Dr. Norbert Göttler

Heimat und Lange Nacht der Volkshochschulen

Bezirksheimatpfleger Dr. Norbert Göttler. Foto: Petra Kurbjuhn

Vortrag in Miesbach

Unter dem Untertitel „zusammenleben. zusammenhalten“ hatten die Volkshochschulen im Landkreis anspruchsvolle Programme zusammengestellt. In Miesbach war Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler eingeladen, um das Thema „Heimat“ zu beleuchten.

Als Zeichen für gesellschaftlichen Zusammenhalt stellte vhs-Leiterin Veronika Weese im Gewölbe des Waitzinger Kellers-Kulturzentrum Miesbach die deutschlandweit erste Lange Nacht der Volkshochschulen zum 100-jährigen Bestehen der Bildungseinrichtung vor.

Heimat – zwischen Mulikulti und Leitkultur

Der Vortrag von Norbert Göttler, den die vhs Miesbach In Kooperation mit Amnesty International und dem Netzwerk Integration, organisiert hatte, widmete sich umstrittenen Begriffen: „Heimat – zwischen Mulikulti und Leitkultur“.

Veronika Weese Miesbachs vhs-Leiterin Veronika Weese. Foto: Isabella Krobisch

Norbert Göttler machte gleich eingangs klar, dass er den Begriff „Heimat“ als politischen Begriff sehe, mit dem man sich auseinandersetzen müsse. Auch wenn er heute wieder von rechtspopulistischen Parteien missbraucht werde, dürfe man ihn nicht aufgeben, sondern mit neuen Werten besetzen.

Drei Begriffe von Heimat

Drei Linien haben sich, so der Bezirksheimatpfleger, in der Geschichte zum Begriff „Heimat“ etabliert. Da ist der juristische Begriff des Heimatrechtes. Wer dieses Recht, auch käuflich erwerbbar, besaß, hatte Privilegien. Die anderen durften nicht Bürgermeister oder Gemeinderat werden, hatten keine soziale Absicherung und durften nicht heiraten.

Um 1900 kam ein neuer Heimatbegriff auf, da viele Menschen ihre Heimat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen mussten. Es entstand ein emotional geprägter topografischer Heimatbegriff, dem das „Heimweh“ folgte, zuerst als Schweizer Krankheit bezeichnet.

Heimaten?

Im 20. Jahrhundert entstand durch notwendige Umzüge der Menschen die Frage, ob es mehrere Heimaten geben könne. Ob sich Menschen im Prozess mehrere Heimaten schaffen können. Diese Frage beantwortete Norbert Göttler mit einem ja, Scheitern inbegriffen.
„Viele Menschen haben ein Heimatbedürfnis“, sagte er, diese realisieren sie aber nicht nur topografisch, sondern auch in Netzwerken, wie in den social media oder auch wissenschaftlichen Communities.

Heimat Dr. Norbert Göttler
Der Bezirksheimatpfleger referiert im Gewölbe des Waitzinger Kellers. Foto: Petra Kurbjuhn

Heute würden alle drei Linien gleichzeitig besetzt, denn durch die Migrationsbewegung habe auch der juristische Heimatbegriff wieder Einzug gehalten.

Die Begriffe Multikulti und Leitkultur indes lehne er ab, sagt der Vortragende. Ein Wertepluralismus, der gar nach dem amerikanischen Vorbild des „melting pot“ zu einer neuen Kultur führen solle, sei nicht realisierbar.

Friedliche Toleranz

Das Ziel dagegen müsse sein, ohne einen Assimilationsdruck friedliche Toleranz zu üben. Denn wenn man Multikulti zulasse, dann dürfe beispielsweise in Deutschland auch ein Amerikaner seine Waffe stets bei sich tragen, da müsse man gar nicht ganz fremde Kulturen betrachten.

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Leitkultur auf der anderen Seite, eine Kultur also, in der Werte des Abendlandes wie Demokratie, Menschenrechte und Aufklärung fixiert sind, habe zu Auswüchsen wie „Bayerische Leitkultur“ geführt. „Was soll das sein?“ fragte Norbert Göttler.

Kultur von außen befruchtet

Auch außereuropäische Kulturen hätten Werte. „Jede Kultur von außen befruchtet“, konstatierte der Redner, „sogar in Bayern“. Schließlich sei das Land in der Vergangenheit von Böhmen, Tschechen, Italienern und Franzosen beeinflusst worden.

Als unsäglichen Umgang mit bairischer Tradition bezeichnete der Bezirksheimatpfleger das Haberfeldtreiben. Schließlich sei das eine kriminelle Aktion gegen Schwache vergleichbar dem heutigen Shitstorm in social media. Er empfahl, mit dem Haberfeldtreiben in einem historischen Kontext umzugehen.

Kritisch merkte Norbert Göttler auch an, wie fragwürdig mit dem Begriff der Menschenrechte umgegangen wird. Da akzeptiere man einen Diktator, nur weil man in dem von ihm geführten Land besonders gut tauchen kann.

Literatur zu Heimat
Bücher von Norbert Göttler zum Mitnehmen. Foto: Petra Kurbjuhn

Welche Lösungsvorschläge unterbreitete der Redner in seinem geschliffenen Vortrag und in seiner Lesung aus dem Büchlein: „Heimat und Vernunft“?

Zunächst müsse man die Vielfalt von Kulturen anerkennen. Für eine historisch fundierte Wertediskussion sei eine freiheitlich demokratische Verfassung erforderlich. Und letztlich müsse man auch dafür sensibilisieren, dass Korrekturen in einem Prozess der Auseinandersetzung möglich sind.

Heimat gemeinsam gestalten

Als Heimatpfleger sehe er seine Aufgabe darin, vor Werte zu bewahren und neue Werte hinzuzufügen. „Heimat ist ein Raum, den wir gemeinsam gestalten können, und das sollten wir tun.“

Norbert Göttler (Hrsg.) „Heimat und Vernunft“, Fachberatung Heimatpflege des Bezirks Oberbayern, Norbert Göttler, Norbert Kiening „Dachauer Elegien – Heimat in einer globalisierten Welt“, Volk Verlag München

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