Im Zwischenraum der Begegnung

Marc Tügel und Christoph Quarch beim ersten Philosophietag in Valley. Foto: Petra Kurbjuhn

Ein erfülltes Leben – das klingt vielversprechend. Aber was heißt das eigentlich? Und was heißt es nicht? Hören wir auf die Sprache. Erfüllt ist nicht gefüllt. Wenn wir Erfüllung suchen, kann es nicht darum gehen, uns anzufüllen – oder gar uns abzufüllen. Erfüllung geschieht nicht durch Konsum; nicht dadurch, dass dies und das und jenes in das große Fass unseres Lebens hinein gegossen werden müsste, damit es dann irgendwann endlich erfüllt wäre. Wer alles hat oder doch alles haben kann, hat damit längst noch kein erfülltes Leben.

Ohne Erfüllungsgehilfe keine Erfüllung

Erfüllung ist auch nicht dasselbe wie Befriedigung. Hier ist die Sprache trügerisch, wenn sie von Wunscherfüllung spricht. Doch hören wir nur richtig hin! Ein Wunsch kann wohl erfüllt werden, doch das bedeutet nicht, dass auch das Leben dessen erfüllt ist, der sich seine Wünsche erfüllt. Sich Wünsche zu erfüllen oder Ziele zu erreichen, verschafft uns zwar Befriedigung, nicht jedoch Erfüllung. Ein Bedürfnis zu befriedigen, gewährt uns Augenblicke der Zufriedenheit, jedoch nicht die Erfüllung, die wir suchen. Denn zur Erfüllung braucht es mehr als unser eigenes Tun und Machen. Es braucht dafür den anderen als unseren Erfüllungsgehilfen. Ohne Erfüllungsgehilfen keine Erfüllung.

Denken wir ans Schenken: Wenn Sie sich ein neues Smartphone wünschen und es sich selbst kaufen, ist zwar Ihr Bedürfnis befriedigt, aber Sie sind nicht erfüllt. Wenn jedoch Ihr Partner ahnt, was Sie sich wünschen und Ihnen das Smartphone schenkt, dann kann Sie das erfüllen. Es ist wie beim Sex: Nicht, dass Sie es sich selber machen, erfüllt Sie, sondern dass Ihnen in der Begegnung mit dem oder der Geliebten etwas geschenkt wird.

Das Wunder des Verstehens

Das macht eines deutlich: Erfüllung findet im Zwischenraum der Begegnung statt – im Augenblick, im Hier und Jetzt. Die Zeit ist erfüllt, oder das Leben. Und das geschieht in der Begegnung mit dem anderen: mit einem Menschen, mit einem Kunstwerk, einer Landschaft, einem Lufthauch – egal. Da, wo Sie anderes auf sich wirken lassen, öffnet sich im Hier und Jetzt ein Raum, in dem Erfüllung sich ereignen kann. Und zwar dann, wenn die Begegnung gelingt: wenn Sie berührt sind, bewegt, angesprochen; oder wenn Sie Resonanz erleben, wenn es stimmt oder sich das Wunder des Verstehens zuträgt.

Wer ein erfülltes Leben will, ist deshalb gut beraten, sich aufs Leben einzulassen. Die Lebenskunst besteht vor allem darin, sich berühren und ansprechen zu lassen. Wenn Sie das zulassen und mit ihrem Leben Antwort geben, erfüllen Sie das Hier und lassen es zugleich vom anderen erfüllen. In diesem Augenblick geschieht das Wunder der Erfüllung. Und wenn es nicht bei einem erfüllten Augenblick bleibt, sondern solche Augenblicke immer wiederkehren, dann haben Sie wohl ein erfülltes Leben.

Hier der link zur Sendung:

http://www.swr.de/nachtcafe/sendung-am-20-ein-erfuelltes-leben/-/id=200198/did=17239122/nid=200198/wv80ds/index.html?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=angedacht+Mai+2016

Am 17. September ist Christoph Quarch zu seinem dritten Philosophietag im Landkreis zu Gast. Wer sich dafür interessiert, nähere Informationen gibt es unter 08020/9043094 oder monika.ziegler@kulturvision.de

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