Frei, freier, vogelfrei

Katja Lechthaler, Max Pfnür in „Räuber Kneißl“ . Foto: Marc Gilsdorf

„FREI SEIN“ ist der Titel vom Kultursommer Garmisch-Partenkirchen. Und was passt besser zum unbändigen Freiheitsgedanken, als die Legende vom „RÄUBER KNEISSL“, einem der unbestrittensten Volkshelden der Bayern?

Regisseurin Angela Hundsdorfer hat den Kneißl Hias mit großem Ensemble auf die Bühne der Bayernhalle gebracht. In der ehemalige Bierhalle hängt eine riesige Kornkrone von der Decke und bäuerliches Werkszeug an den Wänden. Die Krönung der natürlichen Kulisse des Spielortes, der sich perfekt für das ländliche Ambiente der Kneißl-Legende eignet, ist die Bühnenrückwand.

Inszenierung in fabelhafter Echtkulisse

Die Halle wurde direkt an eine Felswand angebaut. Diese dient nun als echte Kulisse, vor der sich Leben und Sterben des berühmten Schachenmüller-Hiasl abspielt. Der sparsame Bühnenaufbau unterstützt die Handlung. Videos laufen, von der Struktur des Fels unterbrochen, an der Rückwand, werden zu Transporteuren von Rückblenden, Erinnerungen und Träumen. Die Videos und auch die Musik von Erwin Rehling und Thomas Unruh sind es, die das Stück zugleich im Heute ansiedeln, eine Brücke ins Zeitlose schlagen.

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Katja Lechthaler (Mutter), Josef Eder (Vater)- die Not ist groß in der Schachenmühle. Foto: Marc Gilsdorf

Res Kneißl, die Mutter des Hias, erzählt die Geschichte in der Kindheit beginnend. Anrührend ist die Szene, in der die Kinderdarsteller ihre Rollen an die jungen Erwachsenen weitergeben. Katja Lechthaler spielt die Mutter, eine geborene Pascolini, mit überzeugend italienischem Temperament. Sie selbst hält von den Obrigkeiten nichts, und in diese Haltung und in Armut hinein werden die Kinder geboren, obschon der Vater, gespielt von Josef Eder, ein ehrlicher Handwerker ist. Zu Räubern werden sie durch Not, unglückliche Umstände und durch die Ablehnung ihrer Mitmenschen. Auch Fremdenhass spielt hinein, in die Geringschätzung des „Pascolini-Packs“. Was macht einen Mensch zum Außenseiter, zum Mörder? Und was macht einen Mörder zum Volksheld? An die Antwort auf diese Fragen tastet sich das Stück heran.

Der Ungerechtigkeit ist Genüge getan

Weil der Lehrer den Buben schon früh als „unerziehbar“ abstempelt, landet der 16-Jährige Hias zu ersten Mal wegen Schulschwänzerei im Gefängnis. Womit die Unverhältnismäßigkeit, mit der man unbequeme Menschen beargwöhnt und straft, bereits seinen Anfang genommen hat. Gnade und Milde gibt es für dererlei Pack und Gschwerl nicht. Nicht einmal Gerechtigkeit. Und das ist es vermutlich auch, was den Legendenstatus des Räuber Kneißl schon zu Lebzeiten, und erst Recht nach dem Tode, begründet. Dass einer sich nicht verbiegen und beherrschen, einschüchtern oder einfangen lässt, sondern zum Räuber und Geächteten wird und den Obrigkeiten trotzt, den Großkopferten auf der Nase herum tanzt. Max Pfnür verkörpert den Räuber Kneißl mit Charme und Witz und überzeugender schauspielerischer Dichte.

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Max Pfnür alias Kneißl Hias auf der Flucht. Foto: Marc Gilsdorf

An der Seite Kneißels spielt Ferdinand Ascher überzeugend den unberechenbaren, depperten Bruder Alois, gewalttätig und mit irrem Lachen. Mathilde, die Geliebte, die Kneißl beschwört, auf dem ehrlichen Weg zu bleiben, wird von Natascha Heimes und Schwester Kathi von Pia Kolb eindrücklich dargestellt. Gespenstig skandiert das Volk, dargestellt vom Ensemble, die Gerichtsbeschlüsse, Ablehnungen, Anklagen, Drohungen. Alle gegen Einen. Ohne Gnade ist diese Justiz.

„Zuagricht, hergricht, higricht“

So ist das Ende des Räuber Kneißl vorbestimmt. Aber sein Ruf ist längst Legende geworden. Eine Legende, die seitdem Stoff für Balladen, Geschichten, Theater und Film bietet. Angela Hundsdorfers Inszenierung ist großartig gelungen. Sie hat einen Bayrischen Hias auf die Bühne gebracht, der traditionell und zugleich zeitlos ist. Zeitlos wie das Thema von Individualität und Ausgrenzung, Integration, Fremdenhass, Verhältnismässigkeit und Todesstrafe. Und weil’s doch eine bayrische Legende ist, gab es dazu natürlich das dunkle Kneißl-Bier aus Maisach und jede Menge „Bravo“-Rufe.

Das detaillierte Programm vom Kultursommer Garmsich-Partenkirchen vom 19.8. bis 18.9.2016 sowie die weiteren Spieltermine vom „Räuber Kneißl“ finden Sie auf der Webseite www.kultursommer-gapa.de

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