Klavierfestival als Kulturquelle: „Clavis“ St. Petersburg
Jury-Mitglied Marcus Vitolo vor der Zar Alexander II Gedächtniskirche, St. Petersburg. Foto: MV
Reportage einer Russland-Konzertreise
Der Ursprung des Klavierfestival „Clavis“ liegt in Bayern. Im November fand dessen zweite Runde mit großem Rahmenprogramm in St. Petersburg statt. Nicht nur die Musik verzauberte, sondern auch das „Venedig des Nordens“ selbst.
Die nordrussische Stadt empfing uns mit für die Jahreszeit ungewöhnlich gutem Wetter, sonnig blauem Himmel, klar und kühl. „Das werden wir mit zwei Wochen Dauerregen büßen müssen“, sagte unser Kulturführer drei schöne Tage später während der Stadtrundfahrt.
Anlass der Reise nach St. Petersburg war das neue Klavierfestival „Clavis“, dessen erste Durchführung, angeregt von der Präsidentin der Jury, Olga Kotylarova, organisiert von Natalia Panina-Rummel und ihrem Mann Marcus Rummel, im Frühjahr in Reichersbeuern und Bad Tölz stattfand.
Mitglieder der Jury beim Klavierfestival „Clavis“ Foto: Marcus Vitolo
Im November 2017 lockte nun eine facettenreiche Kulturveranstaltung mit Schwerpunkt Klavier-Wettbewerb junge Pianistinnen und Pianisten, einige Eltern und mehrere Mitglieder der Jury in die prachtvolle, von ihrer Stellung als ehemalige Hauptstadt des Zarenreiches geprägte Großstadt.
Vielfältige Förderung des Klavierfestivals
Das Festival wurde von mehreren Institutionen und privaten Förderern unterstützt, vor allem von der Mastrangelo Foundation, einer Stiftung für die Entwicklung der Musikkunst, 2015 von Fabio Mastrangelo gegründet, dem künstlerischen Leiter des „Music-Hall“ Theater. Die Aktivitäten der Stiftung sind ambitioniert und breitgefächert. Sie reichen von der Förderung jüngster Musiker, junger Talente, bis zur Unterstützung älterer Musiker. Von der Organisation von Festivals und Wettbewerben bis zur Konzerten für ein breites Publikum.
Gala-Konzert in St. Petersburg. Foto: Marcus Vitolo
Weitere Unterstützer des Festival „Clavis“ sind die Staatliche Kulturhaushalts-Institution, das Staatliche Theater- und Musikkunst Museum, die Event-Agentur „Dream Engeneers“, und die Leiter der „Dimitri Shostakovich“ Schule im Admiralitäts-District von St. Petersburg, in dessen Räumlichkeiten und Konzertsaal der Wettbewerb vollzogen werden konnte. Auch das Private Gymnasium „Max Rill“ in Reichersbeuern, Bayern, unterstützt das Klavierfestival.
Teilnehmer aus Europa und China
Aus ganz Europa, von Kroatien über Deutschland, Österreich, Ungarn, Frankreich, auch aus Kasachstan, Weißrussland und China, und natürlich zahlreich aus Russland selbst, trafen die Teilnehmer des Wettbewerbs in den verschiedenen Alterskategorien, von 6 bis 8, von 9 bis 11, von 12 bis 14, von 15 bis 17, und von 18 bis 29, ein. Von 40 Angemeldeten nahmen 37 effektiv teil, 27 weibliche und 10 männliche junge Klavierspieler und Klavierspielerinnen.
Mitglieder der Jury: Michael Schneidt, Marcus Vitolo, Eriko Takahashi (v.l.). Foto: Marcus Vitolo
Olga Kotlyarova, Konzertpianistin und Preisträgerin zahlreicher Wettbewerbe, an Klavier, Cembalo und Orgel eine Meisterin, leitete als Präsidentin die zwei Jury-Kommissionen, die Junior Jury und die Elder Jury (ab 15), welche drei Tage lang im Einsatz waren: für die Junioren, Eriko Takahashi, Japan, Maria Dolores Ortega Vidal, Spanien, Marcus Vitolo, Deutschland/Italien. Für die Älteren Kaori Fazeni, Japan und Michael Schneidt, Deutschland.
Sieger in verschiedenen Kategorien
Jüngste Siegerin wurde die achtjährige Sunny Ritter aus Kanada, gefolgt von Elvira Kusnetsova, Russland, und Veronika Bukreeva und Ksenia Shuvalova, Russland, die sich den dritten Platz teilten. In der nächsten Kategorie gewann die quirlige Soley Blümel aus Österreich, gefolgt von Ivan Lisanov, Russland. Dritte wurden Alexandr Kartinzev und Nelly Khromova, Russland. In der Altersklasse 12-14 gewann Alexandra Dedik, gefolgt von Alexandr Volkov aus Russland, dritte wurde Sabina Shamisheva aus Kazachstan. In der Kategorie 15-17 wurde kein erster Preis vergeben. Den zweiten Preis errang Natalia Lisanova , den dritten Preis Ksenia Richter, beide Russland.
Erwähnenswert sind die deutschen Kandidaten Moritz Bergman und Felipe Güttler aus dem Landkreis Bad Tölz, welche beide ein Diplom errangen und demnächst einen Meisterkurs in Tiblisi, Georgien, besuchen dürfen.
Junge Talente erfolgreich
In der höchsten Altersklasse schnitt Anna Grzhbovskaya, Russland, als beste ab. Julia Akhmatdinova, Russland, belegte den zweiten Platz. Den dritten Platz teilten sich drei junge Talente: Natalia Kartasheva, Russland, Peter Meri, Ungarn, der auch ein Konzert in Moskau gewann, und Vadim Samokhin, Russland.
Den Grand-Prix errang Alisa Stekolchikova, Russland, als „absolute winner“. Sie spielte ihr fulminantes „Nacht auf dem kahlen Berge“ von Mussorgsky beim Gala Konzert. Ksenia Richter, Russland, Barockpreis, bekam einen spezial-Preis für die beste Interpretation russischer Musik. Natalia Lisanova erhielt einen Konzertpreis für St. Petersburg und Sabina Shamisheva den Fotopreis. Insgesamt zeigten sich beachtliche Talente, auch bei den nicht platzierten Teilnehmern.
Teil des Kulturprogramms: Besuch der Marinekirche in St. Petersburg. Foto: Marcus Vitolo
Das Programm des nobles Gala-Konzert im Palais Sheremetjew unterstrich diesen Eindruck und ließ nicht nur die der vordersten Platzierungen zu Gehör kommen.
Umfangreiches Kulturprogramm in St. Petersburg
Eingeflochten in die Anhörungen der Kandidaten durchzog ein feines Kulturprogramm den Ablauf des Wettbewerbs. Vom Besuch des Museums „Die Musen schwiegen nicht“, über die kulturellen Veranstaltungen während der Leningrader Blockade 1941-1944, mit Lesungen, Vernissagen, Konzerten, Theater- und Opernaufführungen – alles womit die Bevölkerung und die Behörden den inneren Frieden bei Krieg, Hungersnot und Kälte aufrecht zu halten versuchten.
Ein Orgelkonzert in der Petri-Kirche, der ehemaligen Deutschen Kirche in St. Petersburg, eine Zeit lang ein Schwimmbad, mit der Schweizer Organistin Daniela Thimokine-Mueller, beeindruckte. Weiterhin fand ein Seminar statt über Repertoire-Erneuerung im Konzertbetrieb von Yulia Kazanzeva, Moskau, und ein Seminar über „Die Kunst des Klavierspiels“ von Ekaterina Polyakova, Salzburg.
Klavierfestival Clavis in St. Petersburg – Eröffnung. Foto: Marcus Vitolo
Die Rundfahrt durch dieses spannende, abwechslungsreiche und sehenswerte St. Petersburg berührte ihre schönsten und eindrucksvollsten Orte. Sie führte von der Marine Kirche über das alte und neue Marinsky Theater und dem Petersburger Rathaus zu den Sphinxen am Newa-Ufer. Von der Philologischen Fakultät, dem alten Hafen der Stadt mit den zwei beeindruckenden Rostren, zwei leuchtturmartigen Säulen, und der Zar Alexander Gedächtnis Kirche zur Eremitage. Deren Besuch nahm eigens einen ganzen Tag in Anspruch.
Ermöglicht wurde der Besuch mehrerer Vorstellungen im Marinsky Theater, beispielsweise der Ballette „Die steinernen Blumen“ und „Romeo und Julia“ von Prokofjef.
Großstadt mit Faible für Musikschaffende
Solch reichhaltiges, umfassendes, verwöhnendes Kulturprogramm machte aus den Festival-Tagen einen vollen Erfolg. Genauso wie der freundschaftliche und interessante Austausch mit Kollegen und Gleichgesinnten, die pulsierende Großstadt mit ihrer offenen und respektvollen Haltung Kulturschaffenden und speziell Musikern gegenüber, und die jungen engagierten Pianisten und Pianistinnen.