Plakat des Stummfilms "Nerven" aus dem Jahr 1919

Im Kino in der Kirche: 100 Jahre „Freistaat Bayern“

Plakat des Stummfilmdramas „Nerven“ von Josef Fenneker (1895-1956) aus dem Jahr 1919.

Film mit Livemusik in Miesbach

Der Stummfilm „Nerven“ aus dem Jahr 1919 fängt eine Zeit ein, in der Dichter die Macht übernahmen. „Kino in der Kirche“ präsentiert am 26. Januar 2018 den Film mit Livemusik von Alexander Pointer an der Orgel. Historischer Nervenkitzel – so informativ wie aufwühlend.

Reisen wir gemeinsam mit dem Organisten Alexander Pointner und dem Team von „Kino in der Kirche“ der Apostelkirche in Miesbach um 100 Jahre in der Geschichte zurück. Zum hundertsten Gedenkjahr an die bayrische Revolution läuft in der Apostelkirche Miesbach der Stummfilm „Nerven“ aus dem Jahr 1919 .

„Der Zündstoff, den Krieg und Not im Menschen erzeugt haben“, schrieb die Deutsche Lichtspiel-Zeitung 1919 zum Film, „wird als nervöse Epidemie dargestellt, die die Menschen befallen hat und zu allerhand Taten und Schuld treibt.“

Im Vorfeld der Revolution

Der Stummfilm zieht die Zuschauer hinein in die Schicksale von Menschen unterschiedlicher sozialen Schichten. Im Mittelpunkt steht der Fabrikbesitzer Roloff, dessen Glauben an den technischen Fortschritt zerbricht. Krieg und Zerstörung haben seine Psyche angegriffen. Der Lehrer Johannes fordert in Volksversammlungen soziale Reformen. Die zurückgewiesene Geliebte Marja wandelt sich zur Revolutionärin und ruft zum bewaffneten Kampf gegen die Herrschenden auf. Die Nerven liegen blank im Vorfeld der Revolution. Irrsinn macht sich breit.


Es ist wieder Kino-in-der-Kirche-Zeit. Foto: Ines Wagner

Regisseur Robert Reinert hat mit „Nerven“ einen der ersten expressionistischen deutschen Stummfilme geschaffen. Melodrama und Gesellschaftsanalyse sind in eindrücklichen Bildern verwoben. Die Eingangssequenz des Films ist ein frühes Meisterwerk der Montagekunst. Das Filmmuseum München hat den von der Zensur verstümmelten Filmklassiker aufwendig rekonstruiert. Er stellt ein einzigartiges Zeitdokument dar.

Nicht zum ersten Mal begleitet Alexander Pointner in der Reihe „Kino in der Kirche“ einen Stummfilm mit Livemusik an der Orgel. Im Januar letzten Jahres war es „Der Student von Prag“, bei dem das virtuos von der Empore dringende Orgelspiel die Betrachter des Filmes in der Handlung fesselte.

 Alexander Pointner an der Orgel
Alexander Pointner an der Orgel. Foto: Manfred Wehrmann

Die originale Filmmusik von „Nerven“ ist nicht erhalten. Pointner begleitet den Film ohne eine geschriebene Note. Er greift dabei die Musiksprache der 20er-Jahre auf. Revolutions- und Arbeiterlieder stehen neben Altmünchner gemütlicher Musik. Für seine Improvisation hat sich der Organist intensiv auf die verschiedenen Themen und Szenen vorbereitet. Statt Notenständer steht ein Bildschirm auf der Orgel. „Die Handlung an sich ist nicht das Problem“, erläutert Pointner, „es sind die Szenen, bei denen die Musik auf eine Zehntelsekunde genau passen muss.“ Wie kaum ein anderer Organist beherrscht er die Kunst der Improvisation und des genauen Timings. Alexander Pointner studierte katholische Kirchenmusik und Komposition an der Münchner Musikhochschule.

Geschichtliche Hintergründe

In der Zeit, in der „Nerven“ spielt, wurde der „Freie Volksstaat Bayern“ ausgerufen. Der Auftaktfilm des neuen Kinojahres in der Apostelkirche in Miesbach entführt die Zuschauer auf eine Zeitreise um 100 Jahre zurück in Geschehnisse, die München und auch Miesbach beeinflussten.

Revolution der Dichter gescheitert

Am 7. November 1918 rief der Schriftsteller und Journalist Kurt Eisner den „Freien Volksstaat Bayern“ aus. Es war auch eine Revolution der Dichter, Schriftsteller, Journalisten und Dramatiker: Kurt Eisner, Gustav Mühsam, Ernst Toller, Gustav Landauer, Oskar Maria Graf gehörten zu ihren Protagonisten.

Am 21. Februar 1919 wurde Kurt Eisner auf offener Straße von Anton Graf von Arco aus Valley erschossen. Auf die erste Revolution folgte am 7. April 1919 eine zweite mit Ausrufung der „Münchener Räterepublik“. Daraufhin schickte Berlin Truppen. Sie beendeten am 3. Mai die Träume der Dichter. Diese letzte Phase der Revolution erreichte auch Miesbach. Was im November friedlich begann, endete blutig im April, mit der Hinrichtung des jungen Revolutionärs Ernst Lacher.

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Das Stummfilmdrama „Nerven“ (1918/19) von Robert Reinert mit Begleitung von Alexander Pointner wird am Freitag, 26. Januar um 19.30 Uhr im Rahmen von „Kino in der Kiche“ in der Apostelkirche in Miesbach (Rathausstr. 12) gezeigt. Der Eintritt ist frei. Spenden werden für Folgeprojekte von Kino-in-der-Kirche genutzt.

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