„In meiner Familie waren alle Männer Juristen und alle Frauen Hausfrauen“, erzählt er lächelnd. Es war also keine Frage, welchen Beruf er einmal ergreifen würde. Hineingedrängt sei er worden in die Jurisprudenz, obwohl er von Kindheit an habe Künstler werden wollen. Der Vater habe sein Talent gefördert, berichtet Irnberg und sich immer über seine gemalten Bilder zum Geburtstag gefreut. Als er ihm einmal ein Geschenk vom Taschengeld gekauft habe, gab es kein Dankeschön. „Aber Künstler als Beruf hat er in seinem bürgerlichen Verständnis schrecklich gefunden.“

Michael Schneidler alias Irnberg ist ein Parallalspurer. Aufgewachsen ist der Künstler auf einem Bauernhof namens Irnberg Nähe Feldkirchen-Westerham. Dieser Bauernhof hat ihn und sein Verständnis von Natur und Kunst geformt. Er besuchte das Maxgymnasium in München und studierte gezwungenermaßen also Jura in Würzburg und München. Seine berufliche Karriere erlebte er in Frankfurt, promovierte in Wirtschaftsrecht. Seine Promotion befasste sich mit der Fondsgebundenen Lebensversicherung. „Die Anwaltstätigkeit hat schon Spaß gemacht“, räumt er heute ein. Aber immer wieder sei es vorgekommen, dass er Klienten wegschickte, weil er gerade mal wieder in seinem Atelier im hinteren Teil des Hauses seiner künstlerischen Arbeit nachging.

Dieses Haus hatte er selbst restauriert. Auch vorher sei es ein Künstlerhaus gewesen und Irnberg ließ es unter Denkmalschutz stellen. „Ein bürgerlicher Beruf, der mir mehr Spaß als Anwalt gemacht hätte, wäre Architekt gewesen“, sagt er und so machte er aus der alten Villa ein Haus, das seinen Bedürfnissen und denen der Familie entsprach: Vorn Kanzlei, hinten Atelier und dazwischen Familie, denn inzwischen war er verheiratet und Vater zweier Kinder. Später, als er von der Malerei zur Herstellung von Reliefs überging, reichte das Atelier nicht mehr und er mietete eine alte Fabrik in Mühlheim.

Die Eltern lebten mittlerweile in Kreuth und auch Irnberg besuchte immer wieder das Oberland. So kam es auch in den siebziger Jahren dazu, dass ihn Herbert Beck, der erfolgreiche Tegernseer Maler und damalige Organisator der Tegernseer Kunstausstellung einlud, seine Werke auszustellen. Drei Arbeiten waren es, alle drei hätten verkauft werden können, „aber ich wollte sie behalten, um sie weiterhin als Beispiele für bestimmte Schaffensphasen präsentieren zu können“, sagt der Künstler, der nach dem Tod der Eltern das Haus in Kreuth übernahm, heute aber mit seiner dritten Frau in Festenbach wohnt.

Jetzt widmet er sich ausschließlich seiner eigentlichen Berufung, der Kunst. Nachdem er zunächst malte, wandte er sich dann Collagen, Assemblagen und Reliefs zu und hat heute eine einzigartige neue Technik entwickelt, die des inversen Reliefs. Vorangegangen waren Materialbilder, die echte – erhabene – Reliefs waren. Viele Arbeiten kamen aus der Überzeugung des „Nichts verkommen lassens“. Aus Wegwerfmaterialien fertigte er diese Arbeiten und aus eben solchen fertigt er heute seine inversen Reliefs. Er zeigt die Verschlüsse von Weinkapseln, die er zu neuen Formen als Drei – oder Viereck presst, er zeigt alte Weinkartons, von denen er das Papier entfernt und die Wellpappe verarbeitet. Und er erklärt die Herkunft von Rahmen, nämlich Dachlatten und Fußbodenleisten. Auch alte Zeitungen und hier zum einen amtliche Bekanntmachungen in kleinster Schrift und zum anderen farbige Sportbilder – Trikots, z.B. die Rennanzüge der deutschen Alpinskifahrer, Stadien, Banden, Tore usw.- kann Irnberg einer weiteren zweckentfremdeten Nutzung zuführen.

Bei all dem entstehen spannende Arbeiten. Die inversen Reliefs haben ihre Bedeutung in der vorderen Fläche, in die Einschnitte erfolgen und so Hohlräume erzeugen. Im Bild entstehen dann Schatten, Kanten, Tiefgründigkeit. Nach seiner Ausstellungstätigkeit befragt, erklärt der Künstler, er habe in den 90er Jahren auf Drängen seiner Frau eine Reihe von Ausstellungen gehabt. Danach habe er „künstlerische Forschungsarbeit“ in Richtung inverses Relief geleistet. Nachdem diese seit den 2000er Jahren zu Ergebnissen geführt haben, ist er wieder an Ausstellungen im In- und Ausland interessiert. Was das Oberland betrifft, so lobt Irnberg insbesondere das hohe Niveau der jährlichen Bayrischzeller Gemeinschaftsausstellungen. Eine erste Ausstellung nach langer Pause hatte Irnberg im September in einer Galerie in Regensburg.

Für die Herstellung seiner inversen Reliefs sind die Festenbacher Räume zu klein und so plant er langfristig einen Atelierumzug, z.B. nach München.

Der Künstler hat mittlerweile noch eine dritte Spur für sich entdeckt, das Schreiben. „Ich will niederschreiben, was ich als Künstler erlebt habe und was ich von anderen Künstlern für wichtig halte“, erklärt er. Sein bevorzugtes Thema sei „Bürgerlichkeit und Moral“. Für ihn stelle sich Moral als gesellschaftliche Normen als etwas Negatives dar, denn es habe ja auch eine Moral im Dritten Reich gegeben, nach der Juden minderwertige Menschen waren. „Meine Sicht ist, dass die bürgerliche Gesellschaft eine Tendenz dazu hat, Minderheiten zu diskriminieren.“ Zu diesem Thema hat er einige eigene Erfahrungen beizusteuern.

So ist von Michael Schneidler alias Irnberg in Zukunft einiges zu erwarten. Ein Mann, der nach der Anwaltstätigkeit noch eine alte Spur weiter verfolgt und eine neue aufmacht.

Monika Ziegler
Publiziert 29. Oktober 2013