Herlinde Koelbl: Kleider machen Leute.

Körpersprache und Identität im Hotel Bachmair

Herlinde Koelbl:  Kleider machen Leute. Foto: Petra Kurbjuhn

Vortrag in Weissach

Der fünfte und somit vorletzte Vortrag in der Reihe des Korbinians Kollegs dieses Winterzyklus punktete mit einer der renommiertesten Fotografinnen Deutschlands – Herlinde Koelbl. Ein spannender Abend mit der Frau, die Angela Merkel und Gerhard Schröder über viele Jahre hinweg porträtiert hat.

Korbinian Kohler, der Gastgeber dieser beliebten Veranstaltungsreihe, die sich den Fragen unserer Zeit widmet, freute sich, Herlinde Koelbl, die bekannte Fotografin, in seinem Hotel begrüßen zu dürfen. Die beiden hatten sich vor Jahren am Jakobsweg kennengelernt. Die Anekdote, in der sie in sein Zimmer kam und drauflos fotografierte, obwohl er in der Badewanne saß, zeige den Charakter der Frau, die auch nicht davor zurückschreckt, mit verbundenen Augen durch die Berge von Kurdistan geführt zu werden, damit sie für eines ihrer Projekte Zielscheiben fotografieren kann.

Herlinde Koelbl und Prof. Wilhelm Vossenkuhl. Foto: Petra Kurbjuhn

Wie schon bei den vorangegangenen Veranstaltungen stellte auch diesmal wieder der Münchner Philosoph Wilhelm Vossenkuhl die Protagonistin des Abends näher vor. Er erinnerte daran, dass die Fotografie zur bildenden Kunst gehört und etwas sichtbar macht, das ansonsten nicht zu sehen wäre. Herlinde Koelbls Bilder seien Bilder, die Menschen berühren, die provozieren, wehtun und zum Schmunzeln bringen. Alle ihre Bilder gäben etwas zu bedenken und regten an, innezuhalten. Wilhelm Vossenkuhl spannte den Bogen von der vierfachen Mutter und Autodidaktin, die schon mit ihrem ersten Buch „Das deutsche Wohnzimmer“ Berühmtheit erlangte, und dem 21 weitere Bände, Projekte und viele Auszeichnungen folgten, zu der schillernden Persönlichkeit, die soeben die Bühne betrat.

Kleider machen Leute

„Körpersprache und Identität“ war das Thema, das Herlinde Koelbl für diesen Abend gewählt hatte. Mit Fotos aus ihrem Projekt „Kleider machen Leute“, für das sie Menschen in ihrer Standeskleidung oder Uniform fotografierte, zeigte sie anschaulich, wie sehr die Identität eines Menschen durch das Tragen bestimmter Kleidung geprägt wird.

Der Kardinal blickt würdevoll und autoritätsbewusst in die Kamera, ganz anders als auf dem Foto im Jogginganzug. Die Domina erzählt im ergänzenden Interview zur Fotositzung, dass sie Macht spürt, wenn sie ihre Arbeitskleidung trägt und ihre Verletzlichkeit verliert, während sie privat eher prüde sei und nicht in die öffentliche Sauna gehe.

Herlinde Koelbl: Kleider machen Leute. Vortrag Körpersprache
Herlinde Koelbl: Kleider machen Leute. Vortrag Körpersprache: Petra Kurbjuhn

Das Tragen der Standeskleidung erzeuge auch das Bewusstsein, zu einer Berufsgruppe zu gehören, sowie auch die Reaktion der Menschen auf diese Kleidung wiederum das Befinden des Trägers beeinflusse, meint Herlinde Koelbl. Ein Richter spüre Verantwortung und Respekt, wenn er seine Robe trägt, aber seine gerade, selbstbewusste Körperhaltung komme auch von dem Respekt, dem ihm die Menschen entgegenbringen, sobald er seine Arbeitskleidung anlegt.

Spuren der Macht

Herlinde Koelbl begleitet in ihrem Projekt „Spuren der Macht“ seit vielen Jahren Politiker in ihrer Laufbahn mit ihrer Kamera. Anschaulich zeigte sie anhand der Porträtreihe von Angela Merkel und Gerhard Schröder, wie die Macht ihrer beruflichen Position und auch das Leben im Brennglas, das jede Bewegung des Politikers einfängt und öffentlich macht, die Persönlichkeit verändert, und somit auch ihren Ausdruck und Körperhaltung.

In keiner einzigen ihrer Fotoreihen beeinflusst Herlinde Koelbl die Menschen in Bezug auf ihre Körperhaltung oder den gewählten Gesichtsausdruck. Es ist ihr ein besonderes Anliegen, keine Anweisungen zu geben. Vielleicht berühren ihre Bilder genau deshalb. In der Reihe „Kinder“ haben die Kinder eben nicht dieses typische, lächelnde „Fotogesicht“, das wir alle kennen. Sie lächeln nicht und bringen Wesenszüge zum Vorschein, die auf Familienfotos nicht zu sehen sind, weil wir da immer alle glücklich sehen wollen.

Den Horizont ständig erweitern

Herlinde Koelbl ist es wichtig, immer neue Themen zu erforschen, sich in sie zu vertiefen und auch ihren eigenen Horziont dabei zu erweitern. Sie liest sich in die Materie ein, erkennt Zusammenhänge, bringt das erwählte Thema in einen geschichtlichen Zusammenhang und erzählt dann die Geschichte anhand ihrer Bilder.

Herlinde Koelbl und Kobrbinian Kohler, der sich bedankt.
Hausherr Korbinian Kohlers Dank an Herlinde Koelbl. Foto: Petra Kurbjuhn

Das momentane Projekt bleibt natürlich geheim und ist wie alle ihre Werke, zeit- und arbeitsintensiv. Wir dürfen uns aber darüber freuen, dass sie auch in ihrem 79. Lebensjahr an einem Thema arbeitet, das uns aufrütteln, berühren und zum Nachdenken bringen wird.

Weitere Artikel beim Korbinians Kolleg:

Der letzte Vortrag des Korbinians Kolleg in diesem Wintersemester findet am 2. März zum Thema „Grenzen der Wissenschaft. Wie können wir die Wirklichkeit verstehen“ statt. Gastredner: Astrophysiker Harald Lesch

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