Kommunikation in der Coronakrise

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Dialogveranstaltung online bei acatech

Wie geht der Mensch mit Krisen allgemein und Corona im Besonderen um? Schätzen die Menschen die Risiken richtig ein oder tendieren sie zu Panik oder Leichtsinn? Wie sieht gutes Krisenmanagement aus? Diese und weiter Fragen behandelt „acatech am Dienstag“ im jüngsten Beitrag.

„acatech am Dienstag“ ist die Veranstaltungsreihe, mit der die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften aktuelle und kontroverse Technikthemen in die Diskussion bringt. Marc-Denis Weitze, Initiator und Organisator der Wissenschaftstage Tegernsee, ist der Leiter für Technikkommunikation bei acatech und lädt derzeit anstelle persönlicher Dialogveranstaltungen zu Einblicken in aktuelle, kontroverse Technikthemen online ein.

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Über geeignete Formen der Kommunikation in der Coronakrise sprach er jetzt mit vier Wissenschaftlern und wollte zunächst von Prof. Dr. Ralph Hertwig, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, wissen, wie der Mensch mit Risiken umgeht. Der Psychologe führt aus, dass wir ein gutes System haben, um mit Krisen fertig zu werden, dass aber auch Panik zur Verstärkung der Krise führen könne, wie man bei der Love Parade gesehen habe.

Kommunikation in der Coronakrise
Prof. Dr. Ralph Hertwig. Foto: Arne-Sattler

Im Falle von Corona habe man anfangs das Risiko überschätzt, da es wissenschaftlich schwer fassbar, neu und nicht kontrollierbar erschien. Durch die geringen Mortalitätszahlen in Deutschland aber sehe er jetzt eher die Gefahr, dass das Risiko unterschätzt werde. Die persönliche Erfahrung zeige, dass nichts passiert.

Flexibel auf Zahlen reagieren

Die Herausforderung an die Risikokommunikation sei, dass man nicht nur das Virus, sondern das systemische Risiko, wie Gesundheitssystem, Alter, Vorerkrankungen einschätzen müsse. Es gehe nicht nur um das eigene Leben, sondern auch um Fürsorge für den anderen. Aufgrund des dynamischen Verlaufs der Krise müsse man jetzt flexibel auf die Zahlen reagieren und die Entscheidungen anpassen.

Von Prof. Dr. Gert G. Wagner, Max Planck Fellow, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, wollte Marc-Denis Weitze wissen, wie er die behördlichen Maßnahmen und deren Akzeptanz in Deutschland einschätze. Der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler sieht hier eine Veränderung.

Kommunikation in der Coronakrise
. Prof. Dr. Gert G. Wagner. Foto: KN

Ende März habe es zu 90 Prozent eine uneingeschränkte Billigung der Maßnahmen gegeben, diese sei jetzt aufgrund der etwas entspannten Lage auf etwa zwei Drittel gesunken. Die Maskenpflicht beim Einkaufen würden 60 Prozent befürworten, in öffentlichen Verkehrsmitteln sei die Akzeptanz sogar auf 90 Prozent gestiegen.

Sorge um wirtschaftliche Entwicklung

In Zukunft hänge die Akzeptanz sicher von den Infektionszahlen ab. Zudem sei sie davon abhängig, wie überzeugend die Maßnahmen in der Bevölkerung dargestellt würden. Als Beispiel nannte der Wissenschaftler die Tracing App, bei der wohl nur von 50 Prozent der Befragten mitmachen würden.

„Was befürchten die Menschen am meisten?“, fragte Marc-Denis Weitze. Mitte März sei es die Sorge um das eigene Leben gewesen, sagte Gert Wagner, dann sei die Sorge um die eigene wirtschaftliche Situation dazugekommen, habe aber wieder abgenommen. Jetzt explodiere die Sorge um die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung.

Kommunikation in der Coronakrise
Prof. Dr. oec. Lucia Reisch. Foto: Sachverständigenrat Verbraucher (SVRV)

Prof. Dr. oec. Lucia Reisch von der Copenhagen Business School ist Spezialistin für Verhaltensökonomie. Sie sagt: „Im Moment sorgen sich die Verbraucher um wirtschaftliche Dinge und weniger um die Gesundheit. Die professionellen Verbraucherschützer sorgen sich vor allem um Datenschutz und Datensouveränität.“

Sie weist darauf hin, dass die Krise weltweit im Netzt für Betrug und unfairen Wettbewerb Anlass gebe und fordert dazu auf, bei der Verbraucherzentrale derartige Dinge, wie Wucherpreise zu melden.

Glaubwürdigkeit der Politik

Sie gibt der Bundesregierung gute Noten in Sachen Krisenmanagement. Man habe frühzeitig klar kommuniziert, weder Panik verbreitet, noch beschönigt. Auch dass man Experten hinzugezogen habe, sei für die Glaubwürdigkeit der Politik hilfreich gewesen. Sie lobte auch, dass die Regierung eine aufklärende, verstehbare und offene Kommunikation in der Coronakrise betrieben habe.

Kommunikation in der Coronakrise
Prof. Dr. rer. pol. Ortwin Renn. Foto: D. Ausserhofer

Welche wesentlichen Veränderungen in Bezug auf Technikakzeptanz sind durch die Corona-Krise zu erwarten? Das fragte Marc-Denis Weitze Prof. Dr. rer. pol. Ortwin Renn, Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam. Der Wissenschaftler wies zunächst darauf hin, dass in der Öffentlichkeit Unsicherheit und Vielfalt der Meinungen in der Wissenschaft dargestellt werden, selbst absurde Dinge kämen zur Sprache.

Vorsorgementalität und ethisch fundierte Entscheidungen

Damit habe sowohl die Wissenschaft als auch die Politik an Vertrauen gewonnen. Man müsse aber aufpassen, dass man nicht bestimmte Klientel und Wählerschaft bediene. Es gehe um Vorsorgementalität gepaart mit ethisch fundierten Entscheidungen.

Nachdem durch die Coronkrise Menschen vermehrt digital unterwegs sind und virtuelle Techniken nutzen, sehe er neue Einstellungsmuster hinsichtlich der Digitalisierung, stellt Ortwin Renn fest. Damit habe die Technik in der Krise eine besondere Bedeutung erlangt.

Audiodatei zur Kommunikation in der Coronakrise

Den kompletten Dialog mit den vier Wissenschaftlern können Sie hier als Audiodatei nachverfolgen.

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