Heidrun Franz: „Die Geschichte der Mühlfeldkirche in Bad Tölz“
Ansicht der Mühlfeldkirche von Südosten. Foto: Benno C. Gantner.
Neues auf dem Buchmarkt
Es war die pure Not, die eine Handvoll Bürger von Tölz mitten im Dreißigjährigen Krieg zum Bau der Mühlfeldkirche bewegte – die Philosophin Heidrun Franz hat darüber eine ebenso lehrreiche wie gelehrte Studie geschrieben.
Die Philosophin Heidrun Franz beschäftigt sich mit der Suche nach möglichen Wahrheiten im Leben des Menschen. So weit, so allgemein. Was sie damit konkret meint, das wird in ihrer aufschlussreichen Studie über die Mühlfeldkirche in Bad Tölz deutlich, die jüngst im Starnberger Apelles Verlag von Marie-Luise und Benno C. Gantner erschienen ist. Das Buch ist die überarbeitete Fassung von Franz‘ Magisterarbeit.
Auf rund 130 reich bebilderten Seiten schildert die Autorin Planung und Baugeschichte der „Kirche zu Unserer Lieben Frau Maria Hilf“ in Tölz sowie die kunsthistorische Ausstattung des Gebäudes von seiner Entstehungszeit bis heute. Die Einbettung in den jeweiligen kulturellen, politischen und geistesgeschichtlichen Hintergrund macht Zusammenhänge sichtbar und Entwicklungen nachvollziehbar. Was das Buch dabei besonders auszeichnet, sind die anhand zahlreicher, sorgfältig ausgewählter Quellen zusammengetragenen Erkenntnisse über die Bedeutung der Mühlfeldkirche im Leben der Menschen vor Ort und für die Ausübung ihrer Glaubensrituale. Aus den Originalquellen, die kenntnisreich und sorgfältig auswertet werden, zeichnet die Autorin ein klar konturiertes Bild über wichtige Ereignisse in der Geschichte der Kirche und das soziale Gefüge der Menschen, die damit zu tun hatten. Die im Wortlaut zitierten Quellentexte machen das Buch lebendig und lassen den Leser tief in die Welt von gestern eintauchen.
Buchcover Foto: Apelles Verlag.
Mitten im Dreißigjährigen Krieg – Bürger bauen ihre Kirche
„Lasst uns gemeinsam eine Kapelle bauen!“ und „Maria Hilf“ waren die Beweggründe der Initiatoren für den Bau einer Kirche mitten im Dreißigjährigen Krieg, im Jahre 1630. Näheres erfahren wir aus dem sogenannten Register des Schlossers Georg Steinlin, der vom Tölzer Mühlfeld stammte. Er führte in den Jahren 1631 bis 1633 ein Baubuch über die „Cappelln auf dem Millfeldt“, in dem die Namen und Arbeitsleistungen von Handwerkern und Freiwilligen – heute würde man sagen: Ehrenamtlichen – sowie sonstigen Spendern vollständig aufgelistet sind. Auch Frauen halfen mit Geld- und Sachspenden und einige sogar mit Scharwerksdiensten beim Bau und der Ausstattung der Kirche mit.
Michael Wening: Ansicht des Marktes Tölz um 1703. Im Hintergrund in der Bildmitte ist der Vorgängerbau der heutigen Mühlfeldkirche zu erkennen.
Aus erster Hand überliefert ist auch die beachtenswerte Gründungsgeschichte: Die Idee zum Bau einer Kapelle entstand, als einige Handwerker aus Tölz beim Bier zusammensaßen und der Zimmermann Thomas Wörschhauser von seiner Absicht erzählte, eine kleine Kapelle zum Schutz und Trost der vom Krieg gebeutelten Menschen errichten zu wollen. Schnell waren die anderen dabei, Wörschhauser scheint den Menschen aus der Seele gesprochen zu haben. Man beschloss, dass jeder nach seinem Vermögen dazuhelfen solle. Auch dass die Kirche der Mutter Gottes geweiht werden sollte, war rasch entschieden und typisch für die damalige Zeit. Wegen eines geeigneten Grundstücks wandten sich die Initiatoren an den Rat von Tölz. Auch hier fanden sie sogleich Gehör. Der Magistrat stellte ein Gemeindegrundstück zur Verfügung, auf der die Kirche in den 1630er-Jahren als Gemeinschaftswerk der Gläubigen vor Ort errichtet wurde.
Magistrat contra Landesherr
Der große Einsatz für „ihre“ Kirche machte die Menschen selbstbewusst gegenüber der landesherrlichen Obrigkeit, als diese Mitte des 17. Jahrhunderts die weltliche Verwaltung der Kirche an sich ziehen wollte. Im Vordergrund standen ökonomische Gründe: Die Mühlfeldkirche hatte sich schnell etabliert und „Stockhelmaister“ Hans Kyrein fand gerade in den Notjahren des Dreißigjährigen Krieges seinen Opferstock stets gut gefüllt, was bei der Obrigkeit Begehrlichkeiten weckte. Doch im Rechtsstreit zwischen dem Tölzer Magistrat und dem damaligen Pflegsverwalter Eremiasus Paur um die Rechnungsführung der Kirche behielten die Tölzer die Oberhand. Sie brachten erneut vor, dass die Kirche ausschließlich von Bürgern und ohne Beteiligung des Landesherrn geschaffen worden war. Die Kurfürstin-Witwe entschied schließlich zugunsten des Tölzer Magistrats.
Neubau im 18. Jahrhundert und Deckenfresko von Matthäus Günther
Seit es die Mühlfeldkirche gab, strömten die Gläubigen dorthin. Die Kirche wurde schnell zu klein. Schließlich stellte der Magistrat von Tölz den Antrag, einen neuen, größeren Bau errichten zu dürfen. Zunächst mussten allerdings die Bedenken des Münchner Kurfürstlichen Rates ausgeräumt werden, dem der Bau zu „unproportioniert“ war, weil das Verhältnis von Längs- und Quermauern nicht stimmig sei. Ab September 1735, also gut 100 Jahre nach Errichtung der ursprünglichen Kirche, konnte dann mit dem Neubau begonnen werden. Er dauerte gut zwei Jahre und wieder waren viele Handwerker und Künstler aus der Region beteiligt.
Die bedeutendste und wertvollste Neuerung gegenüber der Vorgängerkirche ist das von Matthäus Günther gefertigte Deckengemälde „Maria Helferin der Kranken“. Allein dieses einmalige Deckengemälde lohnt eine Besichtigung der Mühlfeldkirche. Und nach der Lektüre von Franz‘ Buch weiß man auch ganz genau, wie das Fresko gelesen werden muss.
Deckenfresko von Matthäus Günther: Maria, Helferin der Kranken, 1737. Foto: Benno C. Gantner.
Pilger mit Hund – Ausschnitt aus dem Deckengemälde von Matthäus Günther. Die Person stellt wahrscheinlich Matthäus Günther dar. Foto: Benno C. Gantner.