Endlich wieder Science Slam

Gruppenfoto beim Science Slam in Holzkirchen 2020. Referenten, Lehrer und Initiatorin Monika Ziegler. Foto: Petra Kurbjuhn

Science Slam in Holzkirchen

Wissenschaft ist langweilig und trocken? Definitiv nicht immer! Vor allem nicht, wenn Abiturienten kurzweilig und leidenschaftlich ihre Seminararbeiten vorstellen. Nachdem er im letzten Jahr wegen zu geringer Beteiligung abgesagt wurde, konnte heuer endlich wieder der Science Slam in der Reihe Anders wachsen stattfinden.

Zum inzwischen vierten Mal sollte am vergangenen Mittwoch der Science Slam im Foolstheater Holzkirchen stattfinden. Tatsächlich war es aber erst der Dritte. Denn im letzten Jahr hatte eine spontane Grippewelle die Veranstaltung boykottiert. Einige der Schüler wurden kurzfristig krank, sodass am Ende nur noch zwei Referenten übrig gewesen wären. Zu wenig für einen abwechslungsreichen Science Slam im Jahr 2019.

2020 aber konnte er wieder stattfinden, obwohl wieder einmal zwei Schüler krank wurden. Die vier Abiturienten, die am Mittwoch auf der Bühne standen, konnten das Publikum jedenfalls völlig von ihrer Fachkenntnis und Begeisterung für das jeweilige Thema überzeugen. Und auch Monika Ziegler, die Moderatorin des Abends – sie lernte die Vorträge und ihre Referenten bereits im Vorfeld kennen – versicherte dem Publikum, dass hier vier unglaublich tolle, junge Leute präsentieren würden.

Jungen und ihre Physik

Die Vortragenden-Schar bestand aus zwei jungen Männern und zwei jungen Frauen. Erst waren die männlichen Schüler an der Reihe. Und wie sollte es anders sein: sie hatten sich beide mit dem Thema Physik beschäftigt. Sebastian Prechtls Seminararbeit trägt den Titel „Über die Entwicklung des galilei’schen Fernrohrs“. Der Tegernseer Gymnasiast fand schon immer Bilder aus dem Weltall faszinierend. Damit man diese Bilder schießen bzw. Sterne und Planeten überhaupt sehen kann, bedarf es einem ganz bestimmten Hilfsmittel – nämlich dem Fernrohr.

Science Slam in Holzkirchen
Sebastian Prechtl. Foto: Petra Kurbjuhn

In einer interessanten Geschichte erzählte Sebastian Prechtl, dass das Fernrohr eigentlich gar nicht von Galileo Galilei erfunden wurde, aber trotzdem seinen Namen trägt. Denn vermutlich hatte bereits 1608 ein niederländischer Brillenmacher die Technik der Vergrößerung entdeckt, hatte aber kein Patent angemeldet. Als Galilei davon erfuhr, machte er sich 1609 selbst daran, ein sogenanntes „vergrößerndes Augenglas“ zu erstellen. Auf seiner Einkaufsliste standen Dinge wie deutsches Glas, eine Orgelpfeife, Schüsseln und eine Kanonenkugel. Mit diesen Mitteln gelang es dem Universalgelehrten erst eine dreifache, dann 20- und schließlich eine 30-fache Vergrößerung zu erwirken. Damit konnte man, von San Marco auf Venedig aus, eine Person im 40 km entfernten Padua erkennen. Das Augenglas wurde zum Verkaufsschlager, vor allem im Militär-Bereich, und war außerdem ausschlaggebend für eine Wandlung des Weltbildes, da man damit die ersten Jupitermonde und die Venusphasen erforschen konnte.

Noch mehr Physik

Dennis Sudmann, ebenfalls vom Gymnasium Tegernsee und angehender theoretischer Physiker, beschäftigte das „Hauptwerk des Nicolaus Copernicus und sein Weg dorthin“. Dieser schaffte eine Wende vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild. Jedoch nicht über Nacht, sondern mit einigen Zwischenschritten. Die Frage, die sich hier immer stellt, ist: „Bewegt sich der Beobachter oder das Beobachtete?“. Das geozentrische Weltbild bei Ptolemäus, Tycho Brahe oder Aristoteles etwa hielt die Erde für den Mittelpunkt der Welt. Im ersten Heliozentrismus hingegen wurde erkannt, dass sich die Erde um sich selbst und um ein zentrales Feuer, das nicht die Sonne war, dreht. Erst nach vielen Studien verfasste Copernicus das, teilweise bis heute gültige, Weltbild mit Planeten und einer dreifachen Erdbewegung.

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Dennis Sudmann spricht über Nicolaus Copernicus. Foto: Petra Kurbjuhn

Die Zukunft im Blick

Nun waren die Schülerinnen am Zug. Elisa Pfleger aus Hausham, die Klavier und Basketball spielt und sich für Politik interessiert, begeisterte mit ihrem Thema das Publikum und vor allem Monika Ziegler sehr. Passend zur Reihe Anders wachsen hielt sie ein Referat über Smart Cities 2050 und das Konsumverhalten in der Mode- und Textilindustrie. Was eine „Smart City“ ist? Eine Stadt oder Gegend, die Ressourcen schont und Energie einspart. Wie das in der Modeindustrie möglich sei und was da momentan gehörig falsch läuft, ist für Elisa ein aufrichtiges Anliegen.

Die negativen Faktoren in der Textilindustrie zeigte Elisa anhand einiger Kleidungsstücke auf, die sie in ihren Einkaufswagen warf:

  • Enorm hoher Wasserverbrauch bei der Jeans-Produktion
  • „Staublunge“
  • Kinderarbeit
  • Gifte und Chemikalien, die nach dem Färben von Stoffen in Flüssen landen
  • Mikroplastik wäscht sich bei jedem Waschgang aus Polyesterstoffen

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Elisa Pfleger unterstützt ihre Präsentation mit Einkaufswagen und Klamotten. Foto: Petra Kurbjuhn
All das stelle eine schlechte Ökobilanz für die Modeindustrie dar. Jedoch könne sich diese in den nächsten Jahrzehnten durch drei Faktoren verbessern:

Suffizienz: „Was brauchen wir wirklich?“ Momentan kaufen wir Deutschen im Durchschnitt 60 Kleidungsstücke pro Jahr. Diese Zahl sollte sich maßgeblich verringern.
Effizienz: „Faire Mode“, ökologische Produktion und Gesetze für große Konzerne könnten hier eine Verbesserung schaffen.
Sozialverträglichkeit: sichere Arbeitsplätze, keine Kinderarbeit, Tarifverträge.

Elisas Fazit: Wir stehen hier alle in der Verantwortung und können aktiv beitragen, etwa wenn wir keine Kleidung kaufen, sondern sie beim Swapping mit anderen tauschen. Ihr Vortrag wurde vom Publikum mit den meisten Stimmen belohnt, aber jeder der vier Schüler erhielt als Belohnung einen vom Kreisbildungswerk Miesbach gesponsorten Büchergutschein, den die Verteter der Schulen übergaben:
Klaus Masch für das Gymnasium Miesbach, Dr. Werner Oberholzner, Direktor des Gymnasium Tegernsee und Patrik Rau für die Staatliche Berufsoberschule Bad Tölz.

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Rosi Valcheva. Foto: Petra Kurbjuhn

An der Geschichte interessiert

Von der FOS aus Bad Tölz hatte sich Rosi Valcheva zum Science Slam angemeldet. Sie ist eine außergewöhnliche junge Dame, die sich für Geschichte interessiert. Ganz besonders für Anne Boleyn, die zweite Ehefrau des englischen Königs Heinrich VIII. In einer mit lustigen, karikativen Bildern untermalten Erzählung stellte Rosi den Zuhörern Anne Boleyns Lebens- und Leidensgeschichte dar. Denn die Entscheidungen, die ihr Vater für sie getroffen hatte, wirkten sich zwar erst einmal positiv für Anne aus, endeten schließlich aber in der Hinrichtung durch ihren Mann Heinrich VIII., weil sie ihm keinen männlichen Thronfolger gebären konnte. Im Nachhinein aber hatte Annes Ehe mit dem Herrscher dann doch eine große positive Wirkung, denn daraus ging eine Tochter hervor, die später die erfolgreichste Königin Englands werden sollte: Elisabeth I.

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Benjamin und Lea Wittmann unterhalten mit ihrer Musik. Foto: Petra Kurbjuhn

Zwischen den Vorträgen der Abiturienten sorgten Benjamin und Lea Wittmann aus Holzkirchen für musikalisch hochwertige Abwechslung und ein bisschen meditative Zeit, um das Gesagte sacken zu lassen. Die mehrfachen Jugend-musiziert-Preisträger spielten im KULTUR im Oberbräu mit Gitarre und Querflöte einige bekannte Melodien, wie den brasilianischen Choro „Tico-Tico no fubá“ oder das Lied „Just friends“.

Lesetipp: Wissenschaft für alle

Monika Ziegler betonte zum Ende noch einmal, wie sehr sie sich freue, dass der Science Slam im Rahmen von „Anders wachsen“ wieder stattfinden konnte und dass es im nächsten Jahr sicher eine Wiederholung geben werde. Denn die sechs Schülerinnen und Schüler hätten mal wieder gezeigt, wie begeisternd und leidenschaftlich Wissenschaft sein kann.

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