Musikfest Kreuth: „Tausend Empfindungen erfüllen mein Herz“
Valer Sabadus mit dem Barockensemble L’Accademia Giocosa. Foto: Fritz Oberbauer
Konzert in der Pfarrkirche St. Quirinus Tegernsee
Ein wundervoller Ort für ein überragendes Konzert der Spitzenklasse. Ein begeistertes Publikum feierte den jungen Münchner Countertenor Valer Sabadus bei seinem gemeinsamen Auftritt mit dem hochkarätigen Barockensemble L’Accademia Giocosa in der vollbesetzten ehemaligen Klosterkirche in Tegernsee.
Meister der Barockmusik geben sich ein Stelldichein
Glockenhell und betörend präsentierte der 31-jährige Sänger die Arie des Tirinto aus der Oper „Imeneo“ von Georg Friedrich Händel (1740). In dramatischer Gestaltung lässt er Tirinto den Verlust seiner Geliebten Rosmene beklagen, die ihm von Piraten geraubt wurde. In großem Einklang mit dem Ensemble L’Accademia Giocosa dringt er in höchste Sphären vor und besticht sofort durch seine ausgefeilte Technik.
Schnell wird klar, warum dieser junge Countertenor mit rumänischen Wurzeln schon ein Star auf den Opernbühnen ist. 2007 debütierte er in der Titelpartie von Händels Rinaldo und erst vor einigen Wochen stand er in Basel als Ruggiero in Händels Alcina auf der Bühne.
Bei Antonio Vivaldis Oper „L’Olimpiade“ (1734) beginnen die Ensemblemusiker spritzig, gehaltvoll sich abwechselnd, bevor Valer Sabadus furios und klangstark als Megacle einsetzt. Und wieder ist man gefangen von der Intensität seines Vortrags, wenn er als Megakles die Bedeutung der Freundschaft besingt und beklagt: „So wie Feuer die Unreinheiten des Goldes aufdeckt, so enthüllt das Unglück die Herzen falscher Freunde.“
Nach einer weiteren Arie aus der Vivaldi-Oper „Farnace“ ist das Publikum restlos begeistert. Sabadus‘ Interpretation von Farnaces Schmerz, Trauer und Wehklagen über den Tod seines Sohnes führt zu großen Jubelstürmen. Anerkennung pur für den jungen Künstler.
Valer Sabadus mit dem Barockensemble L’Accademia Giocosa. Foto: Fritz Oberbauer
Dazwischen lauschten wir einem Konzert in g-moll von Giovanni Mossi (1680-1742) , vorgetragen in kleiner Besetzung mit 4 Violinen, einem Kontrabass und 2 Celli. Der Römer Mossi war ein produktiver Komponist und Geiger, der häufig vor Kardinälen und in Kirchen konzertierte. Das 4-sätzige Werk strömte zunächst sanft und gleichmäßig dahin, bevor es nach tiefem Kontrabass zu hellen Violinen überging. Ein wunderbarer Wechsel von Sologeigen, Kontrabass und Celli mündete in einschmeichelnden Dialog der Violinen.
Und schon begann Valer Sabadus temperamentvoll mit der bekannten Arie des Sesto aus Händels „Giulio Cesare“ (1724). Ein rasanter Wirbel von schnellen, hohen, sopranhaften Tönen erfüllte das Kirchenschiff. Wilde Rachegelüste des Sesto, begleitet von Furien, versprühte der Sänger laut und wütend. Dabei unterstützte ihn aufreizend sein Begleitensemble.
Gluck und Telemann im Wechselspiel
Der 2. Teil des Konzerts gehörte Georg Philipp Telemann (1681-1767) und Christoph Willibald Gluck (1714-1787). Und wieder setzte die mühelos changierende Stimme des Countertenors Akzente. „Wo ist das Ende meiner Plagen?“ und „Zeige dich, geliebter Schatten“ aus Telemanns Singspiel „Sieg der Schönheit“ waren zum Mitlesen geeignet und ergriffen durch bestechenden Ausdruck.
Der Opernerneuerer Gluck wurde mit einem Stück aus seiner Oper „Semiramide riconosciuta“ geehrt. Gluck komponierte diese Oper 1748 zum Geburtstag von Kaiserin Maria Theresia und huldigte ihr mit der Figur der Semiramis. Sabadus führte seine flexible Stimme in eleganten Bögen, glasklar in höchste Weiten. Eifersucht, Unrecht, Liebe und Freundschaft, das volle Leben brach sich Bahn.
Und immer wieder anders kann sie klingen, die Barockmusik. Das zeigten eindrucksvoll die Spitzenkünstler der L’Accademia Giocosa, die aus Mitgliedern des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks und freischaffenden Künstlern besteht. Mit Telemanns „Tafelmusik“ in kleiner Kammermusikbesetzung mit 2 Violinen, Cello und Cembalo konnte man den Variantenreichtum dieser Musik erleben: gefühlvoll, getragen, klagend, werbend, lebhaft und stets nuanciert.
Auf Telemann folgte Gluck. Mit der Arie des Demetrio aus er gleichnamigen Oper aus dem Jahr 1742 zog der Sänger alle Register seines Könnens. Eine hervorraqgende Technik glänzte mit großer stimmlicher Präsenz und Modulationsfähigkeit. „Tausend Empfindungen erfüllen mein Herz“ sang er – und das stimmt. Großer Jubel und Bravorufe nach dem Abschluss des Konzerts zeigten diese tausend Empfindungen der Besucher mehr als eindrücklich.