Begeisterung ist Brennstoff für die Seele
Begeisterung. Foto: pixabay
Philosophischer Tag in Valley
Beim fünften Philosophischen Tag in der Anderlmühle ging es um einen landläufigen Begriff, der es in sich hat. Christoph Quarch, Philosoph aus Fulda, führte die Teilnehmer in die Tiefen und Untiefen der Begeisterung und gemeinsam fand man mit Hilfe der Philosophie zu einer praktikablen Lösung.
Das Bild zeigt es, unter Begeisterung versteht man üblicherweise einen wünschenswerten Zustand ausgelassener Freude und emotionaler Erregung. Wir strotzen von Energie und Tatendrang. Aber woher kommt dieser Zustand? Im Brockhaus von 1837 hatte Christoph Quarch einen spannenden Ansatz gefunden. Da heißt es, dass dieser Seelenzustand durch äußere Veranlassung, Gedanken und Bilder, die die Seele erfüllen und letztlich durch Inspiration erzeugt wird.
Begeisterung ist Seinszustand
„Begeisterung hat also etwas mit Geist zu tun.“ Diese Aussage des Philosophen prägte den Tag. Schon die Sprache gebe uns wichtige Hinweise, meinte Christoph Quarch. Man sagt: „Etwas hat mich begeistert“, das sei also kein aktives Tun und man könne es auch nicht bewirken, sondern Begeisterung sei ein Seinszustand, der dem Menschen widerfahre, wenn er sich dafür öffne.
Der Fuldaer Philosoph Dr. Christoph Quarch. Foto: MZ
Was aber sei es, was da von außen an uns herantrete? Das Wort Enthusiasmus bedeute die Präsenz des Göttlichen, die nicht willentlich herbeiführbar sei. Das Wort Inspiration beinhalte Einflößung des Geistes, des Atems, auch, dass der Geist wehe wo er wolle, man müsse ihn nur einatmen.
Neben der Sprache hält auch die Hirnforschung Ansätze bereit. Christoph Quarch zitierte den Neurobiologen Gerald Hüther, der Begeisterung als wichtigsten Faktor für das Lernen hält. Begeisterung erzeuge neue synaptische Verbindungen, wodurch sich das Gehirn ständig entwickle.
Resonanz und Erweiterung
Im Gespräch erzählten die Teilnehmer ihre Erfahrungen, wie sie Begeisterung erleben. Da ist von Selbstvergessenheit und Funken überspringen die Rede, von Zulassen und Überraschung, von Unberechenbarkeit und von In-die-Glieder-fahren, von Resonanz und Erweiterung.
Christoph Quarch fasste zusammen: Inneres Wachstum durch Begeisterung entstehe dann, wenn mir etwas zuteilwerde, was ich nicht willentlich erzeuge. Hölderlins Satz: „Wie unvermögend ist doch der gutwilligste Fleiß der Menschen gegen die Allmacht der ungeteilten Begeisterung“ spricht das aus.
Begeisterung und Fanatisierung
Aber was ist es, was mich begeistert? Wenn etwas größer ist als ich und ich mit diesem unerwartet in Resonanz trete. Das kann Musik, ein Kunstwerk, die Natur, die Begegnung mit Menschen sein. Aus diesem Handwerkszeug, so Quarch, könne man nun einen Zaubertrank mixen, um andere zu begeistern. „Das nennt man dann Demagogie und Manipulation.“ Wo also liegt der Unterschied zwischen Begeisterung und Fanatisierung?
Im Dialog am Mangfallknie. Foto: MZ
Die Aufgabe beim philosophischen Spaziergang an der Mangfall bestand darin, in Zweiergruppen den Unterschied zwischen „guter“ und „schlechter“ Begeisterung herauszufinden. Fazit war, dass immer dann, wenn beim Begeisterer eine Absicht dahintersteckt, Vorsicht geboten ist. Das zweite Kriterium, so schlug Christoph Quarch für eine „schlechte“ Begeisterung vor, sei, wenn man sich nicht für sondern gegen etwas begeistert.
Den guten Geist als Verursacher der Begeisterung erkenne man daran, dass man ergriffen ist und für etwas Sinnvolles wirkt, das dem Leben förderlich ist.
Wir verstehen den Sinn der Welt
Diesem guten Geist ging der Philosoph noch etwas tiefer nach. Geist als Spirit treffe man in der griechischen Philosophie in der Bezeichnung „Nous“. Damit wird die Ordnung des Kosmos bezeichnet, was die Welt im Innersten zusammenhält. „Wenn dieser Geist bei uns aufleuchtet, dann verstehen wir den Sinn in der Welt und sind begeistert“, sagte Christoph Quarch. Auch im Begriff „Daimon“ zeige sich der Geist, denn das seien Wesen, die zwischen der Welt der Götter und der Menschen vermitteln. „Sie geben Kunde von der Sinnhaftigkeit“, meinte Quarch und zeigte als Beispiel Eros, der wohl im Menschen die größte Begeisterung auslöse.
Der Philosoph in einer Seminarpause. Foto: MZ
Letztlich stecke der Geist auch in „Pneuma“, in der christlichen Tradition als Heiliger Geist bekannt, als Schöpfergeist, der für die Erschaffung der Welt und deren permanenter Neuerschaffung verantwortlich sei.
Zusammengefasst also stehe der Geist für die Sinnhaftigkeit der Welt oder die Schöpferkraft des Menschen oder den Einfluss eines Daimons. „Immer dann, wenn etwas ins Leben trifft, das es sinnhaft und lebendiger werden lässt, geschieht Begeisterung“, sagt Christoph Quarch. Da öffne sich eine neue Dimension dort, wo die Sprache versage. Und ganz klar, der Feind des Geistes sei das wollende Ego.
Der Geist scharrt mit den Füßen
Und wo wehe der Geist in der Gesellschaft? „Hier!“ rief der Philosoph. Der Geist scharre mit den Füßen, hier in dieser Gruppe entstehe eine Keimzelle, hier im Dialog der Menschen könne Begeisterung entstehen und in die Welt getragen werden.