Zweimal vertrieben
Florian Bachmeier in seiner Ausstellung in Miesbach. Foto: Isabella Krobisch
Alois Beyer – Verlorene Heimat, nennt Florian Bachmeier seine Fotoausstellung im Waitzinger Keller – Kulturzentrum Miesbach. Dem renommierten Fotokünstler gelingt es, den doppelten Verlust von Heimat mit Schwarz-Weiß-Bildern eindrucksvoll und empathisch wiederzugeben.
Schon die zwei Fotografien auf der Einladung lassen den Betrachter nicht mehr los. Ein zerfurchtes Gesicht, der Blick nach unten, die gebeugte Haltung beim Öffnen der Tür. Daneben sind Hosen mit Hosenträgern zum Trocknen aufgehängt. „Diese ausdrucksstarken Fotos sprechen Bände“, zeigte sich Miesbachs Bürgermeisterin Ingrid Pongratz bei der Vernissage berührt.
Alois Beyer. Foto: Florian Bachmeier
Auch Florian Bachmeier ließ sich vom Schicksal des weitläufigen Verwandten berühren. Alois Beyer habe eine Biografie mit zahlreichen Wendungen erlebt, erzählt er. Aber trotz der vielen Schicksalsschläge sei er ein unglaublich warmherziger Mensch gewesen. Er habe sich trotz allem arrangiert, sei zufrieden mit seinem einfachen Leben gewesen.
Alois Beyer. Foto: Florian Bachmeier
1945 wurde er mit seinen Eltern und sechs Geschwistern aus Tschechien vertrieben. Nach einem kurzen Aufenthalt im ehemaligen KZ Dachau kam er als 15-Jähriger zu einem Bauern auf der Reith (Gmund). Dort blieb er allein als Knecht zurück und heiratete die viel ältere Tochter des Bauern. Bald aber erkrankte seine Frau an Krebs und er pflegte sie bis zu ihrem Tod.
Rosalies Bett. Foto: Florian Bachmeier
Er habe ihm viel aus seiner alten, verlorenen Heimat in Tschechien erzählt, sagt Florian Bachmeier und sich immer gefreut, wenn er ihn einmal besucht habe. Dabei entstand vor etwa zwanzig Jahren die erste Serie von Fotografien, noch analog.
San Benedetto. Foto: Florian Bachmeier
Zu der Zeit ging es Alois Beyer noch recht gut, er hatte ein paar Kühe und Ziegen und lebte sein schlichtes, geselliges und sehr religiöses Leben. Davon zeugen die Fotografien, wo er in der Thomasnacht am Grab der Schwiegereltern kniet, oder wo er im Gebet seine Hände auf dem Buch liegen hat.
Gebet. Foto: Florian Bachmeier
Dann aber wurde er selbst krank, überschrieb den Hof in Hoffnung auf Versorgung einem Nachbarn. Damit, so erklärt Florian Bachmeier, habe er seine neue Heimat wiederum verloren. Er sei nicht mehr existent auf dem vormals eigenen Hof gewesen.
Er war einsam
Was er aufgebaut hatte, war weg. Die Freundschaften, die der gesellige Mann geschlossen hat, lösten sich mit seiner Krankheit auf. Er war einsam.
Joss Bachhofer bei der Vernissage. Foto: Petra Kurbjuhn
In diesen letzten Jahren zwischen 2011 und 2012 besuchte ihn der Fotograf erneut und jetzt, wie er sagt, mit mehr fotografischer Reife. Diese Reife des mehrfach ausgezeichneten Künstlers, der internationale Anerkennung fand, beschrieb Künstlerkollege Joss Bachhofer in seiner Laudatio so:
Handwerkliche und künstlerische Fähigkeiten
Sein Studium als Historiker befähige ihn, Themen im zeitlichen, geografischen und soziologischen Kontext wahrzugeben. Seine Empathie spiegle sich ohne jede Sozialromantik in den Arbeiten. Und seine eigene unverwechselbare Handschrift zeuge von handwerklichen und künstlerischen Fähigkeiten.
Krankenbett der Ehefrau
Ein Foto in der Ausstellung berührt besonders stark. Es ist das Krankenbett der Ehefrau, das Alois Beyer später selbst nutzte. Joss Bachhofer sieht in dem Bild eine gewisse Traurigkeit. Aber es vermittle auch den Eindruck, dass der Bewohner sich große Mühe gebe, sein nicht einfaches Leben am Laufen zu halten.
Buch „Verlorene Heimat“. Foto: Petra Kurbjuhn
2014 starb Alois Beyer. Nachdem der Verlust der Heimat 2015 durch die Flüchtlinge ein großes Thema wurde, habe er sich entschlossen, ein Buch herauszugeben, erzählt der Fotograf.
Leben von Alois Beyer
Der einleitende Text von Hans-Herbert Holzamer würdigt das Leben von Alois Beyer. Das Buch erschien im der Edition Odertor des Erhard Hess Verlages in Gräfelfing und vereint 92 Fotografien aus dem Leben des zweimal Vertriebenen.