Frauen im Islam – Gleich und doch anders!?
Islamwissenschaftlerin Gönül Yerli vom Islamischen Forum in Penzberg. Foto: MZ
Vortrag in Miesbach
Mit Gönül Yerli stand eine emanzipierte und integrierte Muslima am Rednerpult und überzeugte die zahlreichen Besucher im Waitzinger Keller mit ihren profunden Kenntnissen über die Rolle der Frauen im Islam ebenso wie mit ihren ehrlichen Zweifeln an so manchem aktuellen Geschehen.
Max Niedermeier, Integrationsbeauftragter des Landkreises, freute sich. Dies sei die zweite Veranstaltung, die man im Verbund von Amnesty international, KBW, vhs und dem Netzwerk Integration, neuerdings zu PIA e.V. gehörig, durchführe. Nach dem Theater „Anders als du glaubst“ im März, heute der Vortrag über „Frauen im Islam“. Der Zuspruch zeige, dass man dies fortsetzen werde.
Max Niedermeier, Integrationsbeauftragter des Landkreises Miesbach. Foto: MZ
Das Engagement von Gönül Yerli habe sie beeindruckt, sagte Netzwerkssprecherin Lisa Braun-Schindler. Die Vizepräsidentin des Islamischen Forums Penzberg sei eine Verfechterin des interreligiösen Dialogs. Kein Wunder, hat sie doch sowohl islamische als auch katholische Religion studiert.
Lisa Braun Schindler, Sprecherin des Netzwerkes Integration. Foto: MZ
Aus einem traditionellen Elternhaus stammend, sei sie in der Schule im katholischen Religionsunterricht gelandet, erzählte Gönül Yerli, das Frauenbild in beiden Religionen habe sie von früh an interessiert. Um dies zu verstehen, müsse man sich neben dem Koran auch mit Hadith, Sunna, den Rechtsschulen sowie der jeweiligen Lebenswirklichkeit zurzeit des Propheten aber auch heute befassen.
Männer und Frauen vor Gott gleich
Der Koran als letzte Offenbarung Gottes an die Menschheit nach der Bibel, Thora, den Psalmen und Evangelien, wurde im 7. Jahrhundert durch den Engel Gabriel an Mohammed übergeben. Die damalige Situation der Frauen in den arabischen Ländern war alles andere als leicht. Oft als Sklavin gehalten waren sie rechtlos. In Sure 4 wird in traditioneller Übersetzung gesagt, dass der Mann über der Frau stehe, eine neuere Übersetzung allerdings zeige, dass Männer für Frauen Sorge tragen sollen. Für diese Auslegung spreche auch, dass, wie in Sure 3 vermerkt, dass Männer und Frauen vor Gott gleich seien.
Zwei Hälften eines Apfels
Der Hadith beinhaltet die wörtlichen Überlieferungen des Propheten, die erst nach seinem Tod niedergeschrieben wurden und die Sunna die Lebensweise Mohammeds. Hier heiße es unter anderem: „Frau und Mann sind wie die zwei Hälften eines Apfels.“ Die Referentin wies aber auch auf den Satz in der 4. Sure hin, dass der Mann die Frau bei einem Streit zuerst ermahnen, dann im Bett alleinlassen und letztlich schlagen soll. Dem widerspreche ein Ausspruch des Propheten, dass Männer, die ihre Frauen schlagen, nicht glauben sollten, dass sie gute Menschen und gute Muslime seien.
Die Referentin Gönül Yerli. Foto: MZ
An den Beispielen Erbrecht und Polygamie wies die Referentin nach, dass der Koran im Kontext des 7. Jahrhundert gesehen werden muss und eine Emanzipation darstellt, er habe so Schritt für Schritt eine monogame Ehe einführen wollen. Auch das Kopftuch sei ein Beispiel dafür, dass die Frau in die Gesellschaft integriert werden sollte, denn vorher seien die Sklavinnen oft nackt gewesen.
Neben den Schriften spielen die Rechtsschulen des Islam eine wichtige Rolle, die aber pluralistische Lehrmeinungen entsprechend ihrer Ausrichtung vertreten. Heute kommen dazu noch Politik, Kultur und Religion der einzelnen Länder, so dass die muslimischen Frauen in sehr unterschiedlichen Wahrnehmungen leben.
Aktuelles zur Stellung der Frauen im Islam
Gönül Yerli zeigte die Stellung der Frauen im Islam an aktuellen Situationen. So gibt es in Afghanistan nach wie vor 59 Prozent Zwangsehen, Gewalt, sogenannte moralische Verbrechen und Suizide bei den Frauen, währenddessen in Saudi-Arabien Frauen Autofahren, allein reisen und Verträge schließen können. Auch in der Türkei haben Frauen Rechte, wie das Wahlrecht, Recht auf Bildung oder Schutz vor häuslicher Gewalt. In Deutschland schließlich gebe es die Geschlechtergerechtigkeit, das Gesetz gegen Zwangsheirat und Lehrstühle für Islamische Theologie seien von mehr Frauen als von Männern besetzt. Die Referentin sagte, dass nur durch den Dialog die Probleme beseitigt werden können. Sie äußerte ihre Dankbarkeit, dass Deutschland die Türen aufgemacht habe und dass der Islam in der Bringschuld sei, seine Identität zu erklären.
Kulturreferentin Inge Jooß und Gönül Yerli. Foto: MZ
In der angeregten Diskussion, von Integrationsreferentin der Stadt Miesbach Inge Jooß moderiert, betonte Gönül Yerli, dass der historische Kontext des Koran oft von Muslimen nicht wahrgenommen, sondern buchstäblich ausgelegt würde. Was die Gleichberechtigung der Geschlechter anbelange, dürfe man nicht übersehen, dass wir europazentriert denken. Tatsächlich aber würden nur fünf bis sieben Prozent der Weltbevölkerung in Rechtsstaaten leben.
Theologie hinkt hinterher
Oft würden Flüchtlinge von Zwangsheiraten berichten, sagte Max Niedermeier. Ähnlich arrangierte Ehen gebe es auch in Bayern, konterte die Referentin und letztlich geschehe dies aus Sorge um die Mädchen. „Der Koran skizziert ein Idealbild“, sagte sie, um dann sehr kritisch die Frage zu stellen: „Wie kann ein Islamischer Staat hervorgebracht werden?“ Nach einer Blütezeit des Islam und der Hochzeit der Wissenschaft insbesondere der Mauren im Mittelalter hinke heute die Theologie der modernen Entwicklung hinterher. Aber dies sei im Christentum ähnlich, hieß es aus dem Publikum.
Also müsse man sich gemeinsam entwickeln, um voranzukommen, war das Fazit des Abends.
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