Marlene Hupfauer

Wertschätzung für die Landwirtschaft

Kreisbäuerin Marlene Hupfauer mit BR-Moderator Stefan Scheider bei der Anders wachsen-Konferenz 2019 . Foto: Petra Kurbjuhn

Fragen an die Kreisbäuerin

Kreisbäuerin Marlene Hupfauer war bei der „Anders wachsen“-Konferenz 2019 dicht umlagert, ein Zeichen dafür, dass die Landwirtschaft bei vielen Menschen auf Interesse, zuweilen aber auch auf Kritik stößt. Wir wollen die Sicht der Landwirtschaft hören und baten die Kreisbäuerin um ein Interview.

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MZ: „Anders wachsen – Alternative Ideen für das Oberland“ – welche Ideen gibt es in der Landwirtschaft?

MH: Die Bayerischen Kreisbäuerinnen fordern seit über 7 Jahren das Unterrichtsfach „Alltagskompetenzen und Lebensökonomie“ in den Unterricht mit aufzunehmen, da es ein sehr großes Wissensdefizit vor allem zu landwirtschaftlichen Themen gibt. Mit den Volksbegehren wurde auch dieser Antrag der Landfrauen mit angenommen. Leider konnte das Kultusministerium kein Unterrichtsfach integrieren, sondern man einigte sich erstmals auf eine Projektwoche.

Open Space
Im Open Space war Kreisbäuerin Marlene Hupfauer begehrter Gesprächspartner bei der „Anders wachsen“-Konferenz 2019. Foto: Petra Kurbjuhn

Ernährung, Gesundheit, Haushaltsführung, selbstbewusstes Verbraucherverhalten und Umweltverhalten sind Handlungsfelder, die wir Bauersfamilien in Zukunft neben unserer Arbeit den Kindern und Jugendlichen im Unterricht vermitteln möchten. Ich glaube man merkt schon, dass da eine Woche überhaupt nicht ausreicht. Wir Bauersfamilien freuen uns, wenn Schulklassen zu uns auf den Hof kommen und wir ihnen erklären dürfen „Wo kommt den unser Essen her“, wie dürfen Tiere bei uns am Hof leben.

MachtSinn - radikal regional
Gemüse im machtSinn. Foto: Anschi Hacklinger

Außerdem sollen die Kinder und Jugendlichen ein Gespür für die Pflege der Kulturlandschaft, für Zusammenhänge von Naturnutzung und Freizeitverhalten entwickeln und so ihre Heimat schätzen lernen. In einem Einkaufstraining sollen die Schüler für saisonale und regionale Lebensmittel sensibilisiert werden. Sie haben auch die Gelegenheit kleine Gerichte selber zu machen – es muss nicht alles fertig gekauft werden. Auf jeden Fall freuen wir uns auf viele schöne und lehrreiche Begegnungen mit Schülern und Lehrkräften.

MZ: Wie gelingt der Spagat zwischen den politischen Vorschriften und den Wünschen der Bevölkerung, siehe Laufställe?

MH: Der Spagat gelingt nur wenn wir unsere Mitmenschen wieder mitnehmen. Als Kreisbäuerin sehe ich mich als Botschafterin der Landwirtschaft aber auch als Brückenbauerin zur Gesellschaft – Öffentlichkeitsarbeit liegt mir sehr am Herzen. Wir müssen unserer Gesellschaft wieder erklären, warum sich Landwirtschaft in den letzten Jahren gewandelt hat und wieso manches nicht mehr so ist wie früher.


Laufstall in der Unteren Wies. Foto: MZ

Von Politik und Gesellschaft wird immer mehr Tierwohl gefordert, das heißt wir müssen unseren Tieren mehr Platz, mehr Bewegungsfreiheit, Licht und Luftraum zur Verfügung stellen, dies gelingt aber meist nur mit einem neuen Stallbau. Befindet sich der Landwirt im Innenbereich kann so ein Bau meist nicht verwirklicht werden, da der Platz nicht ausreicht. Der Bau auf der grünen Wiese ist so also unumgänglich.

Diskussion zur Landwirtschaft

Momentan mache ich gerade eine Landkreistour, indem ich in jeder Gemeinde den Gemeinde- oder Stadtrat auf einem Hof einlade. Unter dem Motto „Wieso – Weshalb – Warum – Austausch und Diskussion zur Landwirtschaft“ erfahren die Multiplikatoren alles rund um die Landwirtschaft. Das Angebot wird sehr gerne angenommen und ganz viele haben nach so einem Hofbesuch wieder eine ganz andere, ich möchte sogar sagen, positive Einstellung zu unserer Arbeit – zu unserem Berufsstand. Auf jeden Fall freut es mich, wenn mein Tun und Wirken (Kreisbäuerin ist ein Ehrenamt) Sinn macht.

MZ: Warum müssen so viele Landwirte ihre Betriebe aufgeben?

MH: Die meisten Landwirtschaften sind familiengeführte Betriebe, das heißt zwei bis vier Generationen sollten von einem Einkommen leben. Dies ist aber in der Realität gar nicht machbar, meistens muss noch eine Generation hinzuverdienen.
Wir alle wissen, dass in Deutschland Lebensmittel viel zu billig sind. Jeder kann sich dann ausrechnen, was beim Landwirt da noch ankommt. Jeder Mehraufwand, den die Politik jetzt von uns fordert, ist eine zusätzliche finanzielle Belastung für die Bauersfamilien. Und immer muss man rechnen und sich ernsthaft überlegen – kann ich und meine Familie davon noch leben?

Lernen auf dem Bauernhof
Bauernhof im Oberland. Foto: KN

Das größte Problem bereitet uns zurzeit das rasante Tempo der Politik und dass sich die Ministerien überhaupt nicht mehr untereinander absprechen. Immer wieder gibt es neue Gesetze, die wir zu erfüllen haben. Diese führen aber bei uns Landwirten sehr oft zu Problemen, weil sie gar nicht umsetzbar sind. Wir haben überhaupt keine Planungssicherheit mehr.

Es ist ganz einfach: Wenn auf der einen Seite die Einnahmen weniger sind und auf der anderen Seite die Ausgaben höher, muss ich als Landwirt irgendwann einmal die Entscheidung treffen, dass ich so keine Zukunft mehr habe.

Und da wäre noch ein wichtiger Punkt: Gerade in letzter Zeit machen Politik und Gesellschaft zu den ganzen Umweltthemen immer nur die Landwirtschaft für alles verantwortlich, das verletzt uns schon sehr, weil ich der Meinung bin, gerade zu den Umweltthemen müssen alle, die auf dieser Welt leben, ernsthaft daran arbeiten, nicht nur die Landwirtschaft alleine.

Mich stimmt es traurig, dass der Druck von allen Seiten so groß wird, dass man den Spaß an seiner Arbeit verliert. Eigentlich wollen wir nur unsere Arbeit machen und für unsere Mitmenschen hochwertigste Lebensmittel erzeugen, nicht mehr und nicht weniger

MZ: Welche Vorteile hat die regionale Versorgung mit Lebensmitteln?

MH: Mit regionalen Lebensmitteln punktet man auf ganzer Linie, kurze Wege schützen das Klima, die Qualität wird durch die Frische erhöht und heimische klein- und mittelständige Betriebe werden unterstützt, die unsere Kulturlandschaft pflegen.
Im Einkaufsführer „Wos Guads ausm Miesbacher Oberland“ findet man viele Hofläden und Direktvermarkter, die alles bieten was das Herz und der Gaumen begehrt.

MZ: Was wünschen sich die Landwirte von der Bevölkerung?

MH: Wertschätzung, Wertschätzung, Wertschätzung!

Mir ist aufgefallen, wir Bauersfamilien schätzen komischerweise jeden anderen Berufsstand, denn wir wissen, wie wichtig er für uns alle ist und wie jeder zum Großen und Ganzen beiträgt. Gerade wir Bäuerinnen organisieren immer wieder Bildungsfahrten indem wir anderen Berufen über die Schulter schauen. Wir sind noch nie auf die Idee gekommen einen anderen Handwerker oder Beruf öffentlich zu kritisieren, weil wir ihn einfach schätzen!

Anders herum dürfen wir das leider nicht erfahren. Gerade im Lockdown haben wir doch alle gemerkt, wie wichtig eine Lebensmittelversorgung ist. Wir hatten alle Glück, denn die Grenzen zu anderen Ländern waren für den Lebensmittelimport offen – sogar die Bananen gingen nicht aus – aber was hätten wir gemacht wenn Bayern sich selber versorgen hätte müssen, hätte es für alle gereicht?

Jeder Landwirt der aufhört macht die Gesellschaft ein Stückchen mehr abhängig vom Ausland. Wir müssen jetzt endlich alle einmal aufwachen und feststellen, wie wichtig jeder einzelne Landwirt in der Region für uns alle ist, denn er versorgt mit hochwertigen Lebensmitteln jeden einzelnen von uns. Er bietet Sicherheit auch in Krisenzeiten, so wie ein Fels in der Brandung.

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