nach einer Kinderbuchtrilogie ausschaut, ist ein Meisterwerk des Wortwitzes. Und der Titel selbst ist aus einem Verhörer entstanden: Im altbekannten Lied „Der Mond ist aufgegangen“ heißt es am Ende „und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar.“ Eine Leserin von Axel Hacke hat aber als Kind immer „der weiße Neger Wumbaba“ verstanden.
Überhaupt ist das Sammelsurium an Sprachschätzen in diesem Buch aus Leserzuschriften entstanden. Und so reiht Axel Hacke eine Sprachperle nach der anderen auf: Aus „Prostituierte“ wird „Brusttätowierte“, oder aus vielen Elfen (Zahl) wird eine Menge von zauberhaften Elfen. Aus „Gold, Weihrauch und Myrrhe“ wird – wie kann es anders sein – „Gold, Weiber und Myrrhe“. Übrigens: Auf Platz Nummer Eins der Verhör-Produzenten steht für Hacke kein anderer als der Liedermacher Herbert Grönemeyer. Aus der Liedpassage „Hab Flugzeuge in meinem Bauch, kann nichts mehr essen“ wird „Hab Fruchtzwerge in meinem Bauch, kann nichts mehr essen.“ Ersteres sei eher gezwungene Poesie, die neue Variante sei dagegen zwingend logisch. „Besser als Grönemeyer“, meint Hacke. Besser als Hacke? Gibt’s wahrscheinlich nicht.