Journalismus und Wahrheit beim 3. Warngauer Dialog Julian von Löwis und Sonja Scheider

Was ist Wahrheit?

Gesprächskultur beim Warngauer Dialog: Julian von Löwis und Sonja Scheider. Foto: Petra Kurbjuhn

Diskussionsreihe in Warngau

Beim dritten Warngauer Dialog stand die Objektivität des Journalismus im Vordergrund. Was ist wahr – oder gibt es nicht vielmehr sogar viele Wahrheiten? Es diskutierten mit Sonja Scheider und Julian von Löwis zwei prominente Fernsehjournalisten, während dem Publikum brisante Fragen unter den Nägeln brannten.

In ihrer Einleitung zu dem beliebten Gesprächsformat von KulturVision, dass jährlich im Warngauer Altwirtsaal stattfindet, erinnerte Monika Ziegler an die Verantwortung der Journalisten, sich zu positionieren. Mit Sonja Scheider und Julian von Löwis hatte sie zwei Medienmacher aus unterschiedlichen Bereichen eingeladen, über „Wahrheit und Wirklichkeit – gibt es Grenzen im objektiven Journalismus?“ zu diskutieren: Auf der einen Seite die Dokumentarfilmerin aus Gmund, die mit ihrem Film „Citizenfour“ 2015 in Los Angelos den Oscar entgegennahm und auf der anderen der Landtagskorrespondent, der „Mann der Fakten“, Reporter beim Bayerischen Rundfunk.

Sonja Scheider
Sonja Scheider: Dokumentarfilme machen heißt, permanent die eigene Haltung zu prüfen. Foto: Petra Kurbjuhn

Hier die Erzählerin, die in ihren bis zu anderthalbstündigen Dokumentarfilmen Geschichten erzählt, Haltung bezieht und Emotionen erzeugt. Und dort der Vertreter nüchterner Tatsachen, der sehr wohl eine Haltung hat, aber sie in seinen höchstens 2:30-minütigen Beiträgen nie zeigen darf, wenn es um das Darstellen der nackten Fakten geht. Unterschiedlicher kann die Herangehensweise kaum sein. Was beide verbindet, ist das Abbilden der Wirklichkeit und die Suche nach der Wahrheit. Was aber ist Wahrheit und gibt es sie überhaupt?

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Respektvolle Kommunikation

Das Format, das Monika Ziegler als Fortsetzung der Reithamer Gespräche vor drei Jahren im Rahmen der Reihe Anders wachsen ins Leben rief, soll die Gesprächskultur fördern. Nicht nur wird ein brisantes Thema zu aktuellen Fragen der Zeit diskutiert. Vor allem soll es trotz unterschiedlicher Positionen eine respektvolle Kommunikation geben. Ganz ging die Rechnung Monika Zieglers in diesem Jahr nicht auf, denn so weit voneinander entfernt waren die Positionen der beiden Gesprächspartner nicht verortet. Sehr wohl aber gab es eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum. Denn die Frage zur Objektivität, zu Wahrheit und Wirklichkeit, brannte manchem unter den Nägeln und wurde kontrovers diskutiert.

Tobias Stork (Flügel) und Dietmar Rexhausen (Violincello)
Prägten den Diskussionsabend musikalisch: Tobias Stork (Flügel) und Dietmar Rexhausen (Violincello). Foto: Petra Kurbjuhn

Was den Charme des Abends ausmachte, war nicht nur das spannende Thema und die Fülle der Diskussionspunkte. Dietmar Rexhausen am Cello und Tobias Stork am Flügel leisteten einen entscheidenden Beitrag zur „Gesprächskultur“. Sie beschenkten die Gäste mit einer ganz besonderen Qualität der Musik und damit des Zuhörens. Ihr einfühlsam-virtuoses Zusammenspiel bei den Werken von Johann Sebastian Bach und Robert Schumann gliederten den Abend und schufen Oasen der Kontemplation zwischen den Diskussionsrunden.

Julian von Löwis
Julian von Löwis: „Haltung darf nicht stattfinden“ in seinen tagesaktuellen Kurzbeiträgen, sie müssen objektiv und ausgewogen sein. Foto: Petra Kurbjuhn

Höchst interessant war für die Gäste zudem, aus den unterschiedlichen Arbeitsfeldern beider Journalisten anhand vieler Praxisbeispiele zu erfahren, wie heutiger Journalismus „gemacht“ wird. Sonja Scheider erinnerte zum Auftakt ihres siebenminütigen Statements beispielsweise an den die große soziale Verantwortung und den Mediencodex, dem sich die große Mehrheit der Journalisten verpflichtet fühle.

Hohe Qualität der Diskussionen und Musik beim 3. Warngauer Dialog
Hohe Qualität der Diskussionen und Musik beim Warngauer Dialog. Foto: Petra Kurbjuhn

Journalismus und Wahrheit

Viel wurde an diesem Abend über den Begriff der Wahrheit diskutiert, mit der Erkenntnis, dass Wahrheit und Wirklichkeit stark an die individuelle Wahrnehmung gebunden sind und es daher nie die eine richtige Wahrheit geben könne. Was aber bedeute das für den Journalismus? Und vielmehr noch: für die Konsumenten, die Nachrichten im Fernsehen, im Radio, im Internet und in den Printmedien aufnehmen? Der Rat beider Journalisten war die eindeutige Aufforderung: „Bleibt mündig.“ Das bedeute für die Verbraucher, viele Medienquellen zu nutzen und sich immer ein eigenes Urteil zu bilden.

„Lest die Wochenzeitungen“

Sonja Scheider legte den Lesern vor allem Wochenzeitungen ans Herz, „die fassen zusammen, was sich die Woche über angesammelt hat“. Was aber, wenn die Informationsflut immer mehr zunimmt und die Zeit, sich damit zu befassen, immer knapper wird? „Jetzt ist die Zeit der Kurzlebigkeit“, fasst Julian von Löwis das Dilemma der Konsumenten zusammen und fordert auf: „bleiben Sie trotzdem kritisch“.

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Die angeregte Diskussion hätte noch lange weiter gehen können, indes eine Lösung, eine einzige richtige Wahrheit sei nicht in Sicht, resümierte Monika Ziegler. Sie beschloss den Abend mit dem Rilke-Zitat: „Sucht nicht immer die Antworten, sondern lernt, die Fragen zu lieben“. Denn wer sich mit Fragen auseinandersetze, fände seine eigene Antworten.

Weiterlesen:

Weitere Veranstaltung der Reihe finden Sie auf der Projektseite Anders wachsen. Hier geht es zum Anders wachsen Programm 2019/20.

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