Die nächste Generation – was bewegt sie?
Kollektiv, welches die Sommerschule Maříž seit 2019 organisiert. Foto: Hannes Reisinger
Thementag in Fratres/NÖ
Die nächste Generation gestaltete den dritten Thementag der Kulturbrücke Fratres und zeigte mit ihren Mitteln, was die Jugend draufhat. Natürlich geschah dies überwiegend in digitaler Form, das Konzert am Ende allerdings war ganz analog.
Was beschäftigt eine Generation, die nach der Wende geboren wurde? Junge Menschen, die die Grenze durch Europa nicht mehr miterleben mussten. Junge Menschen, denen alle Türen offenstehen, die in Freiheit und einem Übermaß an Möglichkeiten leben. Was beschäftigt sie? Wie drücken sie sich aus?
Es ist Freyja Coreths, Tochter von Kulturbrückengründer Peter Coreth, Verdienst, mit ihrem Team einen ganz anderen Thementag in Fratres vorbereitet zu haben. Gewohnt ist man hier, dass ein Thema aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Kultur bearbeitet wird.
Julia Bauer und Freyja Coreth begrüßen die Gäste im Stadel. Foto: Hannes Reisinger
Üblicherweise gibt es eine Ausstellung mit bildender Kunst, dazu eine Laudatio, es gibt Vorträge, Podiumsdiskussionen, Filme, Lesungen, Musik, alles ziemlich analog. Entsprechend ist das Publikum auch eher nicht mehr ganz jung.
Ganz anders am Samstag, dieses Mal tummelten sich zum großen Teil junge Menschen aus Österreich und Tschechien im Gutshof. Und alle waren neugierig. Freyja Coreth und Julia Bauer begrüßten ganz konventionell die Besucher im großen Stadel mit genügend Abstand.
Austausch der Generationen
Dieser kunterbunte Tag habe eine besondere Bedeutung, sagte Freyja, denn man wolle den Austausch der Generationen anregen. Welch ein wichtiges Vorhaben. Junge Künstlerinnen und Künstler wollten heute zeigen, wie sie die Welt wahrnehmen.
Der große gut durchlüftete Stadel. Foto: Hannes Reisinger
Julia Bauer erklärte dann, dass es zunächst ein eineinhalbstündiges Streaming gebe. Mehr nicht. Und so durften die Besucher rätseln, was sie zu sehen bekommen. Einen Wald, in dem skurille Figuren wie aus einer anderen Welt nacheinander auftauchten und sich auf einen unbekannten Weg machten. Mit Fellen und Hörnern und steinzeitähnlichen Ausrüstungen, unbekannte Laute ausstoßend, ob zornig oder gelassen blieb ungewiss.
Mit großen Schmetterlingsnetzen suchten sie nach Artefakten und eine junge Frau, die auf einer Decke liegt, schließt sich ihnen an. Auch ein Gehilfe ist dabei, der eine Schubkarre mit einem undefinierbaren Gerät schiebt.
Ein Gehilfe schiebt einen Schukarren. Foto: Hannes Reisinger
Sehr bewegend ist die Szene, als sie eine lange weiße Stoffbahn auflegen und hinüberspringen, der Eingeweihte ahnt jetzt, dass dies die echte Grenze, die hier direkt vor der Haustür verläuft, markieren soll. Und ahnt auch, was bald passiert, nämlich dass die fremden Gesellen in echt in den Stadel einmarschieren und die Besucher auffordern mitzukommen.
„Soziale Plastik“ von Joseph Beuys
Das ganze Spektakel wurde von einem Kollektiv, welches die Sommerschule Maříž seit 2019 organisiert, initiiert, nur reichlich zwei Kilometer Luftlinie von Fratres entfernt. Hier wird eine Tradition, die von der Elterngeneration etabliert wurde, weitergeführt. Von Lešnice aus über Maříž hatten sie sich auf den Weg gemacht und per Livestream filmen lassen. Basierend auf Joseph Beuys Konzept der „Sozialen Plastik“ ist das Experiment selbst der kollektive Ausdruck einer Kunst, die in die Gesellschaft einwirken soll.
Der Einzug in den Galerieraum. Foto: Hannes Reisinger
So war diese Idee fantastisch, die Ausführung indes mit eineinhalb Stunden zu lang und viele der älteren Besucher verließen irritiert den Stadel. Sie folgten dann aber den fremdartigen Besuchern in den Galerieraum, in dem diese eine Bodeninstallation aus ihren gesammelten Artefakten einschließlich ihrer Ausrüstungsgegenstände aufbauten.
Installation im Galerieraum. Foto: Hannes Reisinger
Diese wurde von der Serie „Life: A Piece of Cake“ des Wiener Kunststudenten Joshua Alena Mallek umrahmt. Der menschliche Körper steht im Fokus dieser Arbeiten, die sich den Themen Identität, Geschlecht und Normalität widmen.
Joshua Alena Mallek: Aus der Serie „Life: A Piece of Cake“. Foto: MZ
Besonders neugierig war ich auf einen Programmpunkt, der sich „Zwischen . Raum . Dialoge“ nannte, da ich plante, diese Installation zur Eröffnung unseres „anders wachsen“ Programms am 27. September nach Holzkirchen einzuladen. Gemeinsam mit einem Konzert von Musikern zweier Generationen, „Big bad Wolf“ und „Watching the cat“ wollen auch wir den „Dialog der Generationen“ anstoßen. Nach wie vor aber ist es ungewiss, ob wir die Veranstaltung durchführen dürfen.
Dialog der Generationen im Iglu. Foto: Hannes Reisinger
In einem analogen Raum eines selbst gebauten Iglus im Stadel gab es spannende digitale Dialoge der Generationen. Clementine Anna Engler, Lena Feichtinger, Julia Bauer und Freyja Coreth loten mit ihrer Interviewserie das Thema „Freiheit“ aus. Die Besucher dürfen im Iglu aber auch außerhalb diesen Gedanken und Gefühlen unterschiedlicher Menschen folgen.
Freiheit und Grenzen
Es geht dabei um die Einschränkung der Freiheit durch Alltagssituationen, es geht um den Begriff Freiheit an sich, wozu und wovon ist man frei. Welche gesellschaftlichen Konventionen begrenzen die Freiheit und welche sind es, die in der Familie auferlegt werden? Wie wichtig aber sind auch solche Grenzen für Kinder? Wie ist das Thema Verantwortung zu sehen?
Lesetipp: Dialog der Genrationen, KulturBegegnungen Nr.33, Seite 10
Einen breiten Raum nehmen auch Themen der Unfreiheit in der DDR ein und wie die Menschen dann nach dem Fall der Mauer mit den plötzlichen unzähligen Möglichkeiten umgehen. Wie wichtig ist Reise- und Meinungsfreiheit?
Ein Statement hat mir besonders gefallen: „Jede Generation braucht ihre eigenen Erfahrungen.“ So schwer es uns Älteren fällt, jeder muss über Hürden selbst springen und selbst draufkommen, wie zu leben sei.
Dieser Beitrag der nächsten Generation regt zum Nachdenken an und dient als Basis für einen echten Dialog von Mensch zu Mensch.
Nora und Antonia Eckart. Foto: Hannes Reisinger
Die freiwillige Covid-19-Quarantäne war der Anlass für einen Film von Nora Eckhart, Matthias Helfrich und Antonia Eckhart, die den Verein „Living Rooms“ gründeten. Sie basiert auf der spielerischen Technik des Cadavre Exquis von André Breton, bei der Zufall und Impuls der Mitwirkenden die Entstehung eines Kunstwerkes beeinflussen.
Der Thementag der nächsten Generation ging mit einem Live-Konzert von Rahel Kislinger und Raphael Krenn, sowie Tanz mit DJ zu Ende.
Die Sängerin Rahel Kislinger. Foto: Hannes Reisinger
Ich habe viel gelernt. Festgefahren in den gewohnten Bahnen darf sich die ältere Generation auch den Methoden der jungen öffnen und sehen, wie sie damit zurechtkommt. Aufeinander zugehen, möglichst analog, miteinander reden, sind meiner Meinung nach, beste Voraussetzungen.