Vom Analysten, der auszog, mit dem Herzen zu sehen
Christof Jauernig und der buddhistische Mönch. Foto: Petra Kurbjuhn
Vortrag in Holzkirchen
„Eine Aufbruchsgeschichte in Worten, Fotografien, Pianoklängen, erlebt, erzählt, fotografiert und eingespielt von Christof Jauernig“, so steht es auf dem ersten Bild, das den Besucher im Foolstheater empfing, der sich für einen Abend unter dem Titel „Unthinking – Gedanken verloren“ entschieden hatte.
Und es waren derer viele. Kein Wunder, ist es doch bekannt, dass viele Menschen mit ihrem derzeitigen Leben unzufrieden sind, dass ihnen der Sinn abhandengekommen ist. Dass sie in der Tretmühle festgefahrener Strukturen der Sicherheit verharren, weil ihnen der Mut fehlt, das Hamsterrad anzuhalten und neu zu beginnen, während draußen das echte Leben vorbeizieht.
Der Sinn war entwichen
Christof Jauernig hatte diesen Mut und er machte Mut. Er war ein gutverdienender Analyst in einer Unternehmensberatung für Banken. Er arbeitete mit Zahlen und Gedankengebäuden, für eine, wie er sagte, kranke Branche, um ihr immer mehr Umsatz zu verschaffen. „Der Sinn war aus dem Büro entwichen.“
Der buddhistische Mönch. Foto: Christof Jauernig
Nach einer persönlichen Krise, in deren Folge er wieder Wahrnehmung seines Körpers gelernt hatte und bei der Vorstellung, den Job zu kündigen, von Wärme erfüllt wurde, war der Bann gebrochen. „Die Ängste verflüchtigten sich“, sagte Christof Jauernig.
Sein vormals gutes Gehalt ermöglichte es ihm, jetzt von den Ersparnissen zu leben. Er packte seinen Rucksack und bereiste in sechs Monaten acht Länder in Südostasien. Eine äußere und eine innere Reise sei es gewesen, sagte er, eine stille Reise ohne Reiseführer, oft allein, zu Fuß, mit dem Motorroller.
Glück im Jetzt
Es sei eine Reise des Staunens, der Freude gewesen, eine Reise, bei der er die Schönheit der Natur entdeckt und das Glück im Jetzt gefunden habe.
Auf dem Fluss. Foto: Christof Jauernig
Christof Jauernig hielt keinen Vortrag, er zeigte Fotografien unter anderen von Vietnam, Myanmar, Thailand, Laos und Bali und begleitete diese optischen Eindrücke durch Texte, die ihm während der Reise eingefallen waren und die er damals auf Facebook postete. Dazu spielte er selbst komponierte Pianoklänge ein.
Gegenseitige Wahrnehmung
Er nahm die Zuhörer mit in einen Tempel, wo kahlgeschorene Novizen innbrünstig beteten, fing die andächtigen Gesichter der Kinder ein. Er nahm sie mit in den atemberaubenden Straßenverkehr der vietnamesischen Großstädte, wo es keine Verkehrsregeln außer gegenseitiger Wahrnehmung gibt.
Er lässt sie staunen über den gelben Schmetterling auf seiner Hand, der partout nicht wegfliegen will und er verblüfft mit den Bildern und einem Video von einem Mönch, der im strömenden Regen 90 Minuten betend verharrt. Ein Beispiel innerer Stille. Immer wieder zeigt der Reisende großartige Landschaftsfotografien, aber auch Bilder der Kultur der Region wie den „Golden Rock“, eine Kultstätte, die er im dichten Nebel besuchte.
Sei ehrlich zu dir und vertraue
Keine Reue, kein Zweifel an seinem Entschluss habe ihn in diesen sechs Monaten seiner Aufbruchsgeschichte ereilt, sagte er. Und als er einen besonders schönen Sonnenuntergang fotografieren wollte, stieg ein Schwarm Fledermäuse auf. Das sei für ihn das Symbol gewesen, wieder heimzufliegen.
Was er aber mitgenommen habe, das formulierte er als Botschaft an seine Zuhörer so: „Bremse ab, bleibe stehen, atme tief, stelle die Fragen und spüre die Antworten, sei ehrlich zu dir und dann vertraue.“ Und er forderte dazu auf, sich Gedanken über das persönliche Glück zu machen.
Deutschlandweite Glückssammlung. Foto: Petra Kurbjuhn
Am Ende zeigte Christof Jauernig zunächst Gesichter voller Lebensfreude, die er auf seiner Reise wahrnehmen konnte. Und er fand, dass auch in seiner Heimatstadt Frankfurt nicht nur Stress und Gleichförmigkeit herrschen. Auch hier fand er den Sonnenuntergang, Wolkenformationen, schöne Bäume und das glückliche Kind, das mit Seifenblasen spielt. Jetzt war die Welt überall für ihn neu und lebendig geworden, weil er den kindlichen Blick wiedergefunden hatte.
Kind in Frankfurt. Repro: Petra Kurbjuhn
In der lebhaften Diskussion betonte der Redner, dass er eine persönliche Geschichte erzähle, die nicht als Blaupause für andere dienen können. Aber er plädiere für eine Entmystifizierung des intellektuellen Denkens und für das Entdecken der Intuition, um einen Einklang mit der jeweiligen Lebenssituation zu finden. Die Reise habe letztlich nur als Resonanzboden gedient.
Aufgehört zu planen
Wie und wovon er heute lebe? Bereits eine Weile, bevor die finanziellen Reserven schließlich aufgebraucht waren, so erzählte Christof Jauernig freimütig, habe er sich entschlossen, seine Erfahrungen als Vortragsreisender anzubieten und könne davon jetzt leben. Und wie es weitergehe? „Ich habe aufgehört zu planen.“ Unter „Unthinking“ können Interessierte den weiteren Weg verfolgen.