Pinselstriche aus lebendigem Licht

Joaquín Sorolla, Valencianische Fischer, 1895. Foto: Veranstalter

Austellung in München

Wenn man in Madrid in die ruhige Calle General Martínez Campos gelangt und die Pforte zum Museo Sorolla durchschreitet, betritt man ein kleines Paradies: Das Refugium des großen Naturalisten, heute Gedenkmuseum. 1920 hat Joaquín Sorolla in ebendiesem erquicklichen Garten, der ihm Inspirationsquell und Rückzugsort war, während des Malens einen Schlaganfall erlitten. Wandelt man heute durch die Räume, geht auf den knarrenden Dielen der Familie Sorolla, fühlt man sich dem Meister nahe. Und mitten in der stickigen Hitze des Madrider Großstadtsommers vermeint man Meereskühle zu verspüren, vernimmt das Rauschen der Wellen, fühlt sich geblendet von tanzenden Sonnenstrahlen, angesteckt vom Lachen spielender Kinder im Wasser und ist einfach perplex. Dieses Leuchten! Diese gleißend hellen Reflexe, die tanzenden Sonnenstrahlen! Diese wassernasse Haut! Ja, wer sich dahin verirrte, hat sich vielleicht gefragt: „Warum habe ich zuvor noch nie etwas von diesem Maler gehört?“

Zeugnis der Lebenskraft des Meeres und der üppigen Landschaft

Denn wie kein Zweiter hat Joaquín Sorolla es verstanden, das mediterrane Licht Spaniens in Farben zu fassen. Er gilt als bedeutendster spanischer Maler der Jahrhundertwende, als Begründer des „Luminismus“. Einige Kunstkritiker erfanden gar den Namen „Sorollismus“ für seinen speziellen Malstil. Insbesondere verdankt er seinen Ruhm den Bildern am Meer von Valencia. Er malte stets im Freien. In unvergleichlicher Lebendigkeit fing er Pinselstrich um Pinselstrich das Lichtspiel auf den Wellen ein, Schaumkronen, tanzende Reflexe. Unterschiedliche Wassertiefen schimmern in Ultramarin, Kobaltblau und Smaragdgrün. Das Glänzen des nassen Wassers auf der Haut, das so unglaublich realistisch aussieht, malte er in reinem Weiß. Erst wenn man ganz nah vor den Bildern steht, zerlegt das Auge die Farben in Pinselstriche. Das Alltagsleben der Fischer, Kinder beim Baden und die Familie Sorolla waren seine liebsten Motive. Mit dem Erfolg, den er ehrgeizig suchte, kamen Porträts berühmter Zeitgenossen dazu. Er malte sogar den damaligen Amerikanischen Präsidenten im Weißen Haus. Immer wieder wurde er mit Diego Velázques verglichen.

Aber die Natur ist das Allerhöchste

Statt sich dem Impressionismus anzuschliessen, blieb er dem Naturalismus treu, indem er ihn zugleich erneuerte. In einer Zeit, in der sein Land im Krieg mit Amerika stand, 1898 all seine Kolonien verlor, und seine künstlerischen Zeitgenossen sich ehr düsteren Themen zuwandten, „malte“ er ein kraftvolles, optimistisches, lebensbejahendes Spanienbild. Das hat ihm nicht nur Freunde und Bewunderer eingebracht. Insbesondere unter den Künstlern der sogenannten „89er-Bewegung“, in ebenjener „schlechten Zeit“ Spaniens wurde er verschmäht. Andererseits war er als Maler wie kaum ein anderer bereits zu Lebzeiten sehr erfolgreich und nahm an Ausstellungen von Paris bis New York, Chicago, Venedig und München teil. Während sich die Weltkunstszene wandelte und seine Zeitgenossen der Avantgardistischen Kunst zuwandten, malte er folkloristische Motive in den kleinen Dörfern Kastiliens, ein monumentales Auftragswerk der „Hispanic Society of America“. Diese letzte Schaffensphase war auch der Hauptgrund, warum Joaquín Sorolla zunächst in Vergessenheit geriet. Zu Unrecht. In den großzügigen Räumen der Kunsthalle entfaltet sich nun die Strahlkraft seiner Bilder. Es ist die erste große Retrospektive in Deutschland mit 120 Werken aus allen Schaffensphasen. Die Ausstellung wird von einem vielfältigem Rahmenprogramm zu spanischer Kunst, Kultur und Sprache begleitet und ist noch bis zum 03.07.2016 zu sehen.

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