Gela Samsonidse: Das Gegenüber als Spiegel
„Face to Face“ – ein Zyklus von Gela Samsonidse. Foto: Isabella Krobisch
Kulturtipp von KulturVision
„Face to Face“ nennt Gela Samsonidse seinen Zyklus, der derzeit in Schloss Ebergersch zu sehen ist. Darin stellt er die Frage nach Identität, Toleranz, Akzeptanz und Zugehörigkeit in der Gesellschaft. Letztlich geht es in jedem seiner Bilder um die Frage „Wer bin ich?“
Zugegeben, Zámek Dobrohoř (Schloss Ebergersch) liegt ein wenig abseits von Touristenströmen. Aber die Region, die sich Böhmisches Kanada nennt, ist unbedingt einen Besuch wert. Hier kann man Ruhe genießen, in den Wäldern herumstreifen, in den Seen baden und Kultur genießen. Man kann, von Bayern kommend, vielleicht noch touristisch in Krumlau beginnen, worüber wir an anderer Stelle berichten werden und über Budweis gen Osten fahren.
Kulturdenkmal im Dreiländereck
In Staré Město pod Landštejnem empfiehlt sich zunächst der Besuch der renovierten Burganlage und des daneben liegenden Stausees. Dann aber sollten Sie nach Süden fahren. Nach wenigen Kilometern sehen Sie auf der linken Seite das im klassizistischen Stil von 1842 bis 1847 nachgebaute Schloss. Es wurde bis 1945 von der deutschen Familie Wenzel-Sternbach bewirtschaftet und fiel dann in kommunistische Herrschaft. 2013 erwarb es die Familie Mužak und begann umfangreiche Renovierungsarbeiten. Ziel ist es, das Kulturdenkmal im Dreiländereck Böhmen, Mähren und Österreich zu einem Treffpunkt der Kultur umzugestalten. Es finden Ausstellungen und Konzerte statt, ein Café lädt zum Verweilen ein.
„Face to Face“ – ein Zyklus von Gela Samsonidse. Foto: Isabella Krobisch
Zur Zeit ist eine Ausstellung der georgischen Malers Gela Samsonidse in Zusammenarbeit mit der Kulturbrücke Fratres zu sehen. Der Künstler studierte in Tbilisi und lebt seit 1994 in der Nähe von Freiburg im Breisgau. Seine Werke sind in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland präsent.
Eigenständiges geschaffen
Nachdem er sich bei seiner Übersiedelung in den Westen zunächst der angesagten abstrakten Malerei zugewandt hatte, ist er in jüngster Zeit zur gegenständlichen Malerei zurückgekehrt und hat mit der Serie „Face to Face“ etwas Eigenständiges geschaffen, das den Betrachter zunehmend fasziniert, obzwar immer dasselbe Motiv dargestellt ist.
Gela Samsonidse: Mann und Frau. Foto: Isabella Krobisch
In jedem der großformatigen Bilder sitzen sich zwei Menschen gegenüber. Sie scheinen nicht miteinander zu kommunizieren, in einen Dialog zu treten, sondern jeder ist mit sich befasst. Da sitzen sie also, ziemlich steif, aufrecht, die Hände auf den Oberschenkeln, etwas angespannt wirken die Personen.
Gegenüber als Spiegel
Sie brauchen das Gegenüber nicht für den Austausch, sondern eher als Spiegel, um in meditative, selbstversunkene Haltung zu kommen. Irgendwie sieht es aus, als hätten sie für einen unsichtbaren Dritten Platz genommen, der sie in diese unbeabsichtigte Situation geführt hat.
Der Hintergrund der Bilder ist immer eine Wand, fest verschlossen, ein dahinter gibt es nicht. Nach vorn aber ist das Bild offen, der Betrachter ist eingeladen, an den stummen Dialogen, die eigentlich Monologe sind, teil zu haben. Gesprochen wird definitiv nicht, nur geschaut.
Gela Samsonidse: Doppeltes Selbstbildnis. Foto: Isabella Krobisch
Manchmal aber sind die Augen der Protagonisten auch geschlossen, wie in dem Doppel-Selbstporträt, das als Schlüssel für die Serie dienen kann. Hier ist der Monolog mit sich selbst am deutlichsten sichtbar. Gela korrespondiert mit Gela, dazu bedarf es keiner Sprache, noch nicht einmal der Blicke. Der Austausch findet auf einer anderen Ebene statt.
Gela Samsonidse: Zwei Mädchen. Foto: Isabella Krobisch
Andere Bilder sind offenkundiger, wie der Punk und die Muslima oder das brave Mädchen in der Tracht mit dem tätowierten Gegenüber. Sind es Wunschvorstellungen wie man sein möchte? Projiziert man seine Sehnsüchte in den anderen? Tiefgreifende Fragen sind es, die bei der Betrachtung der Bilder auftauchen. Es lohnt sich, dem georgischen Künstler aus Freiburg ins Böhmische Kanada zu folgen.