Voodoo, Wahn und Seelenrasen
Krimischriftsteller Martin Calsow mit Hundedame Lumpi. Foto: KN
Krimilesung in Tegernsee
Martin Calsow ist wieder ein großer „Tegernseekrimi der anderen Art“ gelungen. Gewohnt bissig, provokant, menschlich, nicht klein- und vor allem nicht mundtot zu kriegen ist sein Max Quercher. Gelesen wird am Donnerstag im Stielerhaus.
Nein, kaltstellen läßt sich Max Quercher nicht. Obwohl im vierten Band „Quercher und das Seelenrasen“ seine Widersacher einmal mehr sämtliche Register ziehen und ihn wirksam ausschalten möchten, was in diesem Fall heißt: Ihn derart unglaubhaft und nicht mehr tragbar als Polizist darzustellen, dass auch seine Dienststelle ihn nicht halten kann. Denn irgendwer „pimpt“ sein geliebtes Cannabis Marke Eigenbau mit „Aquarust“, einer neuen synthetischen Droge, die langanhaltende Halluzinationen hervorruft und ihn für eine geraume Weile außer Gefecht setzt. Wäre nicht Querchers Freund und Ex-Chef Pollinger, das Leben des querulanten Kriminalbeamten würde vor einer Hütte am Ringspitz mit der Dienstwaffe in der Hand tödlich enden, getrieben von Panikattacken, Schuldgefühlen und Wahnvorstellungen. „Aber wozu braucht man Feinde, wenn man solche Freunde hat“, konsterniert Quercher an anderer Stelle, dem als eingefleischten Junggesellen das muntere WG-Leben mit Pollinger, dessen junger Freundin, der Polizistin Arzu, deren Sohn Ali und nicht zuletzt Querchers Freundin Regina, der reichen Unternehmerin aus dem dritten Quercher-Band, manchmal zu viel wird.
Den „Warteraum Gottes“ mit jungem, afrikanischen Blut auffrischen
Überhaupt aber sind allerlei unübersichtliche Stör- und Todesfälle um chemische und toxische Substanzen im Spiel, denn „Quercher und das Seelenrasen“ handelt im Dunst skrupelloser Machenschaften pharmazeutischer Konzerne. Parallel bewegt sich der Leser inmitten heftigster Kontroversen zur Flüchtlingsthematik. Denn Querchers ehemalige Schulfreundin Nina ist nach langen Aufenthalten in Afrika nicht nur eine erfolgreiche Pharmaerbin, sondern im Tegernseer Tal äußerst engagiert in der ehrenamtlichen Hilfe für Migranten. Sie hat das ehrgeizige Ziel, eine Internatsschule zu errichten. Ausgerechnet dort, wo Max Quercher permanent über den „Warteraum Gottes“ lästert, will sie das Talblut durch die Ausbildung geflüchteter Kinder und Jugendlicher auffrischen. Denn, so ihre Meinung, „Bayern braucht mehr Afrika.“ Das sorgt natürlich für Debatten und auch dafür, dass Ninas Familie angefeindet und ernsthaft bedroht wird. Ihre provokative Auffassung, dass der gemeine Talbewohner Angst vor dem schwarzen Mann hat, so er nicht von der CSU kommt, wird nicht gerade mit Humor aufgenommen. Hetze gegen die Familie im Netz ist an der Tagesordnung, dann liegt eine blutige Niere im Hundenapf, und überall verstreut Nussschalen. Afrikanischer Vodoo oder Attacken erboster Tal-Bewohner?
Der „Antichrist“ schleicht sich eben nicht
Äußerst gekonnt verknüpft Martin Calsow in Querchers viertem Fall die spannenden Verwicklungen von Pharmaskandal, Kommunal- und Flüchtlingspolitik mit seinen eigenen Erfahrungen, den selbst erlebten Anfeindungen beim Engagement bei der lokalen Onlinezeitung „Tegernseer Stimme“. „Er soiad si wieda dohi schleicha, wo er herkimmt“, ließ ihm ein Tal-Eingeborener ausrichten. Er mochte offensichtlich die satirischen „Zeichnungen“ Martin Calsows von diversen Polit-Figuren im Tal nicht. Aber der Autor, der auch als „Antichrist“ beschimpft wurde, ist genauso dickfellig und lässt sich ebenso wenig wie sein Alter Ego Quercher mundtot machen. Er kontert mit fleißiger Satire weiter zum Thema Politik im Gemeinderat: „Dagegen ist das gallische Dorf eine Yoga-Gruppe.“ Und auch die Talbewohner mit alten, bornierten Meinungen, die am liebsten alles so belassen würden, wie es ist, kommen nicht zu kurz im neuen Band.
Störenfried Max Quercher
„Quercher würde hier immer ein Störenfried sein“, liest man. So wie Martin Calsow. Aber genau so jemanden braucht das Tal eben auch. Unbedingt. Und sollte ihn auch verkraften. Und wem der „Quercher und das Seelenrasen“ zu starker Tobak ist, ob anhand der äußerst spannenden Handlung oder der Ironie über fest eingefahrene Meinungen und Verstrickungen im Tal, der braucht das Buch ja nicht zu lesen. Alle Anderen können sich freuen: Quercher Band Nummer Fünf ist schon in Arbeit.
Martin Calsow liest aus „Quercher und das Seelenrasen“ am Donnerstag, dem 19.05.2016 19 Uhr in Tegernsee im Westerhof-Cafè im Stielerhaus.