„Heimat is da, wo i mi aufhäng“
Brezn ist Heimat – auch wenn sie manchmal grantig schaut Foto: Anschi Hacklinger
Musikalische Lesung in Miesbach
„Was macht’s denn ihr da?“ ist die Frage, die die drei SZ – Redakteure Hans Kratzer, Sebastian Beck und Andreas Glas des öfteren hören, wenn sie auf Recherche in ganz Bayern sind. Und genau davon erzählten und lasen sie am Samstagabend im Waitzinger Keller. Grandios begleitet wurden sie von der Unterbiberger Hofmusik.
Gleich zu Beginn des Abends wurde klar: dies ist ein Heimatabend der anderen Art. Kein rührseliger, aufgesetzter, krachat – lustiger Abend, sondern ein feiner, wohldosierter, vergnügter Abend. „Heimat ist nicht nur schön. Sie kann auch grob sein“, stellte Hans Kratzer voran. Und ein Zitat von Franz Dobler: „Heimat ist da, wo i mi aufhäng“. Manchmal liegt es eben nah beinander, das Schöne, Gute, Vertraute und das Befremdende, Grobe, Entsetzliche. Etliche Beispiele werden aufgeführt – und immer wieder blitzt ein gehöriges Quentchen Galgenhumor durch.
Andreas Glas und Hans Kratzer von der Süddeutschen Zeitung Foto: AH
Der allerschönste bayrische Fluch
Der ehemalige Bierfahrer und heutige Kolumnenschreiber Hans Kratzer mag es deftig und weiß eine Menge Anekdoten, die er im Laufe seines langen Berufslebens gesammelt hat. Unter anderem den allerschönsten Fluch, den ehemals ein Kollege in Richtung Wegkreuz hören ließ, nachdem ihm alle Bierfässer vom Lastwagen gekippt waren: „Ja du Ognagelter, du Kreizsarkra, steig oba!“
Die Frage, die sich die drei SZ-Redakteure stellten: „Wo ist das wahre Bayern?“ Im beschaulichen, bilderbuchschönen Oberbayern? Im nebligen Niederbayern mit den vielen Monokulturen voller Mais? Muss Heimat unbedingt schön sein? Sebastian Beck verneint – er fährt gerne dorthin, wo’s greislig ist. Gäuboden im Dezember, zum Beispiel. Bayern sei eben ein Gesamtkunstwerk. Im übrigen seien die bayerischen Richtungsadverbien sowieso ein Kapitel für sich: von Gmund auf Miesbach umme, auf Wall obi, nach Warngau auße, nach Rottach eine, auf Tölz umme…
„Du semitalentierter Lohnschreiber!“
Leicht ist es nicht immer, das Journalistendasein, da sind sich die drei einig. Ist doch die Wahrheit oft nicht gern gehört und der Überbringer der Böse. So geschehen nach dem Schmiergeldskandal von Regensburg, den Andreas Glas über zweieinhalb Jahre recherchierte. Oder nach der Reportage im Rottal, die nicht ausschließlich wunschgemäß ausfiel und wüste Telefonate nach sich zog. „Ja freili stimmt’s, aber des hoaßt no lang ned, dass ma’s aa schreib’n muaß, du semitalentierter Lohnschreiber!“
Sebastian Beck und Hans Kratzer Foto: AH
An diesem Abend jedoch hatten alle Akteure eine Menge Spaß, die Schreiberlinge wie die Musiker. Und das Publikum sowieso. Das sei ja auch der Grund, warum sie, so Sebastian Beck, immer wieder diese Abende gestalten: Zwengs der Gaudi. Und um näher an die Leser zu kommen und zu vermitteln, dass sie eben nicht nur in München im Hochhaus säßen, sondern quer durch ganz Bayern unterwegs.
Grandios und überall unterwegs: die Unterbiberger Hofmusik
Im Gegensatz zu den Kollegen von der Musik – die sind in der ganzen Welt unterwegs und spielen Konzerte in Marokko,Tunesien, Ägypten, Mexiko etc. Auch in Miesbach musizierten sie bayrische, türkische und arabische Volksmusik, die sich mühelos vermischte und wieder trennte. Und so wunderbar deutlich machte, wie problemlos die Begegnung verschiedener Kulturen sein kann, wenn man es nur respektvoll und achtsam angeht.
Im Bild: Franzi Himpsl, Franz Himpsl, Xaver Himpsl, Leo Himpsl von der Unterbiberger Hofmusik Foto: AH
Auf jeden Fall spielten sie sehr fein und sehr virtuos auf, die sechs Musiker der Unterbiberger Hofmusik. In Anbetracht der famosen Musik fragten sich sich die Redakteure selber – wer begleitet hier eigentlich wen? Die Musiker die Redakteure oder umgekehrt? Egal. Schön war’s.
Zum Schluss des äußerst unterhaltsamen Abends im Waitzinger Keller wurde mit dem Publikum gemeinsam gesungen: „Heit gibt’s a Rehragout“ – auf ägyptisch. Geht, kein Problem, und es klingt auch gut.