Nachhaltigkeit im Finanzwesen

Die Graugänse an der Spitze

Das Podium: Konrad Buckel, Rudolf Hogger, Algaf „Ali“ Sene, Josef Göppel, Markus Vogt und Moderator Julian von Löwis (v.l.). Foto: Frank Strathmann

Podiumsdiskussion in Holzkirchen

Ende vergangenen Jahres wurde die Raiffeisenbank Holzkirchen-Otterfing mit dem Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. Jetzt lud sie zu einer Podiumsdiskussion „Nachhaltigkeit – regional und global“ ein. BR-Landtagskorrespondent Julian von Löwis moderierte souverän einen gelungenen Abend.

Eine Bank? Nachhaltig? Vorstandsvorsitzender Konrad Buckel erklärte im voll besetzten Saal des KULTUR im Oberbräu, wie es dazu kam, dass sich die Mitarbeiter der Raiffeisenbank Holzkirchen-Otterfing Gedanken über ihre Geldanlagen gemacht haben. Bis zur Finanzkrise habe man nicht gewusst, wo das Geld hingehe.

Nachhaltigkeit im Finanzwesen
Gastgeber Konrad Buckel. Foto: Frank Strathmann

„2014 war die Geburtsstunde“, sagte er. Eine Kundenbefragung habe ergeben, dass für 80 bis 90 Prozent der Kunden eine ethisch fundierte Anlage wichtig sei. Aber auch bei Sparkunden und Kreditvergaben an den Mittelstand und Privatpersonen arbeite man zweckbestimmt. Durch Transparenz wolle man das Vertrauen der Bürger in die Finanzbranche zurückerobern. Der Abend sei dazu da, das Finanzwesen aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten.

Nachhaltigkeit im Finanzwesen
Rudolf Hogger bei seinem Statement. Foto: Frank Strathmann

Dem fairen Handel hat sich seit vielen Jahren das Ehepaar Renate und Rudolf Hogger aus Otterfing verschrieben. Als Vorsitzender des Vereins Weltladen konstatierte Rudolf Hogger: „Wir sind regional, fair und nachhaltig:“ Fairer Handel fördere Vielfalt und erhalte kleinbäuerliche Strukturen. Dagegen zerstöre der Export von Textilien oder Geflügel von Europa nach Afrika die dortige Wirtschaft. Andererseits sei das Entwicklungsland Ruanda in Sachen „Plastikfrei“ ein Vorbild.

Nachhaltigkeit im Finanzwesen
Algaf „Ali“ Sene bei seinem Statement. Foto: Frank Strathmann

Ein erfolgreiches Finanzmodell stellte Algaf „Ali“ Sene, Vorsitzender der „Hilfe für die Straßenkinder“ von Mbour vor, der in seinem Heimatland Senegal Mikrokredite für Frauen vergibt. Diese können sich daraus eine eigene Existenz aufbauen, so produzieren sie beispielsweise Waschmittel.

Geld macht glücklich, wenn …

„Geld macht glücklich, wenn man es richtig einsetzt“, sagte der integrierte Holzkirchner, der sich für die regionale Unterstützung bedankte und forderte: „Jeder Mensch muss sich eine gesunde Ernährung leisten können.“

Nachhaltigkeit im Finanzwesen
Josef Göppel in der Diskussion. Foto: Frank Strathmann

Mit Josef Göppel hatte man einen CSU-Politiker eingeladen, der als Energieberater für Afrika wirkt und sich gegen Wohltätigkeit und für den Aufbau eines Handwerkerstandes in Afrika aussprach. Die Stromversorgung müsse angekurbelt, die Dörfer müssten belebt werden.

Bäume haben eine Grenze beim Wachsen

Es sei tröstlich, dass Trends der nachhaltigen Entwicklung in das Parlament schwappen. Zurückschwappen allerdings vermisse man, war eine Reaktion aus dem Publikum. Zum Thema Wachstum konstatierte der gelernte Förster: „Bäume haben eine Grenze beim Wachsen.“ Man habe allzu lange der Natur alles abgerungen. Für seine Bemerkung „die konservative Partei verrät den konservativen Gedanken“ erhielt er anhaltenden Beifall.

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Professor Markus Vogt in der Diskussion. Foto: Frank Strathmann

„Wie funktioniert die notwendige Veränderung?“ fragte der Theologe Markus Vogt. Der Professor für Umweltethik an der LMU München, der auch die Katholische Kirche in Umweltfragen berät, zitierte Elinor Ostrom. Man brauche Pioniere, wie Unternehmer oder Banken. Es brauche einen Wertewandel in der Bevölkerung, der schon eingesetzt habe, und dann müsse die Politik tätig werden. Wie bei den Graugänsen, warf Göppel ein, im Schwarm setze sich eine Gruppe an die Spitze.

Finanztransaktionssteuer

Darüber hinaus forderte Markus Vogt vehement die Einführung der Finanztransaktionssteuer, was Josef Göppel befürwortete: „Der Kapitalismus frisst sich selber auf“, zitierte er und stellte fest, dass zwölfmal so viel Kapital fluktuiere wie in der Realwirtschaft vorhanden sei.

Radikales Umsteuern nötig

Ein radikales Umsteuern hin zu einem anderen Gesellschaftsmodell sei erforderlich, denn es gebe zunehmend Kollapsprobleme. „Wenn wir die Kehrtwende in den nächsten Jahren nicht schaffen, sind unsere Standards von Wohlstand weg“, konstatierte Markus Vogt. Die Klage von Umweltschützern gegen die Bundesregierung wegen Nichteinhaltung der Pariser Klimaziele sei ein Anfang.

Das Arten- und Sprachensterben als Ausdruck des ökologischen und kulturellen Verfalls geißelte er ebenso wie das fehlende Gewissen der globalen Finanzmärkte. Er forderte einen TÜV für das Finanzsystem.

Fachkundiger und eloquenter Moderator

Unter der fachkundigen und eloquenten Führung durch den Moderator Julian von Löwis entwickelte sich ein reger Austausch zwischen den Experten im Podium und dem Publikum. Dabei kam immer wieder zur Sprache, dass individuelle Veränderung der Lebensgewohnheiten und eine Umkehr in den politischen Rahmenbedingungen zusammen gehen müssen.

Und das sind die Appelle der Experten:

Rudolf Hogger: Das Kapital soll kleine ökologisch geführte Betriebe fördern.
Algaf „Ali“ Sene: Jeder soll selbst nachhaltig leben, um die Welt zu retten.
Josef Göppel: Energie, Wasser und Lebensmittel regional erzeugen.
Konrad Buckel: Ideen zur Nachhaltigkeit an die Raiffeisenbank herantragen.
Markus Vogt: Jeder möge selbst die Veränderung sein, die er sich wünscht und seinen Horizont erweitern.

Nachhaltigkeit im Finanzwesen
Die Schecks nehmen entgegen: Wolfgang Huber von „Holzkirchen hilft“, Rudolf Hogger vom Weltverein, Algaf „Ali“ Sene von „Hilfe für die Straßenkinder“, überreicht von Konrad Buckel und Peter Ungelenk. Foto: Frank Strathmann

Zum Schluss hatte Konrad Buckel noch drei Schecks parat: Für den Weltverein, für die „Hilfe für die Straßenkinder“ und für „Holzkirchen hilft“. Er durfte im Gegenzug das Kompliment von Josef Göppel entgegennehmen: „Ihr seid die Graugänse an der Spitze.“

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