„Es wäscht den Fußgängern die Augen“

Weyarns Bürgermeister Leonhard Wöhr mit Beate Schaffelhuber. Foto: Monika Ziegler

Aktionstag in Weyarn

Der Arbeitskreis Dorfleben und Bürgermeister Leonhard Wöhr hatten eingeladen, einmal selbst zu erfahren, wie es Menschen mit Handicaps und im Alter ergeht. Arbeitskreissprecherin Adriana Carozzi begründet: „Wir wollen dafür sensibilisieren, wie es sich anfühlt, im Rollstuhl zu sitzen, Seh- und Hörprobleme oder andere Altersbeschwerden zu haben.“

An mehreren Stationen konnten sich Interessierte ein Bild machen und viel besser noch, alles selbst ausprobieren. Unter der Regie von Beate Schaffelhuber aus Landshut wurde ein professioneller Rollstuhlparcour aufgebaut. Verschiedener Untergrund, verschiedene Rampen mit unterschiedlicher Steigung, eine zu öffnende Tür, Serpentinen, all das mussten die Besucher bewältigen. Auch Bürgermeister Leonhard Wöhr absolvierte den Parcour mehrfach.

Nicht nur Schwierigkeiten zeigen

Matthias Carozzi ist Rollstuhlfahrer. Der 26-Jährige betreute die Gäste und stellte erfreut fest: „Die Fußgänger sagen, das ist ja krass, was ihr leisten müsst, das sieht so leicht aus, aber es ist nicht einfach.“ Es habe sich für ihn gelohnt mitzumachen, denn es sei ihm viel Respekt gezollt worden. „Es wäscht den Fußgängern die Augen“, sagt er, „wenn sie Lust haben, dann stehen sie auf und gehen ins Café, ich aber muss im Rollstuhl bleiben.“

Die nächste Station ist Sehbehinderten gewidmet. Eine Tischtennisplatte ist so konstruiert, dass Blinde spielen können. Adriana Carozzi erklärt: „Wir wollen nicht nur die Schwierigkeiten zeigen, sondern auch, dass das Leben mit Handicap Spaß machen kann.“ Bernd Villwock, der gerade mit einer Augenbinde Tischtennis spielt, muss einräumen, dass es anstrengend ist, aber auch dass man seine Sinne vom Sehen auf das Hören umstellen könne.

Piepser wenn das Glas voll ist

An einem Tisch liegen Brillen, die unterschiedliche, nicht behebbare Sehstörungen simulieren. Ich probiere eine Brille, die mir ein röhrenförmiges Gesichtsfeld vorgibt und sehe nur punktförmige Ausschnitte meiner Umgebung. Bei einer Restschärfe von 0,2 Prozent habe ich zwar das ganze Gesichtsfeld, aber äußerst unscharf. Für diese Erkrankungen gibt es eine Reihe von Hilfsmitteln, zum Beispiel einen Piepser, der mir sagt, wann ich das Glas eingeschenkt habe.

Vor mir spielen ein paar Jugendliche um Matthias Basketball im Rollstuhl und haben einen Heidenspaß dabei, auch der Rollstuhlparcour ist permanent ausgebucht, ganze Familien beteiligen sich an diesem Angebot auf dem Rathausplatz der Gemeinde.

Ja, und dann komme ich nicht umhin, den Alterssimulationsanzug selbst zu probieren. Eine 10 Kilogramm schwere Weste, und Gewichte an Armen und Beinen sollen die schwindende Muskulatur vortäuschen, versteifende Gelenke an Knien, Ellenbogen und am Hals lassen mich halsstarrig und steifbeinig werden, eine Brille macht mich sehbehindert, Kopfhörer schwerhörig. In diesem Zustand darf ich einen Spaziergang machen, bei dem mich die Seniorenbeauftragte der Gemeinde Betty Mehrer fürsorglich begleitet. Auch die Treppe im Rathaus ist zu bewältigen, gottlob gibt es einen Handlauf. Und gottlob geht das Altwerden nicht innerhalb von Minuten, sondern hoffentlich sehr sehr langsam vonstatten. Aber mehr Respekt vor den Einschränkungen des Alters und mehr Verständnis habe ich jetzt schon.

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