Reverend Rebers sagt Amen
Kabarettist Andreas Rebers alias Reverend Rebers mit seinem Akkordeon in der Christuskirche in Schliersee. Foto: Ines Wagner
Kabarett in Schliersee
Kabarett und Kirche, wie geht das zusammen? Gut. Beim Schlierseer Kulturherbst „predigte“ Kabarettist Andreas Rebers alias Reverend Rebers seinem Kirchenvolk – und es durfte dabei gelacht werden. 500 Jahre Reformation – einmal anders.
„Am Anfang war das Wort? Falsch“, meinte Reverent Rebers. „Am Anfang war Klang, davor war Stille und davor das größtmögliche Chaos.“ Womit schon mal geklärt war, dass es sich um keine ernsthafte Predigt handelte. Ein Bier stand auch auf dem Tisch. Rebers trank und lobte es. „Für Martin“ stand auf der Flasche. Ach genau, darum waren wir ja hier. Es ist Martin-Luther-Jahr. Fünfhundert Jahre Reformation. Außerdem ist Schlierseer Kulturherbst. Und so ging das alles dann doch sehr gut zusammen.
Vorhersehbarer und unvorhersehbarer Kulturherbst
Die Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Schliersee-Neuhaus Melanie Striebeck sagte zur Einführung: „Reformation heißt kritische Stimmen auch in den eigenen Räumen zulassen.“ Und der Organisator des Schlierseer Kulturherbstes Johannes Wegmann ergänzte, es sei jedes Mal aufs Neue spannend, dass der Kulturherbst vorhersehbare Ereignisse präsentiere und auch unvorhersehbare.
Mit Ersterem meinte er beispielsweise Beethovens 5. Sinfonie letzten Samstag und mit Zweitem den Kabarettabend. Manchmal muss man eben auch etwas wagen – das Publikum hat es mit großer Begeisterung gedankt.
Andreas Rebers alias Reverend Rebers mit seinem Programm „Amen“: Foto: Ines Wagner
„Bevor ich überhört werde, werde ich lieber falsch verstanden“, ist das Motto von Kabarettist Andreas Rebers, der mit „Amen“ nach „Predigt erledigt“ und „Rebers muss man mögen“ Teil drei seiner Glaubenstrilogie … diesmal beinahe wirklich von der Kanzel predigte. Ein Tisch genügte allerdings. Ein Akkordeon und ein Keyboard waren auch dabei.
Mit vielen Liedern und noch mehr Predigten streute er seine wohl dosierte Mischung aus Zynismus, Satire und messerscharfer Gesellschaftsanalyse unters lachende Publikum. Mit deutscher Gründlichkeit, schlesischem Humor und wahlweise sächsischem, bayrischen oder türkischem Dialekt zerlegte er unsere Gesellschaft unzimperlich in mikroskopische Kleinteile.
Ungeniert gelästert – in der Kirche
Genau hingeschaut hat er, wenn er die AfD-Wähler parodiert. Ebenso, wenn er seine Nachbarin Frau Hammer, alleinerziehende Mutter, vegane Lehrerin und proeuropäische Fahrradpatriotin, persifliert. Adam und Eva – die ersten Flüchtlinge aus dem Paradies – unsportliche dicke Kinder, die Grünen und Donald Trump fallen ebenso seinem zynischen Spott zum Opfer wie das Publikum selbst. „Wisst ihr, was mir Angst macht?“, fragte er ins Kirchenschiff: „Das mir so etwas einfällt!“. Um, nachdem sich die Zuhörer ausgelacht hatten, nachzulegen: „Und was mir noch mehr Angst macht – das Euch das gefällt.“
Schlesische Gardinenpredigt
Auch die neusten Gags von der multikulturellen schlesische Glaubensgemeinschaft der Bitocken hatte der Kabarettist der „extremen Mitte” im Gepäck. Und landete dabei auch wieder bei Gedanken der Reformation. Zumindest irgendwie. Hager, im schwarzen Pullover, nahm man ihm den Reverend sowieso ab. Die Lieder zu Akkordeon und Keyboard, mal erst-nachdenklich, mal komisch-schräg – was wollten sie uns sagen?
Vielleicht, dass wir das alles nicht ganz so ernst nehmen sollten, wie es aus seinem Munde, von der Kanzel, pardon, dem Tisch mit Bier aus klang. Prost, Martin Luther. Prost, Reverend Rebers. Kabarett darf neue Wahrnehmungskanäle öffnen, wie Kunst und Kultur es generell soll und vermag. Auch in heiligen Räumen. Das hat Architekt Olaf Gulbransson schon mit dem spannungreichen Entwurf und der einladenden Umsetzung der Christuskirche in Schliersee bewiesen.
Und die Veranstalter des Schlierseer Kulturherbstes haben auch wieder gezeigt, wie vielfältig das Kulturherbstjubiläum ist – und wie vielfältig die Veranstaltungsorte selbst.
Die Schlierseer Christuskirche von Olaf Gulbransson aus dem Jahr 1950 erstrahlte in hellem Blaulicht. Während drinnen Reverent Rebers seinem begeisterten Publikum noch ein paar Zugaben gönnte.
Hier lesen Sie weitere Artikel des Schlierseer Kulturherbstes 2017:
- Jubiläumsprogramm – zehn Jahre Schlierseer Kulturherbst
- Die kleinste Bühne der Welt: HeimSpiel
- Jubel, Jubel, Jubiläum
- Fünf Männer, zwei Stunden und viel, viel Geld