„Wo ist denn eigentlich dieses Schickeria?“
Markus Stoll alias Harry G. Foto: ©Christian Brecheis
Kabarett im Waitzinger Keller in Miesbach
Mit Youtube fing das Phänomen Harry G an. Die grantigen Kurzsatiren vom Alter Ego des Kabarettisten Markus Stoll um Leben und Irrtümer der „Isarpreißn“ verbreiteten sich wie ein Virus im Netz. Seit zwei Jahren spielt er vor ausverkauften Sälen.
Seine Videos wurden mehr als 5 Millionen Mal geklickt. Im Facebook folgen ihm 260.000 Fans. Inzwischen hat er über 200 Shows gespielt vor mehr als 85000 Menschen. Einen Senkrechtstart, der seinesgleichen sucht, hat er da jedenfalls hingelegt. Das ist ihm aber freilich nicht nur durch die neuen Medien geglückt. Harry G trifft den Nerv der Zeit, und seziert dabei die Nerven seiner Landsleute, der original bayrischen Bevölkerung des Freistaates. Da legt er dann bloß, was ihnen auf die Nerven geht: ganz klar, der Isarpreiß. Ebenso seine Isarpreißfreundin und die Chai Latte trinkenden Yoga-Mutti aus Berlin oder Stuttgart samt ihrer Isarpreißbrut namens Fin und Chantal.
Von Disneydirndl bis Alpenporno
Harry G räumt auf, und wenn er mal loslegt, dann richtig. Keiner lästert so schön charmant, witzig und bissig. Seine grantigen Schimpftiraden bestechen durch intelligenten Witz, gewürzt mit einem gehörigen Schuss bitterböser Satire. Die schmettert er dann dem veganen Lebensgefühl seines Widersachers, des Isarpreißn im allgemeinen und speziellen, entgegen. Weil der schnabuliert ja gern im veganen Teehaus Reis mit Süßkartoffel, „Dritteweltessen für 8 Euro das Portiönchen“. An Klischees wird nicht gespart. Wozu auch? Bedienen tut der Isarpreiß doch so viele.
Woran man ihn erkennt? Er ist eine Mischung aus Gestütsbesitzer und Dieter Bohlen, mit einem farbenfrohem Shirt auf dem ein überdimensioniertes Pferdelogo prangt, parodiert Harry G. Dazu trägt er bei jedem Wetter Segelschuhe, im Sommer ohne Socken, quasi „Pilzkultur zur Rolexuhr“. Noch einfacher aber ist sein Widersacher zu erkennen, wenn er in die Tracht steigt: Er mit neckischem „Preißn-Erkennungshalsband“ und sie mit weißen Lacklederschnürstiefeln zum Disneydirndl. Erstanden im Trachtenoutlet bei der sympathischen, sachkundigen Dirndlfachverkäuferin aus den neuen Bundesländern. Der Isarpreiß, der will vor allem zur Schickeria dazu gehören, auch wenn er gar nicht recht begreift, dass dieses in München so spezielle Lebensgefühl eben nicht mal so einfach erlernbar ist, selbst, wenn er sich verkleidet.
Im Segeloutfit mit acht Kilo Wetgel im Haar zum Schickeria-Highlight
Der Saal im Waitzinger Keller gestern war brechend voll, ausverkauft bis auf den letzten Platz. Und das herzhaft schallende Gelächter über Harry G´s Gags ebbte quasi nie ab. Gekommen waren sie aus München, Dachau, vom Starnberger See. Und natürlich hier aus dem Landkreis, wo man besonders die Satiren über Geschmacksirrtümer des Isarpreißn auf den heimischen Waldfesten oder im Bräustüberl in Tegernsee schätzt. Tatkräftig unterstützt wird Harry G von drei fiktiven Freunden. Herrlich mimt er seinen Ex-Kollegen und Möchtegern-Bayer Arno aus Hannover, den röchelnden Kettenraucher Alfons aus Minga und den Immobiliensnob Günter. Überhaupt beherrscht Harry G das Rollenschlüpfen fabelhaft, genauso wie eine ganze Liste von Dialekten, inklusive „asiatisch“. Schließlich werden in China jährlich 1,6 Millionen Lederhosen produziert.
Markus Stoll, der gebürtige Regensburger, der in Hausham aufwuchs und jetzt in München wohnt, hat seine Mitmenschen genau beobachtet. Schon oft hat man den sympathischen Gratler mit seinem charakteristischen Hut sich auf den Waldfesten unters Volk mischen sehen. Auf der Suche nach neuen Unglaublich-, Peinlich- und Witzigkeiten, die er in seinen Kurzvideos oder der nächste Show verwursten kann. Oder einfach, weil er da „dahoam“ ist, und weil er sich da wohl fühlt. Für die Isarpreißn, die es ganz besonders „urig“ mögen, hat er auch noch einen echt einheimischen Tipp übrig: Statt aufs Waldfest könnten sie doch mal in die Gotzinger Trommel gehen. Ansonsten sollten sie sich fort schleichen. Und wenn ihm dann gelungen ist, alle aus der Stadt zu vertreiben, ja da haben wir sie halt am Land hier. Dann kommt dann sein Ex-Kollege, der Möchtegern-Bayer aus Hannover und flötet in schönstem Schriftdeutsch: „Ich bin der Arno und in Miesbach bin ich daheim.“