Das Jammertal ist hier
Krimischriftsteller Martin Calsow und sein neuestes Titelcover. Foto: KN
Krimitipp der Redaktion
Martin Calsow hat mit dem sechsten Fall seines sperrigen ehemaligen LKA-Beamten, der inzwischen privater Ermittler ist, wieder einen hoch spannenden Krimi vorgelegt. Ein Segelboot fliegt auf dem Tegernsee spektakulär in die Luft – und im Tal ist nichts mehr, wie es war.
„Quercher und das Jammertal“ heißt Martin Calsows Krimi Nummer sechs, der von den eingefleischten Fans schon sehnlichst erwartet wurde. Jammern auf hohem Niveau, das ist nichts Seltenes rund um den Tegernsee, wo es allen Menschen gut, wenn nicht bestens geht. Der Bad Wiesseer Krimischriftsteller hat sich wieder umgesehen und umgehört – in kleinen Lokalen wie einer gewissen Tagesbar in der Rottacher Hauptstraße, am Leeberghof, in privaten Zirkeln – Orten, die in seinem Krimi Wierderkennungswert haben. Zudem hat er über Monate im rechten Milieu recherchiert und Verfassungsschützer sowie Politologen über die neuen Netzwerke der Rechten befragt: Wer hat die Macht im Tal? Wie würde Geld – viel Geld – die Machtgefüge und Allianzen verändern?
Kritischer, ironischer, zärtlicher Talblick
Martin Calsows Vorteil: Dem Journalisten ist eine unbezwingbare Neugier eigen. Zudem ist er im Tal bestens vernetzt. Er kennt sowohl die Marotten der Einheimischen wie die der Zugezogenen, der einfachen Leute und der Superreichen, der an den Wochenenden wie Heuschrecken einfallenden „Schadmünchener“ und auch die Lokalpolitik. Mit akribischer Präzision, manchmal bitterböse, aber oft auch mit zärtlichem Blick auf das Tal bohrt er wieder in allerlei Wunden, stochert in Wespennestern herum und bringt Erstaunliches zutage, das seine Fantasie beflügelt, um daraus einen brisanten Krimi zu stricken.
Lesetipp: Schreibseminar mit Krimimeister Martin Calsow
Im neuen Quercher mischen sich die Machenschaften russischer Oligarchen mit denen der superreichen Immobilienhaie, die mit ihren Millionen längst nicht mehr nur die große Landespartei mit ehemaligem Sitz in Wildbad Kreuth unterstützen. Die neue Elite hat weitaus größeres im Sinn: eine Umwälzung der Gesellschaft, einer perfiden Revolution gleich, ein Paukenschlag gegen alle Gutmenschen und ihre Mildtätigkeit. Zugleich ist es ein Schlag gegen die alten Parteien, denn längst werden neue Seilschaften geschmiedet.
Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal und Immobilienhaie
Zu allem Überfluss sieht Quercher auch seine Ex-Freundin Regina von Valepp in die neue Richtung drängen. Ex-Freundin? Ja, es hat sich einiges getan seit dem letzten Band: Der sturköpfige, ewig grantelnde Quercher ist wieder Single, mit künstlicher Hüfte, Kollegin Arzu und ihrem kleinen Max-Ali an der Backe, aber selbstgewählt. Quercher und Arzu arbeiten gemeinsam – selbständig. Bis ein neuer Auftrag alles verändert. Der kommt ausgerechnet von einer Person, die Max Quercher kennt wie keine zweite: seine ehemalige Lehrerin Friederike Huntzinger, die sich in einer Schutzgemeinschaft für das Tegernseer Tal engagiert.
Rasch liegen ein paar Tote auf dem explodierten Segelboot, vor einem Münchener Hochhaus und am Bahnübergang in Gmund. Quercher, Arzu und die neue Ermittlerin Judith Goldberg vom LKA in München, die ganz auf sich gestellt undercover ermitteln muss, bilden bald ein ungleiches Trio.
Welche Rolle spielt das Armin-Mohler-Institut in der Schweiz, das von neureichen Zwillingen aus dem Tegernseer Tal betrieben wird? Inwieweit haben die Russen ihre Hände im Spiel – und wieweit der Verfassungsschutz? Warum hat das alte Herrenhaus am Bauer in der Au einen Panik-Room und welche Rolle spielen Skylla und Charybdis, die Meeresungeheuer aus der griechischen Mythologie?
Quercher Krimi bekommt Nachwuchs
Martin Calsow hat wieder einen vielschichtigen, hoch spannenden Krimi gewoben, bei dem der Leser ganz schön gefordert ist, dabei zu bleiben, damit ihm nichts entgeht. Denn es wird nicht nur gejammert im Jammertal. Die sich rasant entwickelnde Situation erfordert einen Wettlauf gegen die Zeit. Ein Ruhepol sorgt für zärtliche Sequenzen in diesem dynamischen Krimi. Es ist Martin Calsows und somit Max Querchers neuer Hund Otto – mit langer Schnauze und treuem Blick, ein Zwergdackel.
Ansonsten hetzt der Krimischriftsteller seine Leser in diesem spannenden Krimi atemlos über die Seiten und sein Alter Ego grantelt dabei wie gewohnt aufs Schönste. Wenn es mal ausnahmsweise ganz ruhig zugeht, genießt er ein resches Bauernbrot mit Schnittlauch oder einen Joint. Aber dazu bleibt ihm in dieser spannungsreichen Geschichte wenig Zeit. Schließlich führt das Finale hinauf in die Berge. Von dort oben blickt der Krimischriftsteller zuweilen hinab auf sein Jammertal. Und gewiss fallen ihm dort oben schon wieder neue Ideen zum Quercher Nummer sieben ein.
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