Bitte um Hilfe für Kulturschaffende

Die Autorin bei einer Probe mit der Theatergruppe Valley. Foto: Peter von Felbert

Offener Brief an den bayerischen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst

Wir veröffentlichen diesen Brief mit der Bitte um Hilfe für Kulturschaffende von Sabine Schreiber, stellvertretend für die „kleinen freiberuflichen Künstler“, für die im Rettungsplan von Bund und Freistaat nur wenig Hilfe vorgesehen ist. Die Autorin hat sich als Dramaturgin und als Theaterpädagogin insbesondere mit Kindern und Jugendlichen im Landkreis Miesbach verdient gemacht.

Sehr geehrter Herr Sibler,

ich bin 34, diplomierte Dramaturgin, Absolventin der Bayerischen Theaterakademie August-Everding. Ich habe nach meinen Diplom 2012 einen gesunden, klugen bayerischen Neubürger auf die Welt gebracht, großgezogen und u.a. daher bisher auf eine Karriere an den staatlichen Häusern verzichtet und mich als freischaffende Dramaturgin, Theaterpädagogin, Regisseurin, Publizistin und Filmemacherin verdingt. Ich leiste viel für wenig Geld, stets gern, ich bin durchaus genügsam.

Ich habe bisher nie staatliche Hilfen beansprucht, auch wenn sie mir womöglich zugestanden hätten. Aber ich habe es immer geschafft – und bin stolz darauf -, dem (Frei)Staat nie zur Last zu fallen. Trotz Scheidung.

Lesetipp: Der Mensch will sich spüren

Jetzt ist dieses: Corona. Und ich stelle fest, dass Menschen wie ich, von denen es durchaus einige gibt, von welchen man aber vielleicht nicht viel wahrnehmen muss, weil sie nie laut schreien in ihrer Genügsamkeit und ihrer Fähigkeit zur selbstständigen Überlebenskunst. Wir schreien nicht so laut wie die, die viel haben und daher auch einiges verlieren können.


Die Autorin mit einem jugendlichen Darsteller. Foto: Peter von Felbert

Aber jetzt. Jetzt wo es darum ginge, auch an uns zu denken – an die, die ebenso Kulturschaffende sind wie die Staats- und Stadt(theater)künstler, an die, die ohne zu Murren für einen Apfel und ein Ei zum Beispiel Theaterkurse an Schulen geben, die mehr oder weniger ehrenamtlich sich darum kümmern, dass die Kultur auch dort hin gelangt, wo die Staatstheater nicht sind, die auch die kleinen, regionalen Magazine mit Texten versorgen, die lesbar sind, die professionell die kleinen Bühnen in den Outbacks bespielen, die neue Wege gehen, abseits von den subventionierten und daher etwas bequemeren Wegen der Kunst, die, die dafür da sind, dass auch Neues entsteht im Sinne der Grundlagenforschung in der Kultur, die „armen Poeten“, die Menschen mit dem Thespis-Karren, die Musikanten, die pleine-air-Maler, die Genies, die auf die breite Berühmtheit und staatlichen Gelder verzichten, schlicht, weil es manchmal einfacher ist, weil die Welt auch im Kleinen schon so groß ist, und man ja eh nicht viel braucht.

Wir werden vergessen bei der Hilfe für Kulturschaffende

Wir – wir werden jetzt vergessen. Wir sollen uns jetzt arbeitslos melden. Wir sollen jetzt Hartz IV, Verzeihung, Grundsicherung beantragen. Das tun wir dann auch, weil wir vor der Obdachlosigkeit und dem Hunger stehen. Weil man an der Lidl-Kasse Geld bezahlen muss und kein Ständchen singen kann für einen Liter Milch. Oder wir gehen betteln. Um Eier und Mehl. Wie im Krieg. Weil es ewig dauert, bis man Hilfe bekommt. Während der Kleinunternehmer nebenan die Soforthilfe von 5000 Euro innerhalb von 2 Tagen auf dem Konto hat.

Hilfe für Kulturschaffende
Die Autorin bei Dreharbeiten von „Lord und Schlumpfi“. Foto: Peter von Felbert

Ich aber, die sich die FAQs aufmerksam durchgelesen und wahrgenommen hat, dass ich ja keine Betriebskosten habe, die nicht unbedingt mit meinen Lebenshaltungskosten deckungsgleich sind, ich aber, die erkannt hat, dass sie keinen formalen Anspruch auf die Soforthilfe hat und daher den Freistaat auch nicht bescheißen will, ich, ich gehe jetzt betteln. Obwohl ich schon immer hart gearbeitet habe. Gerne. Und ohne große Ansprüche.

Wertschätzung für genügsame Künstler

Und es tut mir in der Seele weh, dass die Wertschätzung von uns stillen und genügsamen Künstlern und freien Autoren in Bayern derart gering ist. Wie gesagt. Wir brauchen nicht viel. Aber essen müssen wir. Und wir haben oftmals Kinder, die wir mit großer Hingabe und Aufmerksamkeit zu empathischen und weltoffenen, klugen Menschen erziehen.

Ich weiß nicht, ob Sie, Herr Sibler, sich vorstellen können, von wie wenig man leben kann. Was Menschen wie ich eh schon in Kauf nehmen. Unter normalen Umständen. Und oftmals frei gewählt. Ich habe ein Einser Abitur. Ich habe 13 Semester in München und in Zürich studiert. Ergo: Ich bin auch auf dem Papier nicht blöd. Ich habe mein Schicksal frei gewählt. Und ich beschwere mich normalerweise darüber nicht. Und es gibt einige, die sind wie ich.

Hilfe für Kulturschaffende
Die Autorin hält ein Seminar „Dramatisches Schreiben“. Foto: MZ

Aber jetzt: Bitten wir Sie um Hilfe. Bitte. Setzen Sie sich dafür ein, dass freie Journalisten, Schauspieler, Autoren, Filmemacher, junge, gesunde Menschen oder altgediente, erfahrene Haudegen der Kultur a) nicht vollends verzweifeln und b) nicht vor die Hunde gehen. Wir sind eine wichtige Säule der Kultur, auch wenn wir auf den großen Ruhm und die großen Säle verzichten. Wir wirken im Kleinen, manchmal natürlich auch im Großen, aber wir sind nicht vorsätzlich laut und grell.

Wir haben konkrete Angst

Wir wollen arbeiten und tun das auch. Wir kümmern uns um uns selbst. Aber diese Krise jetzt – die zwingt sogar uns Überlebenskünstler in die Knie. Wir wollen die gefährdeten Personen natürlich schützen! Wir verstehen alle Maßnahmen, die uns ins Private zwingen und wir machen das Beste daraus. Aber wir haben gerechtfertigterweise konkrete Angst. Und wir werden bald hungern, wenn Sie uns nicht helfen.

Hilfe für Kulturschaffende
Die Autorin mit ihrem Sohn. Foto: Peter von Felbert

Bitte. Helfen Sie uns. Schnell und unbürokratisch.

Wir sind ehrlich und genügsam. Aber jetzt. Brauchen wir Ihre Hilfe.

Es grüßt aus der Isolation in Holzkirchen,

mit den Sorgen der Kollegen im Ohr
und einem Kind, das schon die eigene Sparbüchse öffnet, weil es die Sorgen der Mutter spürt,

Sabine Schreiber

Bayerische Künstler sollen in den nächsten drei Monaten mit je 1.000 Euro pro Monat finanziell unterstützt werden. Das hat Markus Söder in der heutigen Regierungserklärung angekündigt. Während kulturelle Einrichtungen mit den bisherigen Maßnahmen bereits schon geholfen werde, gebe es zugegebenermaßen eine Gruppe, „die durch jedes Raster fällt“. Die rund 30.000 Künstler, die auch in der Künstlersozialkasse organisiert seien, würden daher monatlich 1.000 Euro bekommen.

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