Kunstsommer im Kolbstadl
Sara Victoria Sukarie und Hans Schuler . Foto: Kunst- und Kulturraum Vagen e.V.
Theater und Ausstellung in Vagen
„Was ist der Mensch wert?“ ist die zentrale Frage in Manuel Brauns Theaterstück „Der überflüssige Mensch – ein Abend über die Liebe“. Theater und Ausstellung bilden eine „Potpourri“ im diesjährigen Kunstsommer, der „Vagenale“.
Nach den erfolgreichen Inszenierungen von „Der Weibsteufel“ und „Philemon und Baukis“ hat der Vagener Theaterregisseur Manuel Braun in diesem Jahr ein neues Stück uraufgeführt, unter dramaturgischer Leitung von Thomas Braun. Die bisherigen Aufführungen waren fast durchweg ausverkauft, wie in den letzten Jahren auch. Das spricht für den Erfolg der Inszenierungen und auch für den ungewöhnlichen Ort. Die Zuschauer sitzen in hölzernen Stuhlreihen, während um sie herum der Raum bespielt wird, seitlich, vorn, die Treppe hoch und runter, hinten zum Hintereingang hinaus. Und oben spielt die Musik, das sind Helmut Braun und Maralena Grundbacher, die mit Klavier, Gitarre und Gesang die Stimmung des Stückes tragen, ausloten, brechen und wieder herstellen.
Ausstellung V8 Andreas Zißler, Anna Lerchbaumer: Popcornmaschine – PC- Synthesizer. Foto: Ines Wagner
Oben, da ist auch die Ausstellung „V8“, kuratiert von Jakob Gilg und Andreas Zißler. Ein V8 Motor ist das zentrale Objekt. Er ist mehr als die Summe seiner Teile, trägt die Faktoren der Selbstorganisation, des Feedbacks, der Auto-Referenz. Zugleich steht er auch für die „Vagenale“ des Kunst- und Kulturraum Vagen e.V., sinnbildlich zusammengesetzt im Mangfalltal, und nun zum Laufen gebracht. Vierzehn Künstler zeigen ihre Arbeiten, in denen Maschinen aneinander gekoppelt sind. Das Maschinenhafte verweist zugleich auf das Antlitz der menschlichen Kultur, in der die Menschen zu funktionierenden Gesellschafts-, Kriegs- und Liebesmaschinen werden, unfassbar komplex und zugleich wertlos, wenn sie nicht funktionieren.
Jeder braucht Kunst, Erkenntnis, Liebe und einen Mehrwert
Das ist der Verknüpfungspunkt mit Manuel Brauns Stück „Der überflüssige Mensch – ein Abend über die Liebe“. Seine Rollen von Mann und Frau hat er Hans Schuler und Sara Victoria Sukarie quasi auf den Leib geschrieben. Beide spielten bereits gemeinsam 2014 in „Philemon und Baukis“ herausragend intensiv. „Ich glaub, ich hab´s verlernt, das Reden“, sagte die Frau, und der Mann erwidert: „ Ich glaub, ich auch“. Es geht um Einsamkeit, um den Wert des Menschen, der sich verändert in der Zweisamkeit. Der sich verändert, in der Art und Weise, wie auf ihn geschaut wird, von der Gesellschaft, den „Anderen“, die starren und glotzen. Die genau sehen, ob ein Mensch Geld hat oder nicht, die urteilen und verurteilen. Und es gibt jede Menge Fragen. „Ist es doppelt so schlimm, wenn man zwei Menschen totfährt, statt nur einem?“ Die Fragen zum Wert des Menschen, sie sprudeln aus dem Mund der Frau. Sie rattern in die Köpfe der Zuschauer.
So ein Mensch muss sich rechnen
„Einer, der nur kost und nix bringt, davon kann man nichts abbeißen.“ Die Frau ist fremd, sie ist auf der Durchreise, arbeitslos, mittellos. Eigentlich ist sie auf der Reise in den Tod, aber es fehlt ihr der Mut, gegen die Wand, gegen einen Baum zu fahren. Der Mann ist Einheimischer, wortkarg. Verbringt seine Zeit in der Wirtschaft. Hat Grund, hat Geld. Ist trotzdem einsam, ausgegrenzt, durfte sein ganzes Leben nie der sein, der er war. Und die Leute, die Glotzenden, Redenden, Ausgrenzenden, die sich als Richter über den Wert des Menschen aufschwingen, sind die unsichtbaren Mitspieler. Sie spielen das Paar mit voller Wucht gegen die Wand. Liebe und Tod und das war´s? „Das will ich nicht!“, ruft die Frau, „so kann doch kein Abend über die Liebe enden!“
Theaterraum im Kolbstadl . Foto: Katrin Dickhaus e.V.
Es ist zugleich ein Stück, das die Möglichkeiten der Bühne und der schauspielerischen Fähigkeiten auslotet. Ein Spiel mit Wahrheit und Wirklichkeit. Das Koblstadl wird zum Raum voller Möglichkeiten: „Wenn plötzlich alles möglich ist, hat gar nichts mehr seine Gültigkeit. Wie soll man sich daran festhalten?“, fragt die Frau. Gibt es Spielregeln? Muss man sie befolgen, oder kann man alles aufbrechen? Manuel Braun bricht das Theaterstück auf. Es ist ein starkes Stück, ein nachdenkliches, kein einfaches, ein kantiges Stück, an dessen Kanten sich die Zuschauer brechen müssen, um zu verstehen. Das ist wichtig. All diese aufgeworfenen Fragen sind wichtig. Man kommt nicht umhin, sich ihnen zu stellen. Aber, so steht es zur „Vagenale“ geschrieben: „Die Welt ist unfassbar komplex ist, alles hängt zusammen und ist gleichzeitig getrennt, singulär, kategorisiert“.