Franziska Wanninger und „Der famose Freistaat“
Maria Hafner und Franziska Wanninger im Tannerhof Bayrischzell. Foto: Jürgen Haury
Musikalische Lesung in Bayrischzell
Zum ersten kulturellen Live-Post-Lockdown-Abend im Landkreis Miesbach lud Micol Krause von der Hofkultur im Tannerhof in Bayrischzell ein. Mit Franziska Wanninger und Maria Hafner standen zwei gestandene Künstlerinnen auf der Bühne, die ihren Auftritt sichtlich genossen, auch wenn es Einschränkungen gab.
Ein maskiertes Publikum, das ist natürlich gewöhnungsbedürftig, sowohl für Besucher als auch für die Künstler. Letztere können kaum Emotionen hinter den Masken wahrnehmen, ob ihre Darbietung ankommt und sind auf Beifallklatschen angewiesen. Die Besucher sitzen auf Abstand zu zweit oder allein am Tisch und müssen ihre Personalien hinterlegen.
Dennoch, endlich wieder Kultur live, Micol Krause zeigte sich überglücklich, dass der schöne Saal im Tannerhof wieder bespielt werden kann. Auch Franziska Wanninger, die bekannte oberbayerische Kabarettistin, mehrfach für ihre Programme ausgezeichnet, jubelte: „Der erste Auftritt nach dem 12.3.“
Ratgeber, um Bayern zu verstehen
Nach Bayrischzell war sie aber nicht als Kabarettistin, sondern als Autorin gekommen. Im Januar war „Der famose Freistaat“ erschienen, ein Ratgeber für Anfänger und Fortgeschrittene, um Bayern zu verstehen, den sie gemeinsam mit ihrem Kabarettkollegen Martin Frank geschrieben hat.
Eigentlich sollte sie Florian Burgmayr musikalisch begleiten, aber wegen Krankheit des Musikus aus Draxlham, sprang Maria Hafner ein. Die Schauspielerin, Sängerin, Geigerin und Akkordeonistin ergänzte perfekt die rasante Lesung von Franziska Wanninger.
Franziska Wanninger. Foto: Jürgen Haury
Was ihr Kabarettprogramme auszeichnet, das ist auch im Buch über die Bayern zu spüren: Sie schaut den Menschen aufs Maul und ins Herz, garniert aber das Ganze mit Sachverstand und einer Menge Wissenswertem über den Freistaat.
Da in Bayern die Uhren anders laufen als anderswo, beginnt das Buch mit dem Nachwort, in dem Bayern dem Nichtbayern vorgestellt wird. Der Pragmatismus der Bayern wird schon hier klar. Zwar wird der Preiß, also jeder Nichtbayer, vehement abgelehnt, wenn er aber, so wie Levi Strauss oder Konrad Röntgen was zum Ansehen des Freistaates beiträgt, dann wird er eingemeindet.
Witz und Sprachfertigkeit
Mit Witz und Sprachfertigkeit loten die beiden Autoren in ihrem Buch Herkunft, Charakter, Grant, Sprache und viele weitere Merkmale aus, die den Bayern zu dem machen was er ist: zu dem „Mir san mir“-selbstbewussten, introvertierten, gemütlichen Menschen. Allerdings, und da geht mir als Sächsin natürlich das Herz auf, wenn Franziska Wanninger feststellt, dass das höchste Liedgut des Bayern „Ein Prosit auf die Gemütlichkeit“ von einem Sachsen komponiert wurde.
Und noch etwas verriet sie: Vor dem Reinheitsgebot im Jahr 1516 wurde sogar das Bier aus Sachsen importiert. Und überhaupt, ein Bayer, das ist ein keltisch-römisch-germanischer Mischmasch, garniert mit Einflüssen der Völkerwanderungen.
Maria Hafner. Foto: Jürgen Haury
Zwischen den sprudelnden Lesungen streut Maria Hafner die musikalischen Leckerbissen ein, so von der Kati aus Obergiesing, die mit einer Hand einen Zentner Wirsing stemmt, natürlich alles im Dialekt, aber den kann eine Sächsin nicht verschriftlichen, auf die wiederkehrenden Fragen allerdings der beiden Künstlerinnen, ob man sie denn überhaupt verstehe, antwortet das Publikum einhellig mit „Ja“.
Ein besonderes Merkmal der Bajuwaren ist ganz eindeutig der Grant. Was anderswo als Schimpferei gedeutet würde, ist hier der Ausdruck von Bewunderung, so „Bist schon ein Hund“, oder gar in der zweiten Stufe, „ein verreckter Hund“. Passend dazu das zweistimmig gesungene Lied „Heut bin ich grantig, heut geht’s mir gut.“
Bairisch ist erotischste Sprache
Als wichtigstes Identitätsmerkmal bezeichnete Franziska Wanninger die Sprache, 2009 von der Unesco als Kulturerbe anerkannt. Aber sie verschwindet schön langsam, vor allem in der Landeshauptstadt, wo nur noch ein Prozent der Kinder Dialekt spricht.
Und das, nachdem der Playboy bairisch zur erotischsten Sprache kürte, auch wenn der Preuße hier über der Butter, der Radio, der Benzin und die mehrfache Verneinung stolpert.
Bei Föhn fällt Fensterln aus
Wussten Sie, dass bei Föhn das Fensterln ausfällt? Maria Hafner aber machte musikalisch doch noch einen ausfindig, der zum Annamirl stieg. Die Musikerin kann aber nicht nur humorvolle, sondern auch sehr melancholische Stücke spielen und stimmte sich sehr spontan mit ihrer Partnerin ab: „Soll ich noch ne Runde spielen?“, wenn diese noch am Blättern war.
Sehr genüsslich sang sie das Lied von Georg Queri von dem Jäger, der sehr genau überlegt, wo das Küglein beim Nebenbuhler hin treffen soll.
Die beiden Künstlerinnen beim Schlussapplaus. Foto: Jürgen Haury
Mit zwei echten Schmankerln beschlossen die beiden Bayerinnen ihr Programm, Franziska Wanninger mit einem Gedicht über das Heimkommen und Maria Hafner mit einem Jodler.
„Danke, es war schön, dass wir endlich wieder den Koffer packen konnten“, meinte die Kabarettistin und das Publikum dankte mit „Zugabe“-Rufen, dass es endlich wieder live Kultur erleben durfte.
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