Wer ist hier irr?
Cornelius Heuten, Caroline Dauer, Johanna Sedlbauer, Christina Hinterberger (v.l.). Foto: Monika Ziegler
Theater in Valley
Ein altes Märchen ist es, in dem die Bösen am Ende tot sind und die Guten triumphieren. Das Thema aber ist hochmodern. Und so begeistert „Die Irre von Chaillot“, obwohl 72 Jahre alt, auch heute noch, vor allem, wenn es die Theatergruppe Valley spielt.
Nach einer einjährigen Pause endlich wieder Theater im Kirchenwirt. Das neu zusammen gestellte Ensemble um die vierköpfige Familie Dauer hat sich zu seiner Regisseurin Susan Fahrer mit der Holzkirchner Dramaturgin Sabine Schreiber Unterstützung geholt. Das bekannte 1945 uraufgeführte Stück von Jean Giraudoux wurde in eine knappe, schmissige Fassung gebracht.
Macht- und geldgierige Kapitalisten
Das kongeniale Bühnenbild nach einem Entwurf von Herbert Schmid lässt die zehn Darsteller, von denen einige mehrere Rollen zu bewältigen haben, in einem schlichten, aber funktionellen Raum agieren. Der Inhalt des Stückes ist bekannt: Macht- und geldgierige, „böse“ Kapitalisten vermuten Erdöl unter Paris. Sie erpressen Pierre, der eine Sprengung durchführen soll, sich dem durch Suizid entziehen will, aber gerettet wird.
Johanna Sedlbauer, Christina Hinterberger, Johanna Heuten, Caroline Dauer, im Hintergrund Cornelius Heuten. Foto: Monika Ziegler
Die Idee der Regie, diese vier männlichen Rollen durch Frauen zu besetzen, hat etwas für sich. Carolin Dauer spielt in imposanter J.R. Ewing-Manier mit Cowboyhut den Makler. Johanna Heuten zeigt die Unsicherheit und Abhängigkeit des Barons gekonnt, während Johanna Sedlbauer mit ihrem Menjou-Bärtchen als Präsident unbeirrt und lautstark dessen Ziele verfolgt. Der Prospektor (Christina Hinterberger) drückt es klar aus, was sie alle verbindet: Man lebe von der Geilheit der Menschen.
Kilian Klaus und Cornelius Heuten. Foto: Monika Ziegler
Dieser „Bankverbindung der Pariser Unterschicht“, wobei Unterschicht die unter Paris liegenden vermuteten Erdölquellen bedeuten, steht Aurélie gegenüber. Ihr Auftritt ist eine besondere Inszenierung. Wir müssen schnell unsere Gläser beiseite räumen, denn sie schreitet mit majestätischer Geste über unseren Tisch zur Bühne. In Pelz gehüllt, nicht arm, wie in der Urfassung, aufdringlich geschminkt und erst als sie zu sprechen beginnt, wird jedem klar, auch hier wurde das Geschlecht umgedreht. Cornelius Heuten ist eine kluge und menschliche Dame von Welt, auch wenn sie als die Irre bezeichnet wird.
Sabine Dauer und Johanna Heuten. Foto: Monika Ziegler
Sie entwickelt einen Plan mit ihren drei Freundinnen, der exaltierten, mit riesigen Wimpern ausgestatteten Gabrielle (Sabine Dauer), der um ihr Hündchen etwas seltsam trauernden Constance (Johanna Heuten sehr wandlungsfähig) und der weiß geschminkten Josephine (Birgit Pallauf, die schon als Retter und Polizist ihre Vielseitigkeit zeigte).
Und die kleinen Leute
Dieser zweite Akt ist der Gegenpol zum ersten, in dem es hauptsächlich um Geld, Macht, Einfluss, Betrug, Erpressung geht, wären da nicht auch die kleinen Leute. Detlef Dauer ist ein liebenswerter Lumpensammler, der Küchenlieder singt. Louisa Dauer als Geschirrwäscherin Irma spricht authentisch von ihrer Liebe zur Schönheit und dem Guten. Und sie hat eine Auge auf Pierre geworfen. Kilian Klaus spielt den jungen Selbstmörder in all seiner Verzweiflung.
Louisa Dauer als Irma. Foto: Monika Ziegler
„Es steht schlecht mit dem Recht auf der Welt“, heißt es am Ende des 1. Aktes, aber auch „Was steht ihr herum und jammert?“ Die zutiefst ethische Frage „Haben wir das Recht, das Böse mit Gewalt aus der Welt zu schaffen?“ beherrscht den 2. Akt.
Lumpensammler Detlef Dauer. Foto: Monika Ziegler
Die Theatergruppe Valley hat mit diesem Stück wieder einmal ihre schauspielerische Qualität unter Beweis gestellt, die Inszenierung macht das Stück hochaktuell und brisant. Temporeich geht es über die Bühne und lässt zweifelsfrei die Zuschauer beeindruckt sowohl von der Aufführung als auch vom Inhalt des Stückes zurück.