Auf einen Apéro à Paris mit Ekaterina Zacharova
Ekaterina Zacharowa „Melancholia – Rive Gauche“. Foto: IW
Ausstellung in Rottach-Egern und Rosenheim
Nach Havanna und New York entführt die Künstlerin die Betrachter in die Stadt der Liebe. Angeregt von Puccinis Oper „La Bohème“ gestaltete sie Bilder für die Bühne beim Immling Festival. In Rosenheim und Rottach-Egern ist jetzt der Paris-Zyklus in einer bemerkenswerten Doppelausstellung zu sehen.
Bereits seit 2010 fängt Ekaterina Zacharova die Atmosphäre unterschiedlicher Weltstädte mit ihren dynamischen Pinselstrichen ein. Mit „Apéro à Paris“ lotet sie die Facetten der Metropole aus, welche die Menschen seit jeher am meisten beflügelt: die Stadt der Liebe – und auch der Melancholie. Kühn sind ihre Lichtinszenierungen und poetisch die Geschichten, die sie über die Beziehungen zwischen den Protagonisten erzählt.
Künstlerin Ekaterina Zacharowa vor ihren Bildern. Foto: IW
Etwa sieben Mal ist die Gmunder Künstlerin in Paris gewesen, um die Stadt zu malen. Sie hat alle Tages- und Jahreszeiten auf sich einwirken lassen und deren unterschiedliche Licht- und Farbstimmungen. Ekaterina Zacharova hat die Menschen genau beobachtet – auf der Straße und vor allem in und vor den Cafés.
Faszinierende Komposition von Geschichten
In Paris sind Skizzen entstanden. In ihrem Atelier in Gmund hat sie aber nicht etwa diese Skizzen in Großformate umgesetzt. Sie dienen als Anregung, beflügeln die Fantasie. Zu Hause entstanden ganz andere, vollkommen neue Bilder. Die Künstlerin komponiert mit Pinsel und Farbe genau die Geschichten, die sie erzählen will und Orte, die es so nicht gibt. Es lohnt, sich mit viel Zeit und Ruhe auf die Bilder einzulassen und genau zu beobachten, was sie uns sagen.
Menschen in den unterschiedlichsten Situationen – während sich die Straßeszenerie durch die Glasscheibe spiegelt. Foto: IW
Bemerkenswert ist Ekatarina Zacharovas typischer lebendiger, fliegender Pinselstrich, der eine starke Dynamik in die Bilder bringt, die für die Beweglichkeit der Metropole steht. Zugleich gefrieren ganze Szenen ein, in denen die Zeit anhält, die Zeit des Wartens, des Müßiggangs, Zeit für Nachdenklichkeit, für Gespräche und Alleinsein. Ihre Herausforderung besteht im Ausloten der Gegensätze. So wie die Gegensätze in der Bewegung und der Ruhe faszinieren, sind es auch die Farben und Lichtverhältnisse sowie die Menschen in ihrem Da-sein, die kontrastieren.
Im Spiegel der Glasscheiben
Das großformatige Bild „Melancholia – Rive Gauche“ – unser Titelbild – lockt die Besucher in eine Abendstimmung. Draußen vor dem Café schwindet die Blaue Stunde, drinnen dominiert bereits das Neonlicht. Immer ist die Künstlerin und mit ihr der Betrachter Zeuge von Szenen, die sich im Draußen und Drinnen abspielen, vor und hinter der Fensterfront der zahlreichen Pariser Straßencafés. Die Glasscheiben spiegeln den Teil der Straße, der im Rücken des Betrachters liegt. Die Farben des Bildes dominieren in einem rauchigen Graublau, nur das Kleid der Frau, die mit lässiger Geste vor dem Café eine Zigarette raucht, springt ins Auge und setzt sich fort im Hintergrund der Straßenszene.
In ihren Bildern stecken unzählige Geschichten: Ekaterina Zacharowa „La vie en rose“. Foto: IW
Ekaterina Zacharova gestaltet mit dem Licht und den Farben dramatische Szenen voller Spannung, auch wenn auf den ersten Blick manchmal nichts zu passieren scheint. Wer sich die Bilder genauer ansieht, wird Zeuge von Flirts und Küssen, von liebevoller Zugewandtheit und Gleichgültigkeit, von Streit und Missverständnissen, von trauriger oder trotziger Einsamkeit. Mit liebevollen Details hat die Künstlerin die Eigenschaften der „Parisiens“ herausgearbeitet, Frauen wie dieser moderne Typ „Spatz von Paris“ können kaum irgend woanders auf der Welt leben. Mal ist es ein hervorblitzender Highheel, mal ein greller Lippenstift, eine verwegene Kurzhaarfrisur, ein mädchenhaftes Kleid, das lässige Halten einer Zigarette, die über die Einsamkeit und das Warten hinwegtröstet, die das typische Pariserische versinnbildlichen.
Impressionismus ins Heute transportiert
Die Farbstimmungen, das Licht, die Tages- und Jahreszeiten zeigen eine immer wieder neue Stadt. Regen spiegelt sich in Pfützen, auf Tischen, in tropfnassen Scheiben – das ist dann beispielsweise das stille, melancholische Paris, in dem der Maler Marcello aus „La Bohème“ im düsteren Café malt, um der Kälte der winterlichen Wohnung zu entfliehen.
Ganz anders und von luftiger Leichtigkeit ist das Bild „Jardin du Luxembourg“. Es trägt den Untertitel „Hommage an Max Liebermann“. Damit transportiert die Künstlerin das Thema des Impressionisten aus dem 19. Jahrhundert in die heutige Zeit – der Junge trägt Kopfhörer, das Mädchen raucht lässig. Die Bilder von Ekaterina Zacharova tragen impressionistische und expressionistische Züge in sich und werden zu einer eigenen Sprache. Ihre fliegenden Pinselstriche formen ein Zeitbild des zeitgenössischen Bohème urbaner Metropolen.
Ekaterina Zacharowa: „Jardin du Luxembourg – Hommage an Max Liebermann“. Foto: IW
Paris hat für die in Moskau geborenen Künstlerin Ekaterina Zacharova noch eine andere Faszination, die sich aus ihrer Herkunft nährt. Nach der Oktoberrevolution in Russland suchten in einer ersten Emigrationswelle über drei Millionen Russen in Paris eine neue Heimat. Demnach steht Paris für eine Nostalgie und Sehnsucht, aber auch für Melancholie und Heimweh. Die Stadt der Liebe hat viele Facetten.
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