Die Wäsche trocknet an der Sonne
Urlaubsstimmung beim Open Air am Tannerhof. Foto: Karin Sommer
Open Air in Bayrischzell
„Wäsche trocknet an der Sonne, am Wind und am Licht. Wie schön ist das eigentlich.“ Das war’s dann auch schon an Lyrik für ein ganzes Lied. Frecher Mut könnte hinter so wenig Text stehen oder auch wahre Poesie. Zu Gast beim Open Air am Tannerhof war Maxi Pongratz.
„Sie sind Gärtner, also sind Sie Gärtner“, sagte der ernsthafte Mann, der in der Agentur für Arbeit sein Geld verdiente, vor zehn Jahren zu Maxi Pongratz. Dieser sah das anders. Wohl hatte er die Lehre zum Gärtner beendet und wusste Bescheid übers „Garteln“, aber Gärtner war er deshalb noch lange keiner. Er war Musiker und ließ die Tage hinter sich, an denen er am liebsten am Friedhof gearbeitet hatte, weil es dort so ruhig war und man ungestört hinter Grabsteinen schlafen konnte.
Maxi Pongratz begeistert unterm Apfelbaum am Tannerhof. Foto: Andreas Vogt
2007 gründete der Oberammergauer mit weiteren drei Musikern die Band „Kofelgschroa“, die schnell bekannt wurde, den Förderpreis der Stadt München erhielt und durch Konzerte, Alben und einem Kinofilm jahrelang im Blickpunkt der Öffentlichkeit stand. Als Liedschreiber, Akkordeonspieler und Sänger war Maxi Pongratz dabei, bis die Band sich Ende 2018 zu einer kreativen Pause entschloss. Seither tourt Maxi Pongratz alleine durch die Welt.
Lesetipp: Franziska Wanninger und „Der famose Freistaat“
Am Anfang hätte er sich schon schmal gefühlt auf der Bühne, schmäler als er eigentlich ist, erzählt Maxi Pongratz dem Publikum am Tannerhof. Seinem Charme hat das bestimmt keinen Abbruch getan, denn Maxi Pongratz besitzt den Mut, nicht größer sein zu wollen als er ist. Wie die wahrhaftigen Clowns zeigt er sich verletzlich und erzeugt damit unwiderstehliche Magie.
Er sei sicher, dass keiner der anwesenden Menschen öfters als er durch die praktische Führerscheinprüfung gefallen sei. Verarbeitet hat er die Erfahrung in einem Lied, in dem es präzise um den Moment geht, in dem der Prüfer, noch im Auto, die entscheidenden Worte spricht. „Ich ergebe mich vorm Ergebnis“, singt er und hat das Publikum auf seiner Seite mit seiner Gabe, sich auf den Kopf zu stellen und alltägliche Szenen von unten, von der Seite, von ganz weit weg und hautnah zu betrachten.
Karl Valentin hätte seine Freude an Maxi Pongratz
Als valentinesk beschreiben Kritiker oft seine Texte, mit denen Karl Valentin wohl mit ziemlicher Sicherheit seine Freude hätte. Das Spiel mit der Sprache haben sie gemeinsam, das Unmittelbare und Unverfrorene im Ausdruck dessen, was ist. Da ist kein Wort zu viel und keines zu wenig. Da werden die Leute auf die Schaufel genommen, aber niemals von oben herab. Alles darf hinterfragt werden, sogar der Name des Akkordeons, das Maxi Pongratz durch den Abend unter Apfelbäumen begleitet. Warum heißt es eigentlich nicht Druckharmonika, wo doch im Endeffekt mehr gedrückt als gezogen wird?
Konzert im Mondschein. Foto: Andreas Vogt
Viel Muße, die Wirklichkeit zu betrachten und ihr auf die Spur zu kommen, scheint Maxi Pongratz zu besitzen. Er folgt dem Regentropfen auf seinem Weg durch die Dachrinne, dem Blatt auf seinem Weg Richtung Boden, dem Augenlid bei seinen Bewegungen und findet auch manchmal einen genialen Titel, obwohl der laut ihm das Unwichtigste ist. Außer bei dem Augenlid-Lied. Das ist doch wirklich schön.
Ohne die bayrische Sprache geht es auch
Die Lyrik alleine würde wahrscheinlich schon Menschen beglücken, doch ist es nicht zwingend notwendig, bayrisch zu verstehen, um einen Auftritt Maxi Pongratz zu genießen. Die Rhythmik der Texte wirkt für sich, Gesang und Akkordeon sind beide stark, direkt, frei. Seine Musik in die neue Volksmusik einzureihen, würde ihr nicht gerecht werden, auch weil sie sich bestimmt nicht einordnen lassen will. Sie spielt mit den Texten, wiederholt Melodien, erfreut sich des Alten wie Walzer und Polka und bricht das Bekannte im nächsten Moment durch Frisches, groovt unbekümmert ins neue Fremde.
Lesetipp: Wenn aus weniger mehr wird
Wenn alle Stricke reißen, muss er eben wieder garteln, meint Maxi Pongratz lapidar. Vorstellen kann sich das an diesem Abend keiner. Selbst wenn es so sein sollte, würde Maxi Pongratz dann wohl mit seinem Akkordeon im Friedhof gärtnern. Weil er Poet und Sänger ist, also ist er es.