Das Universum des Fotokünstlers Chris Tille
„New Horizon – Gravitationswellen“ – Visualisierung der Energie aus der Kollision zweier schwarzer Löcher. Foto: Chris Tille.
Galerieausstellung in Tegernsee
Bis vor Kurzem waren die großformatigen Fotografien in London zu sehen. Jetzt machen sie für ein paar Wochen Zwischenstation am Tegernsee. Chris Tille führt Interessenten gern persönlich ein – in ein hochspannendes Thema zwischen Kunst und Wissenschaft.
In London war er mit seinen spektakulären Fotos „Künstler des Monats“. Seit ein paar Jahren arbeitet er eng mit Astrophysikern am Max-Planck-Institut zusammen. Die NASA stellt ihm gigantische Datenmengen zur Verfügung, Daten, die hochsensible Forschungssatelliten aus dem All gesammelt haben. Warum?
Die Arbeit des Fotokünstlers Chris Tille ist einzigartig. Sie fasziniert Laien wie Wissenschaftler gleichermaßen. Erstere entdecken bei ihm völlig neue Welten, angesprochen durch die künstlerische Umsetzung. Letztere sind glücklich, dass ihre wissenschaftlichen Daten derart visualisiert sind, dass sie auch von Laien betrachtet und verstanden werden. Nicht in Diagrammen, Listen und auf wissenschaftlichen Kongressen, sondern stattdessen in Kunstausstellungen.
Kunstsammler Pierre Lagrange und Fotokünstler Chris Tille in London (v.l.). Foto: Magdalena Tille
Die Kunst bietet neue Wege, sich der Faszination der Wissenschaft zu öffnen. Chris Tille ist ihr Mittler. Hängen seine Arbeiten in den internationalen Galerien, stehen die Besucher staunend davor. In Tegernsee ergibt sich jetzt die besondere Gelegenheit, mit dem Künstler über seine Arbeiten zu sprechen, den Schlüssel zum Verständnis in die Hand zu bekommen und sich darüber hinaus anstecken zu lassen von der Begeisterung, die Chris Tille ausstrahlt.
Gravitationswellen visualisiert
Hat ihm vor Jahren der Tegernsee Inspiration gegeben, aus der seine ungewöhnlichen Seebilder wie der „Sternenfänger“ entstanden sind, ist ihm der See heute der wichtige Ruhepol, um monatelang am Rechner zu sitzen und Daten zu bearbeiten. Für das monumentale Projekt „10.000 AD“ hat er in etwa 1.000 Arbeitsstunden nach Angabe von Sternenkatalogen etwa 1,2 Millionen Sterne per Mausklick an ihrer korrekten Position in der Zukunft platziert. Das Ergebnis ist ein beeindruckender Sternenhimmel mit den hellsten Sternen der Milchstraße, wie er in 8.000 Jahren aussieht.
Sein Bild „New Horizon“ ist die visuelle Bestätigung der Theorie Albert Einsteins von der Existenz der Gravitationswellen. Chris Tille ist es gelungen, die Energie aus der Kollision zweier schwarzer Löcher vor 1,3 Milliarden Jahren anhand von Sounddateien zu visualisieren. Die Gravitationswellen erreichten die Erde 2015.
Die illuminierte Erde bei Nacht im Jahr 2297, vom All aus gesehen. Foto: Chris Tille
Es sind die außergewöhnlichen, neuen Erkenntnisse der Wissenschaft, die den Fotokünstler faszinieren. Erst heute ist auch die digitale Technik soweit, dass die gigantischen Datenmengen wie die Gravitationswellen so visualisiert werden können. Anderes Beispiel für die Feinheit der Darstellungsmöglichkeiten und visionären Forschungsansätze ist das Bild „2297“. Es zeigt die Erde bei Nacht, wie sie im Jahr 2297 vom All gesehen wird. Als Grundlage dienten Satellitenaufnahmen und Forschungsergebnisse aus dem Institut für Bevölkerung und Entwicklung in Berlin. Feinste Straßenzüge sind sichtbar, einige heute noch in Dunkelheit liegende Bereiche prosperieren in 2297, andere fallen in Dunkelheit.
Klangbilder der Großstädte
Auch an seinen Klangprojekten hat Chris Tille weitergearbeitet und den Sound der Großstädte sichtbar gemacht, im Ultraschall- und im hörbaren Bereich. Das Ergebnis ist verblüffend: es entstehen hoch ästhetische Muster, bei denen sich New York, Amsterdam und andere Städte wesentlich unterschieden.
All diese spannenden Arbeiten und noch viel mehr ist jetzt in Chris Tilles Tegernsee Art Gallery zu sehen, bevor die Werke wieder hinaus ziehen in die weite Welt.
Nach dem unendlichen Universum arbeitet der Künstler auch wieder im irdischen Kleinen. Momentan enstehen Arbeiten im Mikrokosmos der Chlorophylle. Es wird ihm nie langweilig und man mag sich folglich wundern, woher er immer wieder diese ungewöhnlichen Einfälle nimmt. Es ist die Neugier. So lange es neue Erkenntnisse in der Wissenschaft gibt, wird Chris Tille sie aufsaugen wie ein wissensdurstiger Schwamm. Er wird so lange tüfteln, bis es ihm gelingt, der Sache auf den Grund zu gehen und er sie von dort für ein breites Publikum an die Oberfläche zu heben.