Pilgerbuch

Es muss nicht Spanien sein

Cover „Neue Wege“ und Barbara Haas. Foto: Kurt Hörbst

Buchtipp von KulturVision

„Neue Wege“ nennt Herausgeberin Christine Haiden ihr Buch, in dem sie 17 Menschen zu Wort kommen lässt, die sehr unterschiedliche Pilger-Routen absolvierten. Es lädt ein, sich selbst auf den Weg zu machen. Und es verblüfft. Durch seine Fotos, die sich erst am Ende des Buches erklären.

Finden Sie nicht auch, dass die abgebildeten Pilgerinnen merkwürdig aussehen? Als würden sie irgendwie in der Luft hängen, keineswegs, als ob sie weit gegangen seien. Sie scheinen aus der Welt gefallen zu sein. Wenn Sie den Text bis zum Ende lesen, dann löst sich das Rätsel der außergewöhnlichen Fotografien von Kurt Hörbst.

Vor einiger Zeit stellten wir Ihnen das österreichische Magazin „Welt der Frauen“ vor. Bei der Recherche stieß ich auch auf das vom Verlag Edition Welt der Frau herausgegebene Buch der Chefredakteurin. Sie erzählt in ihrem Vorwort, dass sie die Leserinnen ihres Magazins dazu aufgefordert hätten, ein paar Tage auf Pilgerschaft zu gehen und von ihren Erlebnissen zu berichten.

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Tolle Idee, auf diese Weise mit der sonst eher im Dunklen bleibenden Leserschaft Kontakt aufzunehmen. Hunderte hätten sich gemeldet, 11 packten letztlich ihren Rucksack und berichteten anschließend von ihren Erfahrungen. Ergänzt wurden diese Berichte, die quer durch Österreich führen, durch sechs internationale Routen in Deutschland, im Norden Europas, Irland, Israel und Tibet. Die sehr unterschiedlichen Berichte erzählen von Veränderungen im Leben, denn Pilgern ist kein Fitnesssport, sondern Pilgern ist Zeit, in der der Mensch zu sich kommt, in der er schweigend geht und dabei seiner Seele Raum gibt, sich zu entfalten.

Das Hamsterrad anhalten

Pilgern ist eine Möglichkeit, das Hamsterrad anzuhalten, einfach nichts zu tun, außer zu gehen und dabei neue Erkenntnisse zu gewinnen. Nicht umsonst hat der Jakobsweg nach Santiago di Compostella einen solch immensen Zulauf. Aber man muss nicht nach Spanien gehen, sondern kann von zu Hause aus losgehen. Und es müssen auch nicht Hunderte von Kilometern sein, selbst ein paar Tage können bereits wichtige Veränderungen im Leben bewirken.

Vertrauen statt Panik

Hermine Danzinger ging bereits den spanischen Jakobsweg und absolvierte jetzt den Weinviertler Jakobsweg von Mikulov in Tschechien nach Großrußbach. Gleich zu Beginn will sie aufgeben, denn es regnet in Strömen, sie findet den Weg nicht und würde am liebsten abbrechen. Aber dann überkommt sie eine große Ruhe und als ihr ein Gespritzter Stärkung beschert, geht der erste Tag erfolgreich zu Ende. Nach drei Tagen Pilgern sagt sie: „Es ist mir bewusst geworden, dass ich endlich lernen muss, zu überlegen und zu vertrauen, bevor ich panisch werde. Das wird meine Baustelle sein.“

Pilgerbuch
Hermine Danzinger und Maria Soukup-Giendl. Foto: Kurt Hörbst

Maria Soukup-Giendl wollte endlich einmal nicht nur die Bedürfnisse anderer erfüllen, sondern machte sich auf die Suche nach der Frau in ihr. Sie radelte auf dem Donau- Alpen-Adria- Pilgerweg von Passau nach Weißensee. Und ließ dabei all die Verantwortung für die Familie los und widmete sich einmal nur ihren Bedürfnissen. Dankbar für das Vergangene und mit freudigem Blick in die Zukunft kehrte sie nach Hause zurück.

Via Porta

26 Tage lang pilgerte Ferdinand Kaineder auf der Pia Porta von Waldsassen nach Volkenroda. Eigentlich wollte er nach Wittenberg gehen, aber einem inneren Impuls folgend, änderte er die Route, muss auch später immer mal wieder den Weg verlassen und meditiert über den Satz: „Wer den Weg nicht verliert, bleibt auf der Strecke.“ Der Theologe hat seine Erlebnisse auf seiner Homepage veröffentlicht.

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Ferdinand Kaineder und Walter Wimmer. Foto: Kurt Hörbst

Auch Walter Wimmer ist Pfarrer und hat mit 70 Jahren eine fünfwöchige Auszeit auf dem Marienpilgerweg vom polnischen Tschenstochau nach Mariazell in Österreich genommen. 800 Kilometer legte er zurück, anfangs schmerzgeplagt, später aber voller Dankbarkeit und Achtsamkeit als Früchte des Pilgerns. Er erzählt von wundersamen „Zufällen“ auf seiner Tour und auch wenn er „fußmarod“ am Ziel ankommt, fühlt er sich beschenkt und gestärkt.

Am See Genezareth

Den Jesus Trail von Kanaa, nahe Nazareth bis nach Kafarnaum am See Genezareth in Israel pilgerte Barbara Haas. Damit beschenkte sich die Religionspädagogin mit dem Kennenlernen der echten Stätten vom Wirken von Jesu, die sie bislang nur aus der Heiligen Schrift kannte. Sie pilgert in Gemeinschaft, aber dennoch allein und schweigend, und nur am Abend und am Ende der Tour wird gemeinsam gelacht und gefeiert.

Die 17 Einzelerzählungen, von Andrea Mann begleitet und von Verena Halvax recherchiert und aufgeschrieben, sind ergänzt von wichtigen Informationen zur Route, so dass sich der Interessierte sofort auf den Weg machen kann.

People Scans

Kurt Hörbst steuerte die Fotos der Pilgerinnen und Pilger bei. Dazu verwendete er das von ihm entwickelte Verfahren der „People-Scans“. Die Person liegt dabei und wird mit der Kamera abgefahren und Zentimeter für Zentimeter fotografiert. Jetzt erschließt es sich, warum die Fußspitzen nach vorn geneigt sind und der Brustkorb flach wirkt. Paradox: Menschen, die gepilgert sind, werden in der Ruhe liegend fotografiert. Oder doch nicht paradox?

Neue Wege, 17 Pilger-Routen, die verändern, Edition Welt der Frau

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