Christian Ude als Mann der Situationskomik
Christian Ude packt ein, aber vorher hat er ausgepackt. Foto: Petra Kurbjuhn
Lesung in Weyarn
„Lauter wahre Geschichten“ versprach Christian Ude vorzutragen. Er verblüffte die Zuhörer mit schier unglaublichen Geschichten aus seinem Leben, in geschliffener Sprache und mit einer Situationskomik, was man von einem Alt-Oberbürgermeister niemals erwarten würde.
Das klinge wie Altlasten oder Rost und Müll, machte sich der ehemalige Oberbürgermeister der Landeshauptstadt gleich eingangs über sich selber lustig. Diese Selbstironie zog sich durch den gesamten dritten Abend der Weyarner Kleinkunsttage. Organisatorin Anschi Hacklinger hatte mit der Auswahl der Gäste wieder einmal ein glückliches Händchen bewiesen, denn der Vortrag des Politikers geriet zur Show. Unterhaltsam, witzig, informativ und am Ende mit Botschaft.
Organisatorin Anschi Hacklinger und Christian Ude. Foto: Petra Kurbjuhn
Dass der SPD-Politiker einmal ein begnadeter Musiker war, der bereits mit 11 Jahren sein erstes Konzert, allerdings auch sein letztes gab, erfuhr das Publikum in der ersten wahren Geschichte. Zum Brüllen komisch beschreibt Christian Ude, dass er als Kind von musikliebenden Eltern ein Instrument lernen musste und es mit Raffinesse sogar dazu brachte öffentlich aufzutreten. Mit zwei anderen Gitarristen, die von ihm unbemerkt aber wegen Lampenfiebers die Bühne verließen. Er indes kaschierte sein Unvermögen, indem er nur so tat als spiele er, dabei aber „genialisch den Kopf nach hinten warf“, wie er sich von einem Pianisten abgeschaut hatte. Das Publikum hatte sich königlich amüsiert.
Der rote Lump
Der studierte Jurist Ude brillierte einmal als Kirchenrechtler, obwohl er beim Studium diesen Bereich in Mut zur Lücke ausgelassen hatte. Wie er den bekannten katholischen Priester Fritz Betzwieser, der im Gottesdienst auch Viecherln, insbesondere Dackeln die Absolution erteilt hatte, und deshalb Probleme mit dem Ordinariat bekam, anwaltlich aus der Patsche half, beschreibt Ude in köstlicher Selbstironie. Zur Hilfe kam ihm dabei sein SPD-Parteibuch, denn so hatte Betzwieser gemeint, „als roter Lump werden die nicht wollen, dass du Akteneinsicht bekommst und das Verfahren einstellen.“
Christian Ude las nicht nur, sondern sprach in freier Rede. Foto: Petra Kurbjuhn
Ein ganz schwieriger Part in seiner Amtszeit, so erfuhr das Publikum, waren die Fußballmeisterfeiern, die in langweiliger Regelmäßigkeit durch die Bayern begangen wurden und bei denen er als bekennender Löwenfan von 30 000 Bayernfans niedergebuht wurde. Noch schlimmer aber sei eine Löwen-Aufstiegsfeier gewesen. Man müsse wissen, dass die rhetorische Kunstform einer Fußballrede aus fünf Silben bestehe, etwa: „Hier die Löwen“ oder „Ich sage Bravo“ oder „Einmal Löwe“ und alles brüllt „immer Löwe“. Er aber machte den entscheidenden Fehler und sprach einen ganzen Satz, in dem das Wort „rot“ vorkam. Ergebnis: 30 000 Stinkefinger.
Prickelnde Erotik mit Naddel
Zum komödiantischen Hochgenuss und gleichzeitig zum Scharfschuss auf das Niveau so mancher Talkshow geriet sein Ausflug in die prickelnde Erotik, wie er versprach. Gemeinsam mit Naddel, der heute schon fast vergessenen Partnerin von Dieter Bohlen, war der Oberbürgermeister eingeladen und traf die freizügige Schönheit schon im Treppenhaus. „Mein Blick fiel in einen Ausschnitt und dann auch auf die Frau drum herum“, sagte Ude, jetzt frei sprechend, „ich sagte nur Öha! Gegen diesen Ausschnitt hatte ich keine Chance.“
Und so geschah es, denn Naddel erzählte vor laufender Kamera von ihren Schönheitsoperationen und von ihren Kochkünsten und der Politiker kam nicht zu Wort. Sein Fazit: „Bei brisanten Themen, die jedem unter die Haut gehen, lassen sie beim BR auch mal einen Sozialdemokraten ins Studio.“
Hingebungsvoller Erzähler Ude. Foto: Petra Kurbjuhn
In der letzten Geschichte, von Ude mit emotionaler Hingabe vorgetragen, ging es darum, einen Preis zu gewinnen. 1000 DM sollte ein Wolfsfoto einbringen, weshalb Ude mit einem Freund 1971 in den Südosten der Türkei reiste, denn dort sei einer gesichtet worden. An der abgelegensten Stelle an der syrischen Grenze traf er einen Münchner Straßenfeger woraus eine lebenslange Freundschaft wurde. „Am Heiligen Abend kommen bei uns zuerst die Türken und dann das Christkind“, sagte er trocken.
Die Freundschaft mit der türkischen Großfamilie hat aber auch eine politische Dimension, denn ein Mitglied wurde Bürgermeister eines Istanbuler Stadtteils und Christian Ude dessen Berater. Und genau in diesem Stadtteil fanden die größten Anti-Erdoğan-Demonstrationen statt. Einen Mordsrespekt habe er vor diesen Menschen.
Der Büchertisch. Foto: Petra Kurbjuhn
„Und ich war dabei“
Die lautstark eingeforderte Zugabe war wiederum ein kabarettistischer Hochgenuss. Denn Ude war es in seiner Amtszeit als Kulturbürgermeister vergönnt, Michael Jackson zu begegnen. Das Rathaus sei wegen der hysterischen Mädchen wie eine Festung abgesichert gewesen. Und dann kam er, in einer langen Wagenkolonne, sogar Blutkonserven wurden mitgebracht, und stieg aus. „Erst das eine Bein, dann das andere“, meinte Ude genüsslich. Oben habe der Zeremonienmeister den amtieren Oberbürgermeister Kronawitter vorgestellt, woraufhin Michael Jackson sagte: „Who?“ Der Beamte wies wiederum auf den Politiker und sagte „He“ und der Moonwalker grüßte „Hi“. „Und ich war dabei“, sagte Ude.