Hört den Pflanzen zu
Hilge Dennewitz – Feldstudien zum Wesen der Pflanzen. Foto: Norbert Herbert
Ausstellung in Waakirchen
Alle Pflanzen sind Lebewesen, ebenso wie Menschen und Tiere. Das zu zeigen ist Künstlerin Hilge Dennewitz ein Anliegen, denn sie werden viel zu selten als solche wahrgenommen. Ihre farbenprächtigen, behutsamen, genau beobachteten Bilder sprechen zum Herzen.
Die Gmunder Malerin ist im Landkreis und darüber hinaus für ihre abstrakten Bilder bekannt. Oft entspringen sie der Musik, dem Hören. Diesmal hat sie die Ohren besonders weit geöffnet und ihr Herz dazu. Sie hat den Pflanzen zugehört. Hat ihnen beim Wachsen zugesehen. Ist gewissermaßen mit ihnen verwachsen. Hat sich auf die Frequenz der Pflanzen eingeschwungen, auf die Stimmen und den Herzschlag der Lauchstengel und Tomaten, der Maiskolben und Kamillenblüten, Kohlrabi und Kohlköpfe, Cosmea und Ringelblumen. Was sie gemacht hat: mit allen Sinnen sehen. Und genau das hat sie dann zuerst aufs Skizzenpapier und dann auf die Leinwand gebracht. Abstraktes Malen kam bei diesem Herzensprojekt indes nicht infrage, damit wäre sie dem Wesen der Pflanzen nicht gerecht geworden.
Biogärtnerin Eva Vogel und Künstlerin Hilge Dennewitz (v.l.). Foto: IW
Die Beobachtungen sind einen ganzen Sommer lang im Gewächshaus in Evas Paradiesgarten in Waakirchen entstanden. Norbert Herbert, Fotokünstler und Ehemann von Hilge Dennewitz, hatte die kleine demeter-Biogärtnerei entdeckt. Sie versteckt sich am Ortsrand von Waakirchen. Tag für Tag hat er die Künstlerin von Gmund nach Waakirchen gefahren und sie oft bei ihrer akribischen Pflanzenbeobachtung mit der Kamera unterstützt.
Hunderte von Skizzen
Hilge Dennewitz hat weit über einhundert Skizzen gefertigt. Sie hat Tag für Tag das Entfalten der Kohlblätter festgehalten, das Erröten der Tomaten. Hat den Kater Lorenz lieb gewonnen und Charly, den Hund des Hofes, die Biogärtnerin Eva und die fleißigen Hände ihrer Helfer.
Gemüse, Blumen, Kater Lorenz – alle sind Lebewesen. Foto: Norbert Herbert
Alle haben sie ihren Platz in dieser detailgenauen Liebeserklärung der Künstlerin an das pralle, gesunde, blühende Leben gefunden. Hilge Dennewitz hat sich diesem Projekt mit großer Hingabe genähert, ist tiefer und tiefer im Inneren der Pflanzen getaucht, um ihr Wesen zu erfassen. „Unvorstellbar, was eine Pflanze macht, bis sie groß wird, wie viel Formen sie durchläuft…“, sagt sie mit Ehrfurcht.
Feldforschungen in der Biogärtnerei
Genau darum ging es ihr: diese Ehrfurcht vor den Pflanzen als Lebewesen wieder zu erwecken – aus der künstlerischen Sicht. Die Ergebnisse ihrer Feldforschungen in der Biogärtnerei sind jetzt genau dort zu sehen, wo sie entstanden sind, wo sie hingehören: in Evas Paradiesgarten in Waakirchen. Man spürt und sieht – es ist eine Liebeserklärung. Die kraftvolle Erde dient als Grundierung der Bilder, sie ist die Basis zum Wachsen der Pflanzen und gleichwohl die Basis für dieses ungewöhnliche Malerei-Projekt.
Das Wesen der Pflanzen und Tiere – Hilge Dennewitz hat es malerisch erforscht. Foto: IW
Und die weißen Linien? „Keine Form steht absolut fest“, sagt Hilge Dennewitz. Die Pflanzen verändern sich unaufhörlich. Sie habe diese Wandelbarkeit, die starr festzuhalten nicht dem Wesen der Pflanzen entspräche, deshalb mit weißen Konturen gefasst, weil sie Raum zulassen. „Die Formen werden nicht eingeengt. Sie dürfen weiter gehen“, sagt die Künstlerin. Außerdem enthalte Weiß alle Farben – genau so wie die wunderbare Vielfalt der Pflanzen und Blumen auch. Der allzu sorglose Umgang der Menschen tue ihr im Herzen weh. Als sie das Wesen der Pflanzen so akribisch beobachtete und erforschte, habe sie es begriffen: „Es sind wunderbare Lebewesen, denen wir mit Respekt begegnen müssen.“
Feldstudien mit Herz – Hilge Dennewitz. Foto: Norbert Herbert
Die Bilder von Hilge Dennewitz werden nun eine ganze Weile an den Wänden des in warmem Gelb gehaltenen Verkaufsraumes von Evas Paradiesgarten in Waakirchen hängen bleiben. Sie sollen sich indes nicht in den Vordergrund drängen, sie bilden keine Verkaufsausstellung. Sie sind einfach da. Das macht der Gmunder Künstlerin Freude und auch die Kundinnen und Kunden der Biogärtnerei sind begeistert. Und nebenbei bemerkt – das Gemüse ist ungemein g’schmackig und knackig. Aber das probieren Sie sicher selbst bald aus.
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